Leitsatz (amtlich)
Wurden im Rahmen eines Unternehmens Reisen veranstaltet - Reisebüro - und Personen befördert - Omnibusunternehmen -, so kann die Veräußerung der Omnibusse nur dann die Veräußerung oder Aufgabe eines Teilbetriebs sein, wenn die der Personenbeförderung gewidmeten Wirtschaftsgüter vor ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb zu einem mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten Betriebszweig zusammengefaßt waren; es genügt nicht, daß mit den veräußerten Wirtschaftsgütern ein Unternehmen betrieben werden kann.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3, § 34
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis 1969 in B ein Reisebüro, ein Omnibusunternehmen und ein Taxiunternehmen. Er führte das Reisebüro unter der Bezeichnung "Reisebüro K" mit dem Zusatz "Reisedienst N" und den Omnibusbetrieb unter der Bezeichnung "Reisedienst N" mit dem Zusatz "E. K". Das Reisebüro hatte folgende Aufgaben: Vermittlung von Reisen jeder Art fremder Veranstalter auf Provisionsbasis, Veranstaltung von Busreisen in eigenen und fremden Omnibussen für das Reisebüro K, Durchführung der sog. "E-Reisen" - Pauschalreisen für die Unternehmen Reisebüro K, F Ferien-Fahrten und W Reisen - sowie die Durchführung von Kaffee-Fahrten. Der Omnibusbetrieb war zuständig für die Beförderung derjenigen Personen, die an den von dem Reisebüro veranstalteten Busreisen und Pauschalreisen teilnahmen, außerdem für die Personenbeförderung auf Grund von Aufträgen der B, von ... ämtern, Jugendverbänden, Vereinen und anderen Kunden. Das Reisebüro wurde in den Geschäftsräumen B, X-Straße und in B, Y-Straße, geführt. Die Garagenräume und Abstellplätze für die Omnibusse sowie die Umkleide- und Waschräume für die Busfahrer befanden sich in B, Z-Straße. Diese Anschrift erschien nicht auf den Rechnungen des "Reisedienst N".
Der Kläger erstellte für das Reisebüro und den Omnibusbetrieb eine einheitliche Bilanz. Auch in der Gewinn- und Verlustrechnung waren die Erlös- und Aufwandskonten nicht nach Betrieb oder Betriebsteilen, sondern sachlich getrennt - so Erlöskonten: Buspauschale, Beförderungen, Gepäckgelder, sonstige Erlöse, Provisionen und Taxieinnahmen, so Aufwandskonten: Busbetrieb, u. a. Omnibusse, Reparaturen und Instandhaltungen, Steuern und Versicherung, sonstige Kosten, Unterhalt PKW, Unterhalt Taxi. Auch die Lohnkonten für die drei Angestellten und den Lehrling des Reisebüros und die acht Busfahrer wurden auf einem einheitlichen Lohnkonto, die Abschreibungen für das Reisebüro und den Busbetrieb auf einem einheitlichen Abschreibungskonto erfaßt. Ebenso wurden alle übrigen Kosten einheitlich gebucht.
Am 1. Januar 1969 besaß der Kläger sechs Omnibusse. Fünf davon verkaufte er am 2. Januar 1969 an die ... KG. Die KG übernahm auch die Finanzierungskosten und Wechselverpflichtungen für die Busse, die Büro- und Werkstattausrüstung des Busbetriebs und die meisten Fahrer. Einen weiteren Omnibus veräußerte der Kläger im Januar 1969 an einen anderen Unternehmer. Die Garagen- und Abstellplätze in B, Z-Straße, hatte der Kläger bereits zum 31. Dezember 1968 aufgegeben. Danach erbrachte er keine Beförderungsleistungen mehr. Für die von seinem Reisebüro veranstalteten Reisen und Fahrten mietete er die Busse von der KG, an der er als Gesellschafter beteiligt war.
Der Kläger hielt den bei der Veräußerung der Omnibusse erzielten Gewinn für einen Gewinn aus der Veräußerung eines Teilbetriebs und beanspruchte dafür einen ermäßigten Steuersatz. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in dem Vorgang lediglich die Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter mit einem laufenden Gewinn und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für 1969.
Die Sprungklage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Die vom Kläger unter der Bezeichnung "Reisedienst N" betriebene Personenbeförderung habe im Rahmen der gesamten gewerblichen Tätigkeit keinen selbständigen Teilbetrieb gebildet. Das Omnibusunternehmen sei zwar als betrieblicher Organismus lebensfähig gewesen, zumal die Busse überwiegend nicht für das Reisebüro des Klägers, sondern für Beförderungsleistungen anderer Auftraggeber eingesetzt gewesen seien. Der Omnibusbetrieb habe jedoch nicht die für einen Teilbetrieb i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erforderliche gewisse Selbständigkeit innerhalb des Gewerbebetriebs des Klägers gehabt. Der Busbetrieb habe nicht verwaltungsmäßig ausgegliedert werden können. Da der Kläger in seinem Reisebüro in erheblichem Umfange auch eigene Busse eingesetzt habe, seien Reisebüro und Busbetrieb so eng miteinander verwoben gewesen, daß sie nicht als selbständige Teilbetriebe angesehen werden könnten. Es sei auch rechtlich nicht möglich gewesen, im Rahmen des Gesamtunternehmens mit Hilfe eines Teiles "Omnibusbetrieb" Erträge zu erzielen, die von den Einnahmen des "Reisebüros" eindeutig gesondert werden könnten. Im vorliegenden Fall seien bei Fahrten für das eigene Reisebüro nicht einmal kalkulatorisch ermittelte Erträge für die eingesetzten Busse angesetzt worden. Die Betriebsteile seien auch buchmäßig nicht hinreichend deutlich getrennt worden, insbesondere habe es an einer strengen Trennung hinsichtlich der Kostenrechnungen beider Betriebsteile gefehlt. Demgegenüber falle die nur organisatorisch bedingte Unterbringung der Fahrzeuge mit dem zugehörigen Personal auf einem besonderen Grundstück nicht ins Gewicht, da sie im Einzelfall mehr oder weniger zufällig oder - wie im Streitfall - sachlich geboten sein könne. Auch auf die Hinweise in den Rechnungen komme es nicht an, da eine Trennung nicht in der gebotenen Schärfe durchgeführt und als Adresse die des Reisebüros angegeben worden sei.
Mit der Revision wird unrichtige Anwendung von § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie der §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3, 34 Abs. 1 und 2 EStG gerügt. Dazu wird vorgebracht:
Der Sachverhalt des finanzgerichtlichen Urteils sei unvollständig oder unklar, weil nicht erwähnt werde, daß der gesamte Kundenstamm und die geschäftlichen Beziehungen des Busbetriebs mitveräußert worden seien, außerdem daß in den Prospekten des Reisebüros die eigenen Pauschalreisen nur unter der Bezeichnung "Reisebüro K" angeboten worden seien.
Zu Unrecht habe das FG einen Teilbetrieb Omnibusunternehmen verneint. Für eine Abgrenzung müsse die Unternehmensentwicklung, bei der zunächst eine klare Trennung zwischen Beförderungsleistungen und Vermittlungstätigkeit im Reisebüro bestanden habe, berücksichtigt werden. Auch bei der Durchführung von Pauschalreisen durch das Reisebüro sei eine Trennung der Beförderungsleistungen - für die das Büro nicht auf die eigenen Busse angewiesen gewesen sei - möglich. Für die Abgrenzung sei außerdem das Vorhandensein gesonderter Kundenkreise bedeutsam; der Busbetrieb habe andere Kunden gehabt als das Reisebüro. Für Teilbetriebe sprächen auch die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche von Reisebüro und Busbetrieb mit nicht austauschbarem Personal.
Der Kläger beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Festsetzung der Einkommensteuer für 1969 auf ... DM.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der Kläger hat mit der Einstellung seines Busunternehmens und der Veräußerung der Omnibusse keinen Teilbetrieb veräußert oder aufgegeben (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
1. Das Vorbringen des Klägers, der Sachverhalt des finanzgerichtlichen Urteils sei unvollständig oder unklar, ist unbeachtlich, gleich ob darin ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung oder ein Angriff gegen die Tatsachenfeststellungen des FG zu sehen ist.
a) Eine Tatbestandsberichtigung des finanzgerichtlichen Urteils kann nicht mit der Revision erreicht werden. Dafür ist nach § 108 FGO ein besonderes Verfahren vorgesehen, das der Kläger hier nicht eingehalten hat.
b) Die Rüge einer unzureichenden Sachaufklärung ist nicht begründet. Nach § 96 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es hat im Urteil die Gründe anzugeben, die für seine richterliche Überzeugung leitend waren. An Beweisanträge oder Anregungen der Beteiligten, die der Bildung dieser richterlichen Überzeugung dienen sollen, ist das Gericht nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Dem widerspricht es nicht, wenn in der Vorentscheidung die vom Kläger erwähnten Umstände - Veräußerung eines Kundenstamms und Angabe in den Prospekten - nicht ausdrücklich erwähnt wurden. Hiervon abgesehen kommt es - wie nachfolgend unter Nr. 2 noch auszuführen ist - auf diese Umstände für die Rechtsfrage, ob ein Teilbetrieb veräußert oder aufgegeben wurde, nicht an.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Teilbetrieb i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil eines Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist (vgl. Urteil vom 4. Juli 1973 I R 154/71, BFHE 110, 245, BStBl II 1973, 838, mit weiteren Nachweisen). Dagegen liegt ein Betriebsteil vor, wenn ein Unternehmen nur organisatorisch nach örtlichen und fachlichen Gesichtspunkten aufgeteilt ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1973 IV R 168/69, BFHE 108, 233, BStBl II 1973, 361). Ob ein Unternehmen, das unterschiedliche Leistungen erbringt, einen Teil dieser Tätigkeiten im Rahmen seines Unternehmens als bloßen Geschäftszweig betreibt oder aber als Teilbetrieb ausgestaltet hat, ist Tatfrage und allein für jedes einzelne Unternehmen anhand derjenigen Merkmale zu entscheiden, die für die Annahme eines Teilbetriebs bestimmend sind. Wie im BFH-Urteil vom 20. Februar 1974 I R 127/71 (BFHE 111, 499, BStBl II 1974, 357) unter Hinweis auf frühere höchstrichterliche Entscheidungen ausgesprochen wurde, reicht es für die Annahme eines Teilbetriebs nicht aus, daß die veräußerten Wirtschaftsgüter in der Hand des Erwerbers eine ausreichende Grundlage für den Betrieb des anderen Unternehmens bilden können; maßgebend ist vielmehr die Funktion dieser Wirtschaftsgüter im Rahmen des sie veräußernden Unternehmers. Das Merkmal einer gewissen Selbständigkeit erfordert es, daß diese Wirtschaftsgüter in ihrer Zusammenfassung einer Betätigung dienten, die sich von der übrigen Tätigkeit des Unternehmens deutlich unterscheidet.
Von diesen Grundsätzen ist das FG erkennbar ausgegangen und unter deren Anwendung ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger keinen Teilbetrieb veräußert oder aufgegeben, sondern seine bisherige gewerbliche Tätigkeit lediglich eingeschränkt hat. Zutreffend hat das FG dabei für seine Entscheidung den Umständen eine besondere Bedeutung beigemessen, daß im Unternehmen des Klägers für einen erheblichen Teil der angebotenen und erbrachten Leistungen, nämlich die vom Reisebüro selbst veranstalteten Reisen und Fahrten, sowohl verwaltungsmäßig als auch rechtlich einheitliche Leistungen gegeben waren, und daß auch sonst keine buchmäßige Trennung zwischen den Geschäftstätigkeiten des Reisebüros und des Busverkehrs bestand. Diese Umstände lassen nicht die Annahme zu, daß der Kläger sich mit der Personenbeförderung in eigenen Omnibussen in einer Weise betätigte, die sich deutlich von der übrigen gewerblichen Tätigkeit, nämlich der Vermittlung fremder oder Durchführung eigener Reisen und Fahrten, unterscheidet. Unerheblich ist, ob bei der Veräußerung der Fahrzeuge auch ein Kundenstamm abgegeben wurde. Vor der Veräußerung konnte jedenfalls von unterschiedlichen Kundenstämmen insoweit keine Rede sein, als der Kläger eigene Reisen und Fahrten veranstaltete; die Kunden des Reisebüros waren dann auch die Kunden des Busbetriebs. Unerheblich ist auch, daß in den Prospekten des Reisebüros die eigenen Pauschalreisen unter der Bezeichnung "Reisebüro K" angeboten wurden, denn daraus läßt sich nichts für eine Selbständigkeit des Busbetriebs entnehmen. Nicht ins Gewicht für die Beurteilung fällt, daß in den einzelnen Geschäftszweigen kein austauschbares Personal eingesetzt war; dies ist lediglich eine Folge der unterschiedlichen Funktionen, die im Unternehmen des Klägers auszuüben waren.
Fundstellen
Haufe-Index 72871 |
BStBl II 1978, 672 |
BFHE 1979, 538 |