Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Grundstück nicht fristgemäß zu den im § 1 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 begünstigten Zwecken verwendet, so findet die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer nach § 5 dieses Gesetzes bereits dann statt, wenn die Verwendung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Erwerber des Grundstücks ein Verschulden trifft oder nicht.
Bei der Grunderwerbsteuer als einer Steuer, die der ausschließlichen Ländergesetzgebung unterliegt, können ungleiche Besteuerungen in den verschiedenen Ländern nicht als Verletzung des durch Art. 3 GG geschützten Grundsatzes der Gleichmäßigkeit erachtet werden.
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1; niedersächsisches Gesetz über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus
Normenkette
GrEStWGND 1/1; GrEStWGND 5; GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Der Bf. kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. Dezember 1953 mehrere in der Stadt X. (Land Niedersachsen) belegene unbebaute Grundstücke für insgesamt ... DM. Zugleich wurden die Grundstücke an ihn aufgelassen.
Für den Grundstückserwerb nahm der Bf. Grunderwerbsteuerfreiheit nach § 1 Ziff. 1 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 (BStBl 1952 II S. 74) in Anspruch mit der Versicherung, daß er die Grundstücke innerhalb fünf Jahren nach den Vorschriften des sozialen Wohnungsbaues bebauen wolle. Das Finanzamt äußerte zunächst Bedenken, weil die Grundstücke nicht als Bauland aufgeschlossen seien. In einer Auskunft des Bauamtes der Stadt vom 15. Februar 1954 erklärte dieses jedoch, daß die erworbenen Grundstücke in einem ausgewiesenen Baugebiet lägen. Zur Zeit sei dieses Baugebiet zwar zum Zwecke eines Postneubaues ausgewiesen, dieser Bau werde aber nicht mehr ausgeführt. Die Stadt plane, dieses Gebiet als Wohngebiet auszuweisen. Der Teilbebauungsplan werde voraussichtlich im Jahre 1954 geändert werden.
Das Finanzamt stellte daraufhin den Erwerb des Bf. einstweilen von der Grunderwerbsteuer frei.
Nachdem jedoch die erworbenen Grundstücke innerhalb fünf Jahren nicht bebaut worden waren, setzte das Finanzamt durch Steuerbescheid vom 5. Dezember 1959 die Grunderwerbsteuer nachträglich gemäß § 5 des vorerwähnten Gesetzes vom 2. Juli 1952 fest.
Der Bf. macht geltend, er habe stets die Absicht gehabt, die erworbenen Grundstücke im Sinne des Gesetzes vom 2. Juli 1952, und zwar innerhalb der darin vorgeschriebenen Frist, zu bebauen. Bereits im Jahre 1957 habe er einen unter dem 7. März 1957 aufgestellten Bebauungsplan der zuständigen Behörde zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt. Das Baugebiet sei jedoch infolge Anordnung des Regierungspräsidenten nicht zur Bebauung freigegeben worden, obwohl beim Erwerb behördlicherseits keine Einwendungen oder Einschränkungen hinsichtlich einer Bebauung gemacht worden seien. Wenn aber dem Steuerpflichtigen infolge behördlicher Eingriffe die Erfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen nicht möglich sei, so seien das Umstände, die nicht von ihm zu vertreten seien. Nach dem in § 275 BGB verankerten Rechtsgedanken werde der Schuldner bei derartigem Unvermögen von der Verpflichtung der Leistung befreit. Diese Folgerungen habe z. B. Hamburg gezogen, indem es bestimmt habe, daß die Grunderwerbsteuer nicht nacherhoben werde, wenn es einem Grundstückserwerber infolge Bodenordnungsmaßnahmen der Behörde nicht möglich sei, die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung zu erfüllen. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erfordere eine gerechte Verteilung der Steuerlasten und werde verletzt, wenn im Lande Niedersachsen anders als in anderen Ländern verfahren werde.
Das Finanzamt ist demgegenüber der Auffassung, daß der Gesetzgeber entsprechend dem Zweck der Befreiung zugunsten des Wohnungsbaues es lediglich auf den objektiven Tatbestand der Errichtung eines Wohnhauses im Sinne des § 1 des Gesetzes abstelle. Es komme deshalb im Streitfall nicht darauf an, aus welchem Grunde der Befreiungstatbestand nicht verwirklicht worden sei. Im übrigen seien die Grundstücke des Bf. beim Erwerb im Jahre 1953 noch nicht als Wohngebiet ausgewiesen, sondern es sei nach Auskunft des Bauamtes der Stadt X. vom 15. Februar 1954 nur "geplant" gewesen, das Gebiet als Wohngebiet auszuweisen.
Der Bf. hat eine Abschrift der von ihm eingeholten Auskunft des Bauamtes der Stadt X. vom 21. März 1960 vorgelegt: Darin heißt es:
"Die Bebauung Ihrer Grundstücke ...... kann vorerst noch nicht erfolgen, da der Durchführungsplan Nr. 3a durch die veränderte Lage der Umgehungsstraße geändert werden muß.
Ich nehme an, daß die Grundstücke in etwa ein bis zwei Jahren bebaut werden können."
Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist ohne Erfolg.
I. - Nach § 1 Ziff. 1 des vorerwähnten Gesetzes vom 2. Juli 1952 ist der Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung eines Wohngebäudes unter den dort bezeichneten Voraussetzungen von der Besteuerung ausgenommen. Gemäß § 5 desselben Gesetzes unterliegt der Erwerbsvorgang jedoch mit dem Ablauf von fünf Jahren der Steuer, wenn das Grundstück nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist. Unstreitig ist das Grundstück innerhalb des bezeichneten Zeitraums nicht in der vom Gesetz geforderten Weise bebaut worden.
Es kann unterstellt werden, daß der Bf. im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs die Absicht hatte, auf dem Grundstück in der im § 1 Ziff. 1 des vorerwähnten Gesetzes vorgesehenen Weise ein Wohngebäude zu errichten, daß er davon ausging und ausgehen konnte, daß ihm die Bebauung möglich sein werde, daß er sich während der Fünfjahresfrist in jeder nur erdenklichen Weise um die Verwirklichung des Bauvorhabens bemühte und daß er lediglich durch Maßnahmen der zuständigen Behörden gehindert war, seine Bebauungsabsicht durchzuführen.
Der Senat war mit der Frage, wie in derartigen Fällen grunderwerbsteuerrechtlich zu verfahren ist, bisher nicht befaßt. Jedoch hat er in Fällen der Weiterveräußerung eines mit einem Eigenheim bebauten Grundstücks entschieden, daß ein Erwerb auch dann nicht unter die Steuerbefreiung fällt, wenn die Bebauung zwar den gesetzlichen Erfordernissen entspricht, dem Erwerber aber die vom Gesetz gleichfalls geforderte übernahme als Eigenheim - ohne sein Verschulden - nicht möglich war. Siehe dazu die Urteile des Senats II 250/57 U vom 9. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 202, Slg. Bd. 70 S. 542) zu § 1 Ziff. 4 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 sowie II 48/61 U vom 10. Oktober 1962 (BStBl 1963 III S. 17) zu § 1 Abs. 1 Nr. 8 des hamburgischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Aufbau der Freien und Hansestadt Hamburg in der Fassung vom 20. August 1957. Entscheidend sei lediglich, so heißt es in dem letztgenannten Urteil, ob das Eigenheim tatsächlich übernommen wurde oder nicht. Die Steuerbefreiung sei jedenfalls auch dann nicht anwendbar, wenn beachtliche Gründe persönlicher Art Veranlassung gegeben haben, das Eigenheim für eine gewisse Zeit nicht zu beziehen.
Ein innerer Grund, die Vorschriften über die Nachversteuerung, die in allen Ländergesetzen ungefähr den gleichen Inhalt haben, unterschiedlich auszulegen (das heißt in den Fällen, in denen ein unbebautes Grundstück zwecks Bebauung erworben wird, anders als dann, wenn es sich um den Erwerb eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks zwecks übernahme als Eigenheim handelt), ist nicht ersichtlich. Das gilt nicht nur für das Verhältnis der in den verschiedenen Ländern bestehenden Nachversteuerungsvorschriften zueinander, sondern auch für das Verhältnis der verschiedenen Nachversteuerungsvorschriften innerhalb desselben Landes. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Nachversteuerung lediglich davon abhängt, daß ein im Gesetz vorgesehener Tatbestand erfüllt ist. Insbesondere kann dem vorerwähnten § 5 des Gesetzes vom 2. Juli 1952 nichts dafür entnommen werden, daß die Nachversteuerung nur dann stattfinden darf, wenn der Steuerpflichtige den Tatbestand des § 1 des vorerwähnten Gesetzes verschuldet nicht erfüllt hat. Vielmehr kann nur angenommen werden, daß die Nachversteuerung ohne Rücksicht darauf stattfinden soll, ob ein Verschulden gegeben ist oder nicht. überhaupt ist eine Steuerpflicht nur davon abhängig, ob der Steuertatbestand bzw. der Befreiungstatbestand objektiv verwirklicht ist oder nicht. Darauf, ob ein Steuerpflichtiger den Eintritt dieses Tatbestandes verschuldet hat oder nicht, kommt es nicht an. Demgemäß ist auch die Vorschrift des § 275 BGB, das unverschuldete Unvermögen betreffend, nicht entsprechend anwendbar.
Es mag zutreffen, daß in einigen Ländern auf Grund von Sondervorschriften in bestimmten Fällen die Nachversteuerung unterbleibt (siehe z. B. § 8 Abs. 3 des vorerwähnten hamburgischen Gesetzes in der Fassung vom 20. August 1957). Eine dahin gehende Regelung ist jedoch im Land Niedersachsen - insbesondere für Fälle der hier in Betracht kommenden Art - nicht vorhanden. Schon der Umstand, daß das eine Land für besondere Fälle eine Nachversteuerung auf Grund ausdrücklicher Vorschrift ausschließt, andere Länder dagegen nicht, beweist, daß auch im erstgenannten Land ohne die Ausnahmevorschrift gleichfalls eine Nachversteuerung eintreten müßte; wenn einige Länder diese Auswirkungen erkannt und sich veranlaßt gesehen haben, sie durch Sonderregelungen zu verhindern, können die Steuerpflichtigen anderer Länder, in denen dahin gehende Sonderbestimmungen nicht bestehen, nicht dennoch derartige Vergünstigungen gleichfalls für sich in Anspruch nehmen.
II. - Der Auffassung, daß die ungleiche Besteuerung durch die verschiedenen Länder den durch Art. 3 des Grundgesetzes (GG) geschützten Grundsatz auf Gleichmäßigkeit vor dem Gesetz verletze, kann nicht zugestimmt werden. Nach dem GG (Art. 105 Abs. 2 Nr. 1) unterliegt die Grunderwerbsteuer der ausschließlichen Landesgesetzgebung, nicht der konkurrierenden oder ausschließlichen Bundesgesetzgebung. Ist aber eine Materie vom GG der Landesgesetzgebung vorenthalten, so versteht sich, daß darin auch die Ermächtigung an die Länder liegt, ungleiche Regelungen zu treffen. Anhaltspunkte dafür, daß in derartigen Fällen zwischen den verschiedenen Ländern inhaltlich gleiches Recht bestehen müßte, sind im GG nicht vorhanden. Daß innerhalb des Landes Niedersachsen selbst der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz durch ungleiche Regelungen verletzt worden sei, wird auch seitens des Bf. nicht behauptet. Auf die Ungleichheit zu anderen Ländern kommt es aber nicht an.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410929 |
BStBl III 1963, 569 |
BFHE 1964, 681 |
BFHE 77, 681 |