Entscheidungsstichwort (Thema)
(Diätverpflegung als Medikamentenersatz keine außergewöhnliche Belastung)
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, sind gemäß § 33 Abs.2 Satz 3 EStG auch dann von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen, wenn die Diätverpflegung an die Stelle einer sonst erforderlichen medikamentösen Behandlung tritt.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 3
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 10.11.1989; Aktenzeichen 7 K 5015/88) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 1986 Aufwendungen wegen der Krankheit ihrer Tochter als außergewöhnliche Belastungen geltend. Sie erklärten u.a. Reformhauskosten (z.B. Vollwertbrot) in Höhe von 601,19 DM.
Im Einspruchsverfahren machten die Kläger geltend, ihr Kind leide an Neurodermitis, einer Stoffwechselkrankheit mit Auswirkungen auf die Haut. Nach einer Bescheinigung des behandelnden Arztes stelle die Verordnung von speziellen Nährmitteln zur Erreichung entsprechender Stoffwechseländerungen eine Alternative zur schädlichen Kortisonbehandlung dar.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA führte in der Einspruchsentscheidung im wesentlichen aus, die Kosten der Nährmittel seien als Kosten für Diätverpflegung gemäß § 33 Abs.2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Um einen Medikamentenersatz handele es sich hier nicht. Aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit sei es auch nicht gerechtfertigt, im Streitfall Aufwendungen für bestimmte Brotsorten zum Abzug zuzulassen.
Auch die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) entschied unter Berufung auf Art.3 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) ohne mündliche Verhandlung. Zur Begründung seines Urteils berief es sich gemäß § 105 Abs.5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zunächst auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend führte es im wesentlichen aus:
Zu Unrecht machten die Kläger geltend, daß in den Vorjahren entsprechende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden seien. Insoweit sei auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung zu verweisen; Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise Bindung aufgrund einer verbindlichen Zusage oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben lägen nicht vor.
Nicht zu beanstanden sei auch die Ablehnung hinsichtlich der Aufwendungen für spezielle Nährmittel in Höhe von 601,19 DM. Dies gelte unabhängig davon, ob die hochwertigen Nahrungsmittel ärztlich verordnete Medikamente bzw. Medikamentenersatz darstellten. Denn eine Berücksichtigung sei in jedem Fall durch § 33 Abs.2 Satz 3 EStG ausgeschlossen. Das Abzugsverbot gelte auch, wenn die Diät im Zusammenhang mit einer Krankheit stehe und ihre Notwendigkeit durch ärztliche Verordnung nachgewiesen werde.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 33 Abs.1 EStG. Sie meinen, das FG habe zu Unrecht den Betrag von 601,19 DM für Diätverpflegung nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
Entgegen der Auffassung des FG komme es sehr wohl darauf an, ob die betreffenden Nahrungsmittel aufgrund ärztlicher Verordnung und lediglich zur Unterstützung einer medikamentösen Behandlung eingenommen würden oder selbst unmittelbar als Therapeutikum mit heilender Wirkung, also als Medikament, eingesetzt würden. Im letzteren Falle sei nämlich eine Subsumtion unter den Begriff der Diätverpflegung i.S. des § 33 Abs.2 Satz 3 EStG rechtsfehlerhaft, weil nicht die Verpflegung des Steuerpflichtigen bzw. seiner Angehörigen im Vordergrund stehe, sondern die Therapie. Dies ergebe sich daraus, daß eine anders geartete Therapiemöglichkeit ohne die Gefahr, daß der Patient schwerwiegende und nachhaltige Schädigungen davontrage, nicht gegeben sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 33 Abs.1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs.2 Satz 1 EStG).
Krankheitskosten erwachsen einem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie gehören aber nur dann zu den nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen, wenn sie zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für Arzneimittel werden deshalb grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung anerkannt, wenn ihre durch die Krankheit bedingte Zwangsläufigkeit oder Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen ist (Senatsurteil vom 6.April 1990 III R 60/88, BFHE 161, 432, BStBl II 1990, 958 m.w.N.). Kosten, die durch eine Diätverpflegung entstehen, können allerdings nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift des § 33 Abs.2 Satz 3 EStG nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Der Senat hat deshalb im Urteil in BFHE 161, 432, BStBl II 1990, 958 bereits entschieden, daß dieses gesetzliche Abzugsverbot auch für solche Diätlebensmittel gilt, die zur Unterstützung einer Heilbehandlung erworben werden. Er hat insoweit zustimmend auf das Urteil des FG Köln vom 28.März 1984 VIII 284/82 E (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1984, 552) hingewiesen. Das Urteil des FG Köln betrifft einen Fall, in dem die den Flüssigkeitsbedarf betreffende Ernährung des Steuerpflichtigen auf Obst-, Gemüse- und Vitaminsäfte umgestellt worden war, um die sonstige ärztliche Aufbaubehandlung zu unterstützen. Das FG hatte hier die Argumentation der Kläger, daß die streitigen Getränke "quasi Medikamentenfunktion" für den Kläger gehabt hätten, gerade nicht übernommen, sondern ausführlich begründet, daß sich aufgrund der ärztlichen Atteste nicht feststellen lasse, daß die Umstellung auf besondere biologische Getränke den Charakter der Einnahme verordneter Medikamente habe. Hieraus könnte man schließen, daß in Fällen, in denen eine Diätverpflegung --wie hier-- an die Stelle einer medikamentösen Behandlung tritt, eine Wertung der Diätaufwendungen als außergewöhnliche Belastung unbeschadet der Vorschrift des § 33 Abs.2 Satz 3 EStG möglich sei.
Eine solche Annahme scheitert jedoch an dem in § 33 Abs.2 Satz 3 EStG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, Aufwendungen für Diätverpflegung ab Inkrafttreten dieser Vorschrift ausnahmslos von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung auszuschließen.
Wie das FG bereits zutreffend ausgeführt hat, ist der Wille des Gesetzgebers nach umfassendem Ausschluß der Diätverpflegungsaufwendungen im Gesetzgebungsverfahren dadurch zum Ausdruck gekommen, daß der Bundesrat die im Regierungsentwurf vorgesehene Ausnahmebehandlung für Diätverpflegung bei Zuckerkrankheit und Multipler Sklerose gestrichen und der Finanzausschuß des Bundestages und später der Bundestag selbst diese Streichung übernommen haben (BTDrucks 7/1470, S.281; 7/1722, S.11; 7/2180, S.20). Zuckerkrankheit und Multiple Sklerose sind Erkrankungen, die in ihrer Schwere einer Neurodermitis vergleichbar sein dürften. Sowohl Zuckerkranke als auch an Multipler Sklerose leidende Menschen sind zur Linderung ihres Leidens auf Diätverpflegung angewiesen. Es kann deshalb keinem Zweifel unterliegen, daß die Aufwendungen für Diätverpflegung in diesen Fällen --wie andere Krankheitskosten auch-- aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Gleichwohl ist ihre steuerliche Berücksichtigung aufgrund einer ausdrücklichen Ausnahmevorschrift ausgeschlossen. Sind Diätaufwendungen aber auch in Fällen, in denen sie wie andere Krankheitskosten zwangsläufig entstehen, vom Abzug ausgeschlossen, so muß dies auch dann gelten, wenn sie nicht nur neben, sondern an Stelle von Medikamenten zur Linderung der Krankheit benötigt werden. Denn für die steuerliche Behandlung dieser Verpflegungskosten kann es keinen Unterschied machen, ob zusätzlich noch Aufwendungen für Medikamente anfallen oder nicht.
Aus dem vorerwähnten Grunde hält der Senat die Nichtberücksichtigung von Diätaufwendungen in Fällen, in denen die Diätverpflegung an die Stelle einer medikamentösen Behandlung tritt, --so mißlich dies im Einzelfall für den Steuerpflichtigen sein mag-- auch nicht für verfassungswidrig (Art.3 des Grundgesetzes). Gegen den generellen Ausschluß der Berücksichtigung von Diätkosten auch in diesen Fällen bestehen im übrigen auch deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Diätverpflegung nicht nur an die Stelle einer medikamentösen Behandlung tritt, sondern auch an die Stelle üblicher Nahrungsmittel. Auf deren Verzehr und Beschaffung sind aber alle Steuerpflichtigen angewiesen; die entsprechenden Aufwendungen sind deshalb nicht als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs.1 Satz 1 EStG anzusehen.
Fundstellen
Haufe-Index 64011 |
BFH/NV 1992, 10 |
BStBl II 1992, 110 |
BFHE 165, 531 |
BFHE 1992, 531 |
BB 1992, 128 (L) |
DStR 1992, 140 (KT) |
DStZ 1992, 122 (KT) |
HFR 1992, 125 (LT) |
StE 1992, 3 (K) |