Leitsatz (amtlich)
Unterhaltszahlungen, die die geschiedene Ehefrau von ihrem geschiedenen Ehemann auf Grund eines Vertrages im Zusammenhang mit der aus beiderseitigem Verschulden zur Zeit der Gültigkeit der §§ 1574, 1578 BGB ausgesprochenen Ehescheidung (hier im Frühjahr 1938) erhält, sind vertragliche Renten, die nicht auf gesetzlicher Unterhaltspflicht beruhen.
§ 60 EheG 1946 ist auf eine vor dem 1. August 1938 rechtskräftig geschiedene Ehe bewertungsrechtlich nicht anwendbar, so daß jede Verbindung zu einer gesetzlichen Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehemannes fehlt.
Normenkette
VStG § 4; BewG § 67 Abs. 1/4, § 110 Abs. 1/4, § 68 Abs. 5/a, § 111 Abs. 7/a; BGB §§ 1574, 1578; EheG §§ 68, 96, 60
Streitjahr(e)
1960
Tatbestand
Streitig ist die Heranziehung eines Rentenstammrechts zur Vermögensteuer 1960 für laufende Zahlungen, die die Revisionsbeklagte von ihrem geschiedenen Ehemann auf Grund eines Vertrages im Zusammenhang mit der aus beiderseitigem Verschulden ausgesprochenen Ehescheidung erhält.
Der geschiedene Ehemann hatte bei seiner Vermögensteuerveranlagung den Kapitalwert der Unterhaltsrente als Schuld abgezogen.
Für die Vermögensermittlung auf den 1. Januar 1947 war die Revisionsbeklagte durch Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) von der Vermögensteuer mit der Begründung freigestellt worden, sie habe seit dem Inkrafttreten des Ehegesetzes (EheG) vom 20. Februar 1946 einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch (Unterhaltsbeitrag im Sinne des § 60 EheG 1946), der nach § 68 Nr. 5 a BewG a. F. nicht zum steuerpflichtigen Vermögen gehöre. Dabei verblieb es für die nächsten Jahre. Auf Grund eines Schriftwechsels mit dem für die Besteuerung des geschiedenen Ehemannes zuständigen Finanzamt (FA) und dann auf Anweisung des Landesfinanzamts (LFA) veranlagte der Revisionskläger (FA) die Revisionsbeklagte mit dem aus dem Vertrag abgeleiteten Rentenstammrecht zur Vermögensabgabe und zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1960.
Den Vermögensabgabebescheid hob das VG als nicht zulässig und auch unter Bezugnahme auf seine frühere Entscheidung ersatzlos auf. Rb. wurde gegen dieses Urteil nicht eingelegt.
In dem Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1960, der Gegenstand der Revision ist, wurde unter anderem das Rentenstammrecht mit dem 11fachen der Jahreszahlungen angesetzt. Die Revisionsbeklagte machte demgegenüber geltend, die Heranziehung des Rentenstammrechts widerspreche den beiden Urteilen des VG und der eigenen früheren Stellungnahme des FA. Bei der Berechnung dürfe allenfalls der Vervielfältiger 10 nach dem Lebensalter des geschiedenen Ehemannes angewendet werden. Außerdem seien Steuerschulden nicht berücksichtigt.
Durch die Einspruchsentscheidung wurde die Vermögensteuer herabgesetzt; antragsgemäß wurden die Jahreszahlungen nur mit 10 vervielfältigt und die geltend gemachten Steuerschulden abgesetzt. Der Einspruch wegen der Heranziehung des Rentenstammrechts zur Vermögensteuer blieb ohne Erfolg: Es handle sich bei der Rente um keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Nach dem zur Zeit der Scheidung gültigen § 1578 BGB habe bei beiderseitigem Verschulden kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch eines Ehegatten bestanden. Die andersartige Regelung in § 68 EheG vom 6. Juli 1938 gelte gemäß § 96 Satz 2 EheG 1938 nicht für Ehen, die vor dem 1. August 1938 (siehe § 129 EheG 1938) aus beiderseitigem Verschulden geschieden worden seien. § 60 EheG 1946 entspreche dem § 68 des inzwischen aufgehobenen EheG 1938. Es habe daher nicht erneut einer entsprechenden Vorschrift des § 96 Satz 2 EheG 1938 bedurft. Keinesfalls habe sich das EheG 1946 rückwirkende Kraft beigelegt. Außerdem könne für vor dem 1. August 1938 geschiedene Ehen nicht nachträglich die damals im BGB gar nicht vorgesehene Feststellung, daß keiner der Ehegatten die überwiegende Schuld an der Scheidung trage, getroffen werden. Rechtsgrundlage für die Unterhaltszahlung an die Revisionsbeklagte sei allein der Vertrag vom Februar 1938, so daß § 68 Nr. 5 a BewG a. F. nicht zum Zuge komme. Aus der früheren steuerlichen Behandlung könne die Revisionsbeklagte auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben keine Einwände herleiten. Das FA habe keine Zusagen gemacht, es werde für spätere Veranlagungen bei der bisherigen Sachbehandlung verbleiben. Das gleiche gelte für die Entscheidung des VG.
Der Kapitalwert sei nach dem Lebensalter des geschiedenen Ehemannes, mit dessen Tode die Rente erlösche, nach dem Vervielfältiger 10 zu berechnen.
Die Berufung, mit der die Revisionsbeklagte Anwendung des § 60 EheG 1946 und damit Freistellung des kapitalisierten Anspruchs von der Vermögensteuer begehrte, hatte Erfolg. Das VG führte aus, die Rente beruhe auf der gesetzlichen Unterhaltspflicht des früheren Ehemannes und gehöre deshalb nach § 68 Nr. 5 a BewG a. F. nicht zum "sonstigen Vermögen". Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts seien maßgebend. Die Lücke im EheG 1946 infolge Fehlens der früheren Übergangsregelung sei durch Auslegung zu schließen. Es gebe kaum eine andere Möglichkeit, als die Unterhaltsregelung des EheG 1946 unterschiedslos auf alle geschiedenen Eheleute anzuwenden. Zum Gesetzeswortlaut sei auch das Schweigen zu § 96 EheG 1938 zu rechnen, etwas, das der Gesetzgeber sicherlich nicht übersehen habe. Das Eingreifen in bisher abschließend geregelte Rechtsverhältnisse könne bei den wenigen in Frage kommenden Fällen in Kauf genommen werden. So stelle der Anspruch der Revisionsbeklagten, die seit Jahren erwerbsunfähig sei, an den geschiedenen Ehemann einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch dar; dem stehe die Begründung des Anspruchs durch Vertrag nicht entgegen (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - VI 273/56 U vom 20. Februar 1959, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 68 S. 449 - BFH 68, 449 -; BStBl III 1959, 172).
Das VG nahm ohne das Rentenstammrecht eine Vermögensberechnung vor.
Mit der Rb. machte der Revisionskläger (FA) einen Rechtsverstoß geltend: § 60 EheG 1946 gelte nicht für Ehen, die vor dem 1. August 1938 geschieden worden seien. Durch die Nichtübernahme einer dem § 96 Satz 2 EheG 1938 entsprechenden Vorschrift im EheG 1946 habe keine Erweiterung des unterhaltsberechtigten Personenkreises herbeigeführt werden sollen. Aus dem Fehlen einer solchen Bestimmung könne nicht auf die rückwirkende Gültigkeit des § 60 EheG 1946 für alle geschiedenen Ehen geschlossen werden.
Die im Jahre 1964 eingelegte Rb. ist gemäß der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO vom 6. Oktober 1965 (BGBl I 1965, 1477) als Revision zu behandeln. Ihre Zulässigkeit richtet sich nach § 286 AO a. F. (ß 184 Abs. 2 in Verbindung mit § 115 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet.
Die Revisionsbeklagte ist unbeschränkt steuerpflichtig. Nach § 4 VStG ist bei der Veranlagung zur Vermögensteuer das Gesamtvermögen des unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Wert anzusetzen, der sich nach den §§ 73 bis 77 BewG a. F. unter vorgesehener Berücksichtigung der Lastenausgleichsabgaben ergibt. Die Auffassung der Vorinstanz, der Kapitalwert der Ansprüche der Revisionsbeklagten gegen ihren früheren Ehemann sei nicht Teil des Gesamtvermögens, weil die Ansprüche auf der gesetzlichen Unterhaltspflicht beruhten und daher nach § 68 Nr. 5 a BewG a. F. abweichend von § 67 Abs. 1 Nr. 4 BewG a. F. nicht zum sonstigen Vermögen gehörten, ist nicht zutreffend.
Zum Zeitpunkt der Ehescheidung aus beiderseitigem Verschulden im März 1938 hatte nach den damals gültigen §§ 1574, 1578 BGB die Revisionsbeklagte keinen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt. Das BGB gewährte nur dem unschuldigen Ehegatten Anspruch auf Unterhalt gegenüber dem schuldigen Ehegatten. Die Unterhaltspflicht traf nur den Ehemann, der allein für schuldig erklärt worden ist; dessen Alleinschuld mußte aus den Urteilsgründen ersichtlich sein, wenn schon der Urteilstenor (Urteilssatz) des Scheidungsurteils keine Entscheidung der Schuldfrage enthielt (Urteil des Reichsgerichts - RG - IV 13/20 vom 12. Mai 1920, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 99 S. 80 ff. - RGZ 99, 80 ff. -). Waren beide Ehegatten für schuldig erklärt worden (ß 1574 Abs. 2 BGB), so war keiner dem anderen gegenüber unterhaltsberechtigt (Staudinger, Kommentar zum BGB, 1926, IV. Bd., 1. Teil, § 1578 Anm. 2). Da kurz zuvor die schriftliche Vereinbarung über die Unterhaltszahlungen und das notarielle Protokoll vom Februar 1938 erfolgt sind, gelten die vorangegangenen Ausführungen gleichermaßen für Vereinbarung und Scheidungsurteil.
Die Eheleute erklärten dem Notar, die Vereinbarung bezwecke nicht, die Scheidung zu ermöglichen oder wesentlich zu erleichtern. Diese Erklärung spricht in Verbindung mit der Vereinbarung für eine selbständige vertragliche Regelung. Nach der damaligen Rechtslage entsprach die Vereinbarung nicht den Rechtsfolgen des späteren Scheidungsurteils. Aber auch bei Bejahung eines inneren Zusammenhanges mit dem nachfolgenden Scheidungsurteil kann kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch in Frage stehen, da das BGB bei Scheidung aus gegenseitigem Verschulden keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch kannte.
Das EheG 1938 führte als Neuerung die Schuldstufen des überwiegenden und des minderen Verschuldens ein. § 68 EheG 1938 enthält insoweit eine Neuerung und kam zur Anwendung, wenn beide Ehegatten schuldig an der Scheidung sind, aber keiner die überwiegende Schuld hatte. Die Nichtanwendung dieser Vorschrift auf die vor dem Inkrafttreten des EheG 1938 geschiedenen Ehen ergibt sich unmittelbar aus § 96 Satz 2 EheG 1938. Waren beide Ehegatten im rechtskräftigen Scheidungsurteil vor dem 1. August 1938 für schuldig erklärt worden, so verblieb es bei der bisherigen Regelung, da bei beiderseitigem Verschulden nach dem BGB keine gegenseitigen Unterhaltsansprüche bestanden, und daher auch eine geldliche Beziehung auf gesetzlicher Grundlage zwischen den früheren Ehegatten bereits bei Inkrafttreten des EheG 1938 weggefallen war (Rilk, Das neue Eherecht, Kommentar 1938 § 96 Anm. II). Infolgedessen war während der Gültigkeit des EheG 1938 der Anspruch der Revisionsbeklagten unzweifelhaft rein vertraglicher Natur. Dieser Charakter des Unterhaltsanspruchs hat sich für das EheG 1946 nicht geändert. Durch § 79 EheG 1946 wurde das EheG 1938 aufgehoben. § 60 EheG 1946 entspricht wörtlich dem § 68 EheG 1938, während das EheG 1946 eine dem § 96 EheG 1938 entsprechende Vorschrift nicht enthält.
In Rechtsprechung und Literatur gehen die Auffassungen auseinander, ob § 60 EheG 1946 auf Ehen, die unter der Herrschaft des BGB geschieden sind, Anwendung findet. Palandt, BGB, 24. Auflage, Vorbemerkung vor § 54 EheG, Anm. 2, läßt die Folgen einer Scheidung, auch wenn die Ehe vor dem 1. März 1946 rechtskräftig geschieden worden ist, nach dem EheG 1946 sich richten, und zwar ohne eigene Begründung lediglich unter Hinweis auf Landgericht (LG) Duisburg, Beschluß vom 30. Oktober 1952, Justiz-Ministerial-Blatt Nordrhein-Westfalen 1953 S. 32 (JMBl NRW 1953, 32); ähnlich Achilles-Greiff, BGB, 21. Auflage zu § 60 EheG, ebenfalls unter Hinweis auf JMBl NRW 1953, 32: Anwendung auf nach dem BGB geschiedene Ehen "wohl" zu bejahen. Der beide Male angezogene Beschluß 4 T 177/52 besagt, "ß 60 EheG 1946 findet auch auf die nach dem BGB geschiedenen Ehen Anwendung". Dort hatte die Klägerin, nachdem die Ehe der Parteien im Jahre 1935 aus gegenseitigem Verschulden geschieden war, Klage auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrags erhoben und um das Armenrecht nachgesucht. Das LG ging davon aus, daß EheG 1946 habe durch die Nichtübernahme des § 96 EheG 1938 die Unterhaltspflicht für alle aus beiderseitigem gleichen Verschulden geschiedenen Ehen festgelegt. Die generelle Aufhebung des EheG 1938 lasse den Schluß zu, daß der Gesetzgeber von 1946 die bisherige Schlechterstellung der unter dem BGB geschiedenen Ehegatten in der Unterhaltsbeitragsleistung habe beseitigen wollen.
Diesen Standpunkt vertritt auch das VG Berlin in der streitigen Vorentscheidung und in dem obengenannten Urteil betreffend Vermögensteuerveranlagung 1946.
Dieser Rechtsauffassung stehen die Entscheidungen des LG Bochum 7 T 537/52 vom 25. Juni 1952 (Neue Juristische Wochenschrift 1952 S. 1260 - NJW 1952, 1260 -), des Amtsgerichts (AG) Miesbach 1 C 1433/49 vom 3. Juli 1950 (NJW 1951, 202), des LG Lübeck 1 T 690/50 vom 5. Juni 1960 (Monatsschrift für Deutsches Recht 1950 S. 612 - MDR 1950, 612 -) und des FG Freiburg I 534/54 vom 25. August 1955 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1955 S. 361 - EFG 1955, 361 -) gegenüber. Danach ist auf Ehen, die vor dem 1. August 1938, also unter der Herrschaft des BGB, rechtskräftig aus beiderseitigem Verschulden geschieden worden sind, § 60 EheG 1946 nicht anwendbar. Den gleichen Standpunkt vertreten u. a. Rosenthal-Bohnenberg, BGB, 15. Auflage, EheG § 60 Anm. 1; Soergel-Siebert, BGB, IV. Bd., Familienrecht, Stand Frühjahr 1963, EheG § 60 Anm. 1; Hoffmann-Stephan, EheG, Kommentar, § 60 Anm. 8.
Der erkennende Senat schließt sich den zuletzt genannten Auffassungen an. Die Voraussetzung für die Zubilligung eines Unterhaltsanspruchs, nämlich, daß keiner der beiden schuldigen Ehegatten die überwiegende Schuld trägt, konnte im Scheidungsurteil nach BGB gar nicht getroffen werden und kann für das damalige Urteil auch nicht mehr nachgeholt werden. Ist nämlich nach § 52 Abs. II Satz 1 EheG 1946 ein Schuldausspruch erfolgt, aber weder in der Formel noch in den Gründen des Urteils die Erklärung enthalten, daß die Schuld einer Partei überwiegt, so sind die Voraussetzungen für eine Ergänzung des Urteils nach § 321 der Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht gegeben. Die Anfechtung eines solchen Urteils kann nur durch das zulässige Rechtsmittel erfolgen (vgl. Hoffmann-Stephan a. a. O. § 52 Anm. 2). Für die Finanzverwaltung jedenfalls ist das rechtskräftige Scheidungsurteil maßgeblich. Die Ehegatten gingen damals von dem Fehlen jeder gegenseitigen Unterhaltspflicht aus. Eine grundsätzlich nachträgliche Anwendung des § 60 EheG 1946 wäre ein unbilliger Eingriff in die Rechte des anderen Ehegatten. Nach dem BGB (ßß 1578 bis 1583) war nur der allein für schuldig erklärte Ehegatte unterhaltspflichtig, so daß ein Ehegatte die Mitschuld hinnehmen konnte, wenn er selbst auf Unterhalt keinen Wert legte.
Die Anwendung des § 60 EheG 1946 würde eine erneute Prüfung der Schuldfrage erforderlich machen. Dem widersprechen Gründe der Rechtssicherheit und der Billigkeit. Für einen solchen Eingriff besteht nach dem Wortlaut des EheG 1946 auch gar keine Veranlassung. Nachdem schon das EheG 1938 jede Rückwirkung verbot, wenn beide Ehegatten für schuldig erklärt worden waren, hätte eine noch weitergehende Rückwirkung durch das EheG 1946 auf das vorvorige Eherecht ganz besonders einer zusätzlichen Vorschrift bedurft. Es spricht nichts für die Auffassung, der Kontrollrat habe die bisherige Schlechterstellung der unter dem BGB geschiedenen Ehegatten in der Unterhaltsbeitragsleistung beseitigen wollen (so LG Duisburg a. a. O.). Dabei wird übersehen, daß die sogenannte Beseitigung der bisherigen Schlechterstellung eine durch keinen Rechtspruch begründete künftige Schlechterstellung des anderen Ehegatten bedeutet. Das aber wäre ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip. Viel einleuchtender scheint es aber, daß der Kontrollrat das "Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet" (EheG 1938) als nationalsozialistisches Gesetz mit seinen rassen- und bevölkerungspolitischen Erwägungen beseitigen wollte. Eine Begründung zu dem EheG 1946 ist nicht erschienen (Hinweis auf Hoffmann-Stephan a. a. O. Einleitung 2, 3).
Unterhaltszahlungen, die die geschiedene Ehefrau von ihrem geschiedenen Ehemann auf Grund eines Vertrages im Zusammenhang mit der aus beiderseitigem Verschulden zur Zeit der Gültigkeit der §§ 1574, 1578 BGB ausgesprochenen Ehescheidung (hier im Frühjahr 1938) erhält, sind vertragliche Renten, die nicht auf gesetzlicher Unterhaltspflicht beruhen. § 60 EheG 1946 ist auf eine vor dem 1. August 1938 rechtskräftig geschiedene Ehe bewertungsrechtlich nicht anwendbar.
Da § 60 EheG 1946 die Ehe und die Scheidung der Revisionsbeklagten nicht erfaßt, fehlt für die in Frage stehenden Unterhaltszahlungen jede Verbindung zu einer gesetzlichen Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehemannes. Ihr Kapitalwert gehört nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 BewG a. F. zum sonstigen Vermögen.
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob nicht auch bei gegenteiliger Rechtsauffassung über die Anwendbarkeit des § 60 EheG 1946 auf die im März 1938 geschiedene Ehe das Begehren der Revisionsbeklagten deshalb unberechtigt wäre, weil hier der Unterhaltsbeitrag durch den Vertrag festgelegt wurde, der damals nicht mit dem Gesetz (ßß 1578 bis 1583 BGB) übereinstimmte. Dann aber greifen die Ausführungen der BFH-Urteile IV 42/51 U vom 10. Juni 1952 (BFH 56, 657, BStBl III 1952, 253) und VI 273/56 U vom 20. Februar 1959 a. a. O. nicht Platz, wonach es keine Rolle spielt ob die Unterhaltsbeiträge durch Vergleich oder Urteil festgesetzt seien. Die dortige Begründung unter Bezugnahme auf § 80 EheG 1938 bzw. § 72 EheG 1946 paßt einmal deswegen nicht, weil die Rechtsprechung des Reichsgerichts unter der Herrschaft des BGB-Scheidungsrechts bis zur Neueinführung des § 80 EheG 1938 unter Umständen die Nichtigkeit solcher Vereinbarungen annahm, und des weiteren nicht, weil unter Beachtung des § 1578 BGB bei beiderseitigem Verschulden ein gerichtliches Urteil über den Unterhalt in gleicher Weise wie der Vergleich gar nicht ergehen konnte. Im Gegensatz zu den oben genannten BFH-Entscheidungen ersetzte hier der Vergleich nicht ein vorweggenommenes Unterhaltsurteil. Die Revisionsbeklagte und ihr Ehemann gingen nicht davon aus, daß ein dem Vergleich entsprechendes Urteil zu erwarten war und der Vergleich an die Stelle eines etwa gleichlautenden Urteils über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch treten sollte. Ebensowenig wie eine Nachprüfung der Schuldfrage im Unterhaltsprozeß stattfindet, steht sie der Finanzverwaltung oder den Steuergerichten zu. Der Schuldanspruch im Scheidungsurteil ist für die steuerliche Beurteilung auch bei Konventionalscheidungen maßgebend (BFH-Urteil VI 130/60 vom 7. Oktober 1960, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 S. 100).
Es erfolgt Zurückverweisung an das FG zur Festsetzung der Vermögensteuer auf den 1. Januar 1960 unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen des BFH. Zu der von der Einspruchsentscheidung gewährten Herabsetzung der Vermögensteuer ist in der Revision nichts vorgetragen worden. Es ist nicht ersichtlich, ob der Steuerausschuß die Ermittlung des Vervielfältigers unter dem Gesichtspunkt des § 70 Abs. 3 EheG 1946 vornahm. Für diese Vorschrift ist bei Verneinung der Anwendbarkeit des § 60 EheG 1946 kein Raum. Allein aus diesem Grunde wäre daher ein Abstellen auf den Tod des Verpflichteten nicht gerechtfertigt. Für den vorliegenden Rechtsstreit wird jedoch auf das prozessuale Verbot der Verböserung durch die Gerichte hingewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 425746 |
BFHE 1968, 139 |
BFHE 90, 139 |