Leitsatz (amtlich)
Auch nach der Neuregelung der Besteuerung von Eheleuten durch das Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 848) kommt bei Ehegatten, die beide Arbeitnehmer sind, ein Lohnsteuerfreibetrag wegen erhöhter Sonderausgaben nur in Betracht, wenn ihre nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Sonderausgaben höher sind als die Summe ihrer Sonderausgaben-Pauschbeträge von 1.248 DM (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 16/55 U vom 12. Dezember 1956, Slg. Bd. 64 S. 200, BStBl 1957 III S. 77).
Normenkette
LStDV § 22
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist Buchhalterin, ihr Ehemann ist ebenfalls Arbeitnehmer. Die Eheleute werden nicht zur Einkommensteuer veranlagt. Die Bfin. hat für 1955 die Eintragung eines Freibetrags auf ihrer Lohnsteuerkarte beantragt, und zwar wegen Sonderausgaben in Höhe von 2.270,56 DM. Von diesem Betrag hingen 601,56 DM mit ihrem Arbeitsverhältnis zusammen. Die restlichen 1.669 DM entfielen auf Prämien für verschiedene freiwillige Versicherungen und auf Aufwendungen für einen Kapitalansammlungsvertrag. Das Finanzamt hat die geltend gemachten Sonderausgaben zwar in vollem Umfange anerkannt, einen Freibetrag aber nur in Höhe des Betrags zugestanden, um den die geltend gemachten Aufwendungen die der Bfin. und ihrem Ehemann zustehenden Sonderausgaben-Pauschbeträge von zusammen 1.248 DM überstiegen. Statt des beantragten Freibetrags von 1.646 DM wurde daher nur einer von 1.023 DM auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Einspruch und Berufung hiergegen hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht führt aus: In der Lohnsteuertabelle seien Sonderausgaben bereits mit jährlich 624 DM berücksichtigt. Ein Freibetrag könne daher für einen Arbeitnehmer auf der Lohnsteuerkarte erst eingetragen werden, wenn seine Sonderausgaben diesen Betrag überstiegen. Wenn beide Ehegatten Arbeitnehmer seien, erhielten sie infolge des Aufbaus der Lohnsteuertabelle zwangsläufig zweimal den Pauschbetrag von 624 DM. Nach Abschnitt 50 Abs. 5 der Lohnsteuer-Richtlinien 1955 seien die Sonderausgaben von Eheleuten zusammenzufassen, da für ihre beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben ein gemeinsamer Höchstbetrag gelte. Ausgenommen seien hiervon die unmittelbar mit dem Arbeitsverhältnis der Ehefrau zusammenhängenden Sonderausgaben. Diese müßten bis zu den im § 20a Abs. 4 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) 1955 genannten Höchstbeträgen, jedoch ohne die nach dem Familienstand eintretenden Erhöhungen, auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau eingetragen werden, soweit sie 624 DM im Kalenderjahr überstiegen. Die übrigen berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben der Ehefrau seien nach Kürzung um 624 DM auf der Lohnsteuerkarte des Ehemanns einzutragen. Werde statt dessen die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau oder eine Verteilung auf die Lohnsteuerkarten beider Ehegatten beantragt, so sei der bei dem Ehemann nicht berücksichtigte Betrag zuzüglich der mit dem Arbeitsverhältnis der Ehefrau zusammenhängenden Sonderausgaben insoweit auf der Lohnsteuerkarte der Frau als steuerfrei zu vermerken, als diese Aufwendungen 624 DM überstiegen. Es sei nicht richtig, daß diese Regelung, die bereits für 1954 gegolten habe, rechtsungültig sei. Sie stimme überein mit § 22 LStDV, dessen Rechtsgültigkeit nicht zu bezweifeln sei. Da der Ehemann der Bfin. überhaupt keine Sonderausgaben geltend mache, komme für die Bfin. nur ein Freibetrag in Betracht für die Aufwendungen, die das Pauschale für die Bfin. und ihren Ehemann, also 1.248 DM, überstiegen.
Die Bfin. weist in ihrer Rechtsbeschwerde (Rb.) darauf hin, daß der Gesetzgeber die Arbeitseinkünfte einer mitverdienenden Ehefrau aus einem dem Ehemann fremden Betrieb besonders begünstigt habe. Zu dieser günstigen steuerlichen Behandlung gehöre auch die Gewährung des Sonderausgaben-Pauschbetrags für die Ehefrau. Falls beide Ehegatten mit ihren Arbeitseinkünften, und zwar jeder für sich, veranlagt würden, müßten bei jeder dieser Veranlagungen jeweils die von dem betreffenden Ehegatten als Sonderausgaben geltend gemachten Aufwendungen berücksichtigt werden. Das gelte auch für die Lohnsteuer.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rb. ist nicht begründet.
Im Urteil VI 16/55 U vom 12. Dezember 1956 (Slg. Bd. 64 S. 200, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 77) wurde entschieden, daß bei Eheleuten, die beide Arbeitnehmer sind, ein Freibetrag wegen erhöhter Sonderausgaben auf den Lohnsteuerkarten nur in Betracht kommt, wenn die nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Sonderausgaben beider Eheleute höher sind als die Summe ihrer Pauschbeträge von je 624 DM, die durch die Lohnsteuertabelle bereits mit insgesamt 1.248 DM berücksichtigt sind. Hinsichtlich des überschießenden Betrags wurde den Eheleuten ein uneingeschränktes Wahlrecht zugestanden, wie sie diesen für einen Freibetrag in Betracht kommenden Teil ihrer Sonderausgaben auf ihren Lohnsteuerkarten verteilen wollen. Dieser Rechtsstreit betraf das Jahr 1954. Die für 1955 geltende Fassung der LStDV stimmt inhaltlich mit der für 1954 geltenden Regelung überein. Die Vorentscheidung, die das Jahr 1955 betrifft, entspricht im wesentlichen den Grundsätzen des angeführten Urteils. Da dieses verkündet wurde, bevor das Bundesverfassungsgericht § 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1951 für rechtsungültig erklärt hat, bedarf es jedoch einer Prüfung, ob die rechtliche Beurteilung in dem angeführten Urteil auch jetzt noch aufrechtzuerhalten ist.
Da das Lohnsteuerverfahren eine Zusammenveranlagung im Sinne des § 26 EStG nicht kennt, hat der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts für die Lohnsteuer keine unmittelbare Bedeutung. Das auf Grund dieses Beschlusses erforderlich gewordene Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848) regelt die Streitfrage nicht. Es enthält auch keine Bestimmungen, die eine änderung der in dem angeführten Urteil dargelegten Rechtsauffassung rechtfertigen würde. Die nunmehr grundsätzlich vorgeschriebene getrennte Veranlagung von Eheleuten ist im Ergebnis der Besteuerung vergleichbar, die bisher bereits bei der Lohnsteuer von Eheleuten galt, die beide als Arbeitnehmer tätig sind. Hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs bestimmt der durch das Gesetz vom 26. Juli 1957 geschaffene neue § 26a Abs. 2 EStG, daß bei getrennter Veranlagung von Eheleuten der für sie nach § 10 Abs. 3 Ziff. 3 EStG 1955 maßgebende Höchstbetrag für die beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben verbindlich bleibt. Er ordnet außerdem an, daß die für die Eheleute insgesamt abzugsfähigen Sonderausgaben grundsätzlich bei der Veranlagung jedes Ehegatten je zur Hälfte abgezogen werden sollen, daß die Eheleute aber eine andere Verteilung wählen können. Diese Regelung stimmt überein mit dem Ergebnis, zu dem das Urteil VI 16/55 U für die Lohnsteuer gelangt ist. Unter diesen Umständen besteht keine Veranlassung, von den Grundsätzen dieses Urteils abzugehen, zumal durch die neue gesetzliche Regelung eine gleiche Behandlung der veranlagten Steuerpflichtigen und der Lohnempfänger gewährleistet wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 9/56 S vom 24. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 77).
Fundstellen
Haufe-Index 409032 |
BStBl III 1958, 196 |
BFHE 1958, 510 |
BFHE 66, 510 |