Leitsatz (amtlich)
1. Erhält ein hauptberuflich tätiger Musiker von seinem Arbeitgeber ein Instrumentengeld und ein Kleidergeld, so sind die Pauschsätze nach Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a LStR um das Instrumentengeld und die Pauschsätze nach Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b LStR um das Kleidergeld zu kürzen.
2. Bei einem hauptberuflich tätigen Musiker ist ein Tonbandgerät ein Arbeitsmittel; die Absetzungen für Abnutzung für ein solches Wirtschaftsgut sind Werbungskosten.
2. Ein Tonbandgerät ist kein Instrument im Sinn des Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a LStR. Absetzungen für Abnutzung für ein Tonbandgerät können daher neben den dort bezeichneten Pauschbeträgen als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 9; LStDV § 20 Abs. 2 Nrn. 4-5; LStR Abschn. 24a
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) ist Mitglied des städtischen Orchester D. Er spielt Fagott und Kontrafagott mit eigenen Instrumenten. Aufgrund tarifvertraglicher Regelung ist er verpflichtet, im Dienst gute Instrumente zu benutzen und seine Instrumente in tadellosem und spielfertigem Zustand zu halten. Zur Erleichterung dieser Auflage zahlte die Stadt D dem Steuerpflichtigen 1965 ein Instrumentengeld von monatlich 40 DM, jährlich 480 DM. Mit Rücksicht darauf, daß der Steuerpflichtige bei den Orchesterkonzerten im Frack oder dunklen Anzug auftreten muß, gewährte ihm die Stadt D außerdem ein Kleidergeld in Höhe von 25 DM monatlich = 300 DM jährlich. Beide Zuwendungen blieben lohnsteuerfrei.
Die vom Steuerpflichtigen im Lohnsteuer-Jahresausgleich geltend gemachten Werbungskosten-Pauschsätze für Musiker nach Abschn. 24a LStR, nämlich 39 DM monatlich für Unterhalt und Abnutzung der Instrumente sowie für Notenbeschaffung zur eigenen Fortbildung und weitere 39 DM monatlich für Kleidung, kürzte das FA um die Zahlungen, die der Steuerpflichtige steuerfrei von seiner Arbeitgeberin erhalten hatte. Es berief sich dabei auf Abschn. 24a Abs. 2 LStR.
Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage hatte hingegen Erfolg. Das FG führte aus, es halte die in Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 LStR genannten Pauschbeträge für Musiker für zutreffend, soweit damit die einem Musiker im Normalfall erwachsenden Werbungskosten berücksichtigt werden sollten. Die vom FA in der vorgenommenen Form durchgeführte Kürzung sei jedoch nicht berechtigt. Das vom FA angewandte Verfahren wäre nur dann berechtigt, wenn feststehe, daß der Steuerpflichtige im Streitjahr Werbungskosten der hier in Betracht kommenden Art überhaupt nur in Höhe der Pauschbeträge gehabt habe. Nach einer Berechnung des Steuerpflichtigen seien seine Werbungskosten jedoch erheblich höher. Das FG trage keine Bedenken, bei einem Berufsmusiker ein Tonbandgerät als Arbeitsgerät anzusehen. Bei Berücksichtigung der vom Steuerpflichtigen aufgemachten Berechnung hätte das FA auf keinen Fall den Pauschbetrag in der ganzen Höhe von 468 DM kürzen dürfen. Ähnlich verhalte es sich mit dem Pauschbetrag, der zur Abgeltung der Mehraufwendungen für Kleidung bei Musikern in Orchestern gewährt werde. Nach der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Einzelberechnung habe für das FA keine Veranlassung bestanden, die Pauschbeträge nach Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b LStR zu kürzen.
Mit der Revision rügt der Revisionskläger (FA) Verletzung von Bundesrecht und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Anfechtungsklage abzuweisen. Zur Begründung trägt das FA vor, das FG hätte bei Einzelnachweis oder Glaubhaftmachung von den Aufwendungen des Steuerpflichtigen nicht nur die steuerfreien Ersatzleistungen des Arbeitgebers, sondern auch den allgemeinen Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von 564 DM (§ 20 Abs. 1 LStDV) absetzen müssen. Für die Gewährung der Pauschbeträge nach Abschn. 24a LStR sei dann kein Raum mehr gewesen. Selbst wenn man aber den Überlegungen des FG folgen könnte, hätte das FG bei der überschlägigen Berechnung der Gesamtaufwendungen neben den Ersatzleistungen des Arbeitgebers auf den allgemeinen Werbungskosten-Pauschbetrag absetzen müssen, soweit Aufwendungen des Arbeitnehmers berücksichtigt worden seien, die durch die Pauschbeträge nach Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 LStR nicht abgegolten worden seien. Bei der Berechnung der Gesamtaufwendungen habe das FG auch die Abnutzung für ein Tonbandgerät steuerlich berücksichtigt. Das stehe jedoch im Widerspruch zu den Urteilen des BFH VI 183/57 U vom 6. Mai 1959 (BFH 69, 81, BStBl III 1959, 292) und VI 164/59 U vom 8. April 1960 (BFH 71, 70, BStBl III 1960, 274).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 LStR werden als Werbungskosten-Pauschbeträge für hauptberuflich tätige Musiker anerkannt a) zur Abgeltung aller Mehraufwendungen für Unterhalt und Abnutzung der Instrumente sowie für Notenbeschaffung zur eigenen Fortbildung 39 DM monatlich, b) zur Abgeltung der Mehraufwendungen für Kleidung bei Musikern in Orchestern oder Kapellen, die in einheitlicher Kleidung auftreten, 39 DM monatlich. Nach Abschn. 24a Abs. 2 LStR sind die Pauschbeträge im allgemeinen Höchstsätze. Ein Abweichen nach unten wird in Betracht kommen, wenn die Werbungskosten besonders niedrig sind oder wenn bei Musikern ein Teil der Aufwendungen, die mit dem Pauschsatz abgegolten werden sollen, vom Arbeitgeber ersetzt werden. Die Pauschsätze sind nicht anwendbar, wenn höhere Werbungskosten im einzelnen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden.
Bei diesen Pauschbeträgen handelt es sich um Pauschalierungen, die die Verwaltung aus Vereinfachungsgründen vorgenommen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind solche Pauschalierungen nicht Rechtsnormen, die von den Steuergerichten unmittelbar anzuwenden und auszulegen sind. Es handelt sich vielmehr um Schätzungen nach § 217 AO, die auf Verwaltungserfahrungen beruhen und außer der Vereinfachung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen. Sie sind deshalb auch von den Steuergerichten zu beachten, so lange sie nicht im Einzelfall offensichtlich zu einem falschen Ergebnis führen. Nur so läßt sich die im Massenverfahren der Besteuerung notwendige Vereinfachung und Gleichbehandlung erreichen. Es entspricht nicht diesen Überlegungen, jeden Einzelfall allzu intensiv zu prüfen. Die Nichtanwendung der Richtsätze muß auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. die Urteile VI 116/65 vom 17. August 1966, BFH 86, 713, BStBl III 1966, 634; VI R 168/66 vom 14. April 1967, BFH 88, 422, BStBl III 1967, 430, und VI R 224/66 vom 26. Januar 1968, BFH 91, 364, BStBl II 1968, 362).
Die Pauschalregelung des Abschn. 24a LStR wird nur auf Antrag des Steuerpflichtigen angewendet. Sie ist nicht anwendbar, wenn höhere Werbungskosten im einzelnen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden. Im Streitfall hat der Steuerpflichtige nach seiner Erklärung die Anwendung der Pauschsätze beantragt. Er muß dann aber die Pauschalregelung in ihrer Gesamtheit gegen sich gelten lassen. Danach sind die Pauschsätze im allgemeinen Höchstsätze. Die Ansetzung der vollen Pauschbeträge kommt hiernach nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige die Mehraufwendungen, zu deren Abgeltung die Pauschsätze dienen sollen, in vollem Umfang selbst zu tragen hat. Es ist deshalb dem in Abschn. 24a Abs. 2 LStR ausgesprochenen Grundsatz zu folgen, daß von den Pauschbeträgen nach unten abzuweichen ist, wenn der Musiker Ersatzleistungen für die durch die Pauschbeträge abzugeltenden Mehraufwendungen vom Arbeitgeber erhält. Das vom FA in diesem Zusammenhang angewendete Verfahren, die Pauschsätze um die Ersatzleistungen des Arbeitgebers zu kürzen, ist nicht zu beanstanden. Es entspricht dem Sinn der Pauschbetragsregelung in ihrer Gesamtheit. Wenn die Pauschsätze, wie in Abschn. 24a Abs. 2 LStR bestimmt ist, Höchstsätze sind, so muß, wenn die Anwendung der Pauschbetragsregelung beantragt wird, davon ausgegangen werden, daß Mehraufwendungen, die die Pauschbeträge übersteigen, nicht berücksichtigt werden können. Es muß vielmehr unterstellt werden, daß die Mehraufwendungen den Pauschbeträgen entsprechen; andernfalls hätte es dem Musiker freigestanden, auf die Anwendung der Pauschsätze zu verzichten und die Mehraufwendungen im einzelnen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Es geht nicht an, lediglich zum Zweck der Prüfung, ob die Pauschbeträge in voller Höhe gewährt werden können oder zu kürzen sind, im Wege einer Hilfsberechnung in eine Prüfung der tatsächlichen Mehraufwendungen des Musikers einzutreten. Ein solches Verfahren, bei dem die Pauschbetragsregelung mit Elementen des Einzelnachweises verquickt wird, widerspricht dem Sinn der Pauschbetragsregelung, die in erster Linie der Vereinfachung dienen soll.
Da der Steuerpflichtige unstreitig ein Instrumentengeld von 480 DM jährlich erhält, bleibt für die Gewährung des Pauschsatzes nach Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a LStR kein Raum mehr. Der Pauschbetrag nach Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ist um das Kleidergeld zu kürzen.
Eine Kürzung der Pauschsätze ist nach Abschn. 24a Abs. 2 LStR angezeigt, wenn Aufwendungen, die mit dem Pauschsatz abgegolten werden sollen, vom Arbeitgeber ersetzt werden. Der Pauschbetrag nach Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a LStR dient u. a. der Abgeltung aller Mehraufwendungen für Unterhalt und Abnutzung "der Instrumente". Hierunter fallen nach dem Sinn der Pauschbetragsregelung im Einzelfall nur das Instrument oder die Instrumente, die der hauptberuflich tätige Musiker von Berufs wegen spielt, die also seiner Berufsausübung unmittelbar dienen, im Streitfall also das Fagott und das Kontrafagott. Ein Tonbandgerät ist kein "Instrument" im Sinn der Pauschbetragsregelung; es dient nicht unmittelbar der Ausübung der Musikertätigkeit. Es dient vielmehr nur deren Förderung, indem es dem Musiker die Kontrolle des eigenen Spiels ermöglicht. Aufwendungen für ein Tonbandgerät sind deshalb durch die Pauschsätze des Abschn. 24a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a LStR nicht abgegolten.
Es ist dem Steuerpflichtigen zuzugeben, daß eine Selbstkontrolle des Spiels für den Musiker von großem Wert ist und um so mehr an Bedeutung gewonnen hat, seit das Spiel der Orchester vom Publikum an dem hochperfektionierten Spiel der in Rundfunk und Fernsehen auftretenden Orchester gemessen wird, bei denen zudem zur Perfektion des Spiels noch die Perfektionierung durch ein raffiniertes Aufnahmeverfahren kommt. Aus diesen Gründen ist ein Tonbandgerät für einen hauptberuflich tätigen Musiker ein Arbeitsmittel; die Aufwendungen hierfür gehören nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 LStDV zu den Werbungskosten. Bei einem Berufsmusiker hat ein Tonbandgerät eine wesentlich andere funktionelle Verwendung als bei einem Lehrer, für den der erkennende Senat in den Urteilen VI 183/57 U vom 6. Mai 1959 (a. a. O.) und VI 164/59 U vom 8. April 1960 (a. a. O.) die Berücksichtigung der Aufwendungen für ein Tonbandgerät als Werbungskosten abgelehnt hat, und einem Richter, bei dem der erkennende Senat in dem im Anschluß an den Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 2/70 vom 19. Oktober 1970 (BFH 100, 309, BStBl II 1971, 17) ergangenen Urteil VI R 31/68 vom 29. Januar 1971 (BStBl II 1971, 327) gleichfalls ein Tonbandgerät als Wirtschaftsgut der Lebensführung angesehen und demgemäß die Berücksichtigung der Aufwendungen als Werbungskosten abgelehnt hat (vgl. auch das Urteil des Senats VI 57/62 vom 24. August 1962, HFR 1963, 57, wegen der Aufwendungen eines Musiklehrers für die Anschaffung eines Tonbandgeräts).
Da sich die Nutzung des Tonbandgeräts durch den Musiker über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, kommen als Werbungskosten gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 5 LStDV nur die Absetzungen für Abnutzung in Betracht. Eine Kürzung der Werbungskosten im Hinblick auf eine mögliche private Nutzung des Tonbandgeräts scheidet nach dem Urteil des erkennenden Senats VI R 31/68 vom 29. Januar 1971 (a. a. O.) aus, weil eine solche mögliche private Nutzung bei einem Berufsmusiker gegenüber der beruflichen Nutzung offenbar völlig zurücktritt.
Die Sache war hiernach an das FG zurückzuverweisen, das zu prüfen hat, ob und inwieweit die Absetzungen für Abnutzung für das Tonbandgerät neben den Pauschsätzen für Musiker als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß nach Abschn. 24a Abs. 2 letzter Satz LStR dann, wenn bei Inanspruchnahme der Pauschsätze nach Abschn. 24a Abs. 1 LStR Werbungskosten geltend gemacht werden, die durch diese Pauschsätze nicht abgegolten sind, diese Werbungskosten nicht um den allgemeinen Pauschbetrag für Werbungskosten von 564 DM jährlich zu kürzen sind.
Bei der erneuten Prüfung wird das FG außerdem zu untersuchen haben, ob die Inanspruchnahme der Pauschsätze - selbst bei Berücksichtigung der Absetzung für Abnutzung für das Tonbandgerät neben diesen Pauschsätzen - dem wahren Willen des Steuerpflichtigen entspricht, wenn, wie es nach den vorstehenden Ausführungen zu geschehen hat, die Ersatzleistungen des Arbeitgebers voll auf die Pauschsätze anzurechnen sind. Der Steuerpflichtige hat zwar bisher erklärt, die Pauschsätze in Anspruch nehmen zu wollen. Der Senat hätte aber keine Bedenken dagegen, dem Steuerpflichtigen statt der Pauschbeträge den Einzelnachweis der Mehraufwendungen zuzugestehen, falls er dies nunmehr beantragt. In diesem Fall sind die Mehraufwendungen selbstverständlich um die Ersatzleistungen des Arbeitgebers und um den allgemeinen Werbungskostenpauschbetrag zu kürzen.
Fundstellen
Haufe-Index 69454 |
BStBl II 1971, 459 |
BFHE 1971, 35 |