Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderliche Wohnnutzung nach dem GrEStEigWoG
Leitsatz (NV)
1. ,,Erwerb einer Eigentumswohnung" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 GrEStEigWoG umfaßt auch alle Erwerbsvorgänge mit, die noch als Vorstufe zur Bildung des Wohnungseigentums verstanden werden können. Es reicht aus, wenn die zukünftigen Wohnungseigentümer Miteigentum erwerben, sich jeweils einzelne abgeschlossene Wohnungen aufgrund einer Nutzungsvereinbarung zur alleinigen Zuständigkeit zuweisen und erst nach dem Erwerb Wohnungseigentum an der ihnen zugewiesenen Wohnung erhalten.
2. Der GrESt-Befreiung steht auch nicht entgegen, wenn erst der Erwerber eine Nutzungsänderung im Sinne der Befreiungsvorschrift vornimmt.
3. Die wohnliche Nutzung muß grundsätzlich die gesamte Wohnung umfassen (vgl. BFH-Beschluß vom 18. März 1986 II S 2/86 BFH/NV 1987, 533). Hiervon kann aber dann nicht gesprochen werden, wenn erhebliche Teile der Wohnung wegen der Durchführung von Umbaumaßnahmen nicht nutzbar sind, bzw. wenn es an wesentlichen Merkmalen für das Vorhandensein einer Wohnung (z.B. Wohnungsabschluß) fehlt.
4. Der Beginn der Fünfjahresfrist wird durch Satz 2 des § 1 Abs. 1 GrEStEigWoG nicht schlechthin bis zur Bezugsfertigkeit hinausgeschoben, wenn das Gebäude zu Wohnzwecken nicht bezogen werden konnte, sondern dies ist nur dann der Fall, wenn das Gebäude nicht bezogen werden konnte, weil es im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht erstmals fertiggestellt war. Hieraus folgt, daß nur bei neu errichteten, im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht (erstmals) fertiggestellten Gebäuden die Fünfjahresfrist mit der Bezugsfertigkeit beginnt.
Normenkette
GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2
Tatbestand
Der Kläger erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 24. Juli 1981 einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück verbunden mit noch zu schaffendem Sondereigentum an einer Wohnung zu einem Kaufpreis von 103000 DM. Das Grundstück war mit einem Gebäude bebaut, welches bis zum 31. Dezember 1978 dem Betrieb einer medizinischen Fachklinik gedient hatte. Dieses sollte nach Plänen des Grundstücksverkäufers in Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten aufgeteilt werden. Nach diesen Plänen und der entsprechenden Teilungserklärung vom 22.Juli 1981 sollte der vom Kläger erworbene Miteigentumsanteil mit dem Sondereigentum an der im Erdgeschoß gelegenen, aus bestimmten Räumen noch zu bildenden Wohnung Nr.1 verbunden werden. Der Vollzug der Teilungserklärung im Grundbuch war zwar beantragt, jedoch noch nicht erfolgt. Der erforderliche Umbau sollte von den Erwerbern der Miteigentumsanteile selbst durchgeführt werden.
Antragsgemäß stellte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den Grunderwerb nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) von der Grunderwerbsteuer vorläufig frei.
Mit den Umbauarbeiten wurde vom Kläger im Jahre 1982 begonnen. Diese umfaßten neben dem kompletten Innenausbau der Wohnung u.a. den Einbau größerer Fenster mit umfangreichen statischen Maßnahmen im Außenwandbereich, den Abbruch und die Neuerrichtung mehrerer Innenwände zur Schaffung einer Küche und eines Badezimmers, den Einbau von Zimmer- und Wohnungstüren sowie Estricharbeiten. Auf Anfrage des FA hat der Kläger mitgeteilt, daß die Wohnung am 30. Januar 1987 bezugsfertig geworden sei. Er habe aber bereits ab Mai/Juni 1985 die bewohnbaren Teile der Wohnung bewohnt, während er die Innenausbauarbeiten in den nicht bewohnbaren Teilen der Wohnung noch in Eigenregie ausgeführt habe. Ab Bezugsfertigkeit bewohne er die ganze Wohnung. Die Verzögerungen bei der Fertigstellung der Wohnung beruhten auf finanziellen Schwierigkeiten, die er nicht zu vertreten habe.
Das FA sah das Erfordernis des einjährigen Bewohnens durch den Kläger innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb nicht als erfüllt an und setzte durch Bescheid vom 13. April 1987 Grunderwerbsteuer in Höhe von 7210 DM sowie Zinsen in Höhe von 2088 DM gegen den Kläger fest.
Auf die nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) Bescheid und Einspruchsentscheidung des FA aufgehoben. Der Kläger habe die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 GrEStEigWoG erfüllt.
Wegen der fehlenden Bezugsfertigkeit der Wohnung habe die Frist für das einjährige Bewohnen erst 1987 begonnen. Da durch den Umbau des Klinikgebäudes erstmals neuer Wohnraum geschaffen worden sei, bestehe kein Grund, diesen Fall anders zu beurteilen, als den Erwerb nicht bezugsfertiger Einfamilienneubauten.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.3, Abs. 1 letzter Satz und des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GrEStEigWoG. Nach den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Mai 1987 II B 21/87 (BFH/NV 1987, 805) habe der Erwerb eines unbewohnbaren Objekts nicht zur Folge, daß die Fünfjahresfrist erst mit dem Abschluß der erforderlichen Umbaumaßnahmen beginne. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gebäude ehedem nicht fertiggestellt gewesen wäre.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Senat vermag der Rechtsauffassung des FG nicht zu folgen, der Grunderwerb des Klägers sei nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 GrEStEigWoG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Nach dieser Vorschrift ist grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt der Erwerb einer Eigentumswohnung, wenn sie vom Erwerber, seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie binnen fünf Jahren mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnt wird und zu mehr als 66 2/3 v.H. Wohnzwecken dient. Die Frist von fünf Jahren beginnt mit dem Erwerb oder, wenn zu diesem Zeitpunkt die Eigentumswohnung noch nicht fertiggestellt war, mit der Bezugsfertigkeit (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GrEStEigWoG).
1. Der Kläger hat eine Eigentumswohnung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 GrEStEigWoG erworben. Der Umstand, daß die vom Verkäufer abgegebene Teilungserklärung im Zeitpunkt des Erwerbs des Klägers noch nicht vollzogen war, steht dem nicht entgegen. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 23. März 1983 II R 213/81 (BFHE 138, 471, BStBl II 1983, 604, 605) entschieden, daß als ,,Erwerb einer Eigentumswohnung" in einem weiteren Sinn auch alle Erwerbsvorgänge miterfaßt sind, die noch als Vorstufe zur Bildung des Wohnungseigentums verstanden werden können, und daß es ausreicht, wenn die zukünftigen Wohnungseigentümer Miteigentum erwerben, sich jeweils einzelne abgeschlossene Wohnungen aufgrund einer Nutzungsvereinbarung zur alleinigen Zuständigkeit zuweisen und erst nach dem Erwerb Wohnungseigentum an der ihnen zugewiesenen Wohnung erhalten. Demnach muß es auch ausreichen, wenn - wie im Streitfall - bereits der Grundstücksverkäufer die Miteigentumsanteile durch Teilungserklärung mit dem Sondereigentum an bestimmten Wohnungen verbunden hat und lediglich noch der grundbuchamtliche Vollzug der Teilungserklärung aussteht.
Auch der Umstand, daß vom Kläger noch Um- und Ausbauarbeiten durchzuführen waren, um die Eigentumswohnung als solche nutzen zu können, steht dem ,,Erwerb einer Eigentumswohnung" nicht entgegen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. Juni 1980 II R 21/79 (BFHE 131,
93, BStBl II 1980, 728) entschieden, daß für die Steuervergünstigung nach demGrEStEigWoG nicht die Nutzung des erworbenen Hauses im Zeitpunkt des Erwerbs, sondern die vom Erwerber beabsichtigte Nutzung maßgebend ist. Beim Erwerb einer Eigentumswohnung werden deshalb von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 GrEStEigWoG auch die Fälle erfaßt, in denen erst der Erwerber eine Nutzungsänderung im Sinne der Befreiungsvorschrift vornimmt.
2. Der Kläger hat aber - entgegen der Auffassung des FG - die Nutzungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 GrEStEigWoG nicht erfüllt. Zur Erlangung der materiell endgültigen Steuervergünstigungen hätte der Kläger innerhalb der Fünfjahresfrist Wohnungeigentum an der ihm nach der Teilungserklärung zugewiesenen Wohnung erhalten und die zur Nutzungsänderung erforderlichen Maßnahmen ergreifen, sowie ferner die Wohnung innerhalb dieses Zeitraums vom Kläger selbst oder dem im Gesetz genannten Personenkreis mindestens ein Jahr ununterbrochen bewohnt werden müssen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
a) Soweit der Kläger geltend gemacht hat, den benutzbaren Teil der Wohnung während der Umbauarbeiten ab Mai/Juni 1985 bewohnt zu haben, können hierdurch die Nutzungsvoraussetzungen nicht erfüllt worden sein. Bewohnt wird eine Wohnung stets dann, wenn der Inhaber in ihr sein Heim hat (vgl. BFH-Urteile vom 17. Oktober 1990 II R 85/88, BFH/NV 1991, 558 und vom 11.Februar 1981 II R 131/80, BFHE 132, 490, BStBl II1981, 330). Das bedeutet, daß der Erwerber die Wohnung tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken nutzen muß, die Wohnung also weder leerstehen lassen noch an andere Personen vermieten darf. Das bedeutet aber auch, daß die wohnliche Nutzung grundsätzlich die gesamte Wohnung umfassen muß (vgl. BFH-Beschluß vom 18. März 1986 II S 2/86, BFH/NV 1987, 533). Von der Nutzung der gesamten Wohnung kann aber dann nicht gesprochen werden, wenn - wie im Streitfall - erhebliche Teile der Wohnung wegen der Durchführung der Umbaumaßnahmen nicht nutzbar sind, bzw. wenn es an wesentlichen Merkmalen für das Vorhandensein einer Wohnung (z.B. Wohnungsabschluß) fehlt.
b) Auch das Bewohnen der Wohnung durch den Kläger nach deren Bezugsfertigkeit ab Januar 1987 erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 GrEStEigWoG, weil zu diesem Zeitpunkt die Fünfjahresfrist bereits abgelaufen war. Diese begann im Streitfall, der die Nutzungsänderung eines im Zeitpunkt des Erwerbs bereits bestehenden Gebäudes betrifft, ,,mit dem Erwerb" (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 1. Altern. GrEStEigWoG), d.h. mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages vom 24. Juli 1981, und nicht - wie der Kläger meint - gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 2. Altern. GrEStEigWoG mit der Bezugsfertigkeit der Wohnung. Der Senat hat bereits wiederholt entschieden (vgl. Urteil vom 23. Januar 1991 II R 74/88, BFH/NV 1991, 483 sowie Beschluß vom 27. Mai 1987 II B 21/87, BFH/NV 1987, 805), daß der Beginn der Fünfjahresfrist durch Satz 2 des § 1 Abs. 1 GrEStEigWoG nicht schlechthin bis zur Bezugsfertigkeit hinausgeschoben wird, wenn das Gebäude zu Wohnzwecken nicht bezogen werden konnte, sondern daß dies nur dann der Fall ist, wenn das Gebäude nicht bezogen werden konnte, weil es im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht erstmals fertiggestellt war. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 GrEStEigWoG beginnt nämlich die Fünfjahresfrist entweder mit dem Erwerb oder, wenn im Zeitpunkt des Erwerbs das Gebäude noch nicht fertiggestellt war, mit der Bezugsfertigkeit. Hieraus folgt, daß nur bei neu errichteten, im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht (erstmals) fertiggestellten Gebäuden die Fünfjahresfrist mit der Bezugsfertigkeit beginnt.
Das auf anderen rechtlichen Erwägungen beruhende Urteil des FG ist deshalb aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif.
Da im Streitfall das früher einer medizinischen Fachklinik dienende Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger schon einmal - wenn auch zu anderen als Wohnzwecken - bezugsfertig erstellt war, handelt es sich nicht um die Neuerrichtung, sondern nur um den Umbau eines Gebäudes mit der Folge, daß für den Beginn der Fünfjahresfrist nicht der Termin der (neuerlichen) Bezugsfertigkeit, sondern der Zeitpunkt des Erwerbs maßgeblich ist. Die Fünfjahresfrist endete demnach schon im Juli 1986. Durch das Bewohnen der Wohnung ab Januar 1987 konnte der Kläger deshalb die Voraussetzungen der begehrten Steuervergünstigung nicht erfüllen.
Fundstellen
Haufe-Index 418515 |
BFH/NV 1993, 432 |