Leitsatz (amtlich)
Wird der Geschäftsverkehr fast ausschließlich unbar abgewickelt und bleibt die Zahl der Lieferanten und der Kunden sowie der Warenein- und verkäufe im Verlauf des Geschäftsjahres überschaubar, so genügt es für den buchmäßigen Ausweis des Kreditverkehrs, wenn die Personenkonten wie ein aufgegliedertes Kontokorrentsachkonto in die Buchführung einbezogen werden.
Normenkette
EStG § 10a
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger sind Eheleute. Der Ehemann betreibt einen Holzgroßhandel. Er ermittelt den Gewinn nach § 5 EStG durch Bestandsvergleich. In den Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 1960 und 1961 setzte er einen nicht entnommenen Gewinn nach § 10a EStG als Sonderausgabe ab.
Das FA erkannte den Sonderausgabenabzug zunächst an. Nach einer Betriebsprüfung berichtigte es jedoch die Veranlagungen und versagte den Abzug nach § 10a EStG.
Der Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus: Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung habe in der Buchführung ein Kontokorrentkonto (Sachkonto) gefehlt, obwohl der Kläger fast ausschließlich Kreditgeschäfte im Ein- und Verkauf getätigt habe. Diese Geschäftsvorfälle habe er auf entsprechenden Personenkonten verbucht. An den Bilanzstichtagen habe er aus den Personenkonten die im einzelnen bestehenden Forderungen und Schulden - zum Teil nach Umbuchungen und Berichtigungen - in eine Saldenliste übertragen und aus ihr dann die in den Bilanzen ausgewiesenen Forderungen und Schulden ermittelt. Das FA habe die Höhe der ausgewiesenen Forderungen (1960: 31 434 DM, 1961: 31 413 DM) sowie der Schulden (1960: 8 792 DM, 1961: 13 331 DM) anerkannt. Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sei aber bei fehlendem Kontokorrentkonto wegen unheilbaren Fehlers in ihrem System auch dann zu verneinen, wenn ihr sachliches Ergebnis für die Besteuerung übernommen werde. Der Umfang der unbaren Geschäftsvorfälle habe die Führung eines Kontokorrentkontos erfordert. Dem stehe nicht entgegen, daß in den Jahren 1960 und 1961 laut Wareneingangsbuch nur 51 bzw. 83 Wareneinkäufe getätigt worden seien und der Kläger nur mit rund 50 Kunden und 10 Lieferanten in Geschäftsbeziehungen gestanden habe. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß sich der gesamte Geschäftsverkehr fast ausschließlich im Kreditwege abwickele. Schon aus diesem Grund erforderten die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung die Führung eines Kontokorrentkontos. Die Verbuchung der nicht unwesentlichen Zahl unbarer Geschäftsvorfälle auf in Karteiform geführten Personenkonten stelle keinen Ersatz für das fehlende Sachkonto dar. Eine zuverlässige Ermittlung der Forderungen und Schulden hinge im Streitfall davon ab, daß sämtliche Personenkonten erfaßt würden. Dafür fehle jedoch die unerläßliche Gegenkontrolle durch ein Kontokorrentkonto. Die Ablehnung der Steuervergünstigung verstoße auch nicht deswegen gegen Treu und Glauben, weil das FA bis dahin diese Art der Buchführung weder bei dem Kläger noch bei anderen Auftraggebern von dessen Steuerbevollmächtigten beanstandet habe. Bei der einzigen vorausgegangenen Betriebsprüfung im Jahr 1952 sei die Buchführung des Klägers schon wegen der nicht ordnungsmäßigen Kassenführung nicht anerkannt worden. Es sei deshalb unerheblich, ob die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung damals auch noch aus anderen Gründen hätte verneint werden können.
Mit der Revision rügen die Kläger, daß die Verwerfung der Buchführung gegen Treu und Glauben verstoße. Ihr Steuerbevollmächtigter habe seit Jahren bei allen von ihm betreuten Steuerpflichtigen keine Kontokorrentkonten geführt. Das FA habe das bei keinem Steuerpflichtigen beanstandet. Die Vollständigkeit der Personenkonten könne anhand der Bankauszüge festgestellt werden. Es sei nicht richtig, daß Warenforderungen und Warenschulden erst bei ihrer Bezahlung gebucht würden. Die wirtschaftlichen Vorgänge könnten in der Buchführung zuverlässig verfolgt werden. Der BFH habe in der Entscheidung VI 326/65 vom 18. Februar 1966 (BFH 85, 535, BStBl III 1966, 496) ausgeführt, daß auch eine Buchführung ohne Kontokorrentkonto ordnungsmäßig sein könne.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 10a EStG kann ein vom Gesetz bezeichneter Kreis von Steuerpflichtigen, die ihre frühere Erwerbsgrundlage verloren haben und die ihre Gewinne auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG ermitteln, nichtentnommene Gewinne in bestimmter Höhe als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. Die Vorentscheidung hat die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung mit nicht zureichenden Gründen verneint.
Eine Buchführung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige freiwillig oder auf Grund des § 161 Abs. 1 AO die nach den Vorschriften der §§ 38, 39 HGB und § 162 AO erforderlichen Bücher führt und regelmäßig Abschlüsse macht. Eine bestimmte Buchführungsmethode ist den Steuerpflichtigen nicht vorgeschrieben. Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung erfordert jedoch, daß der Steuerpflichtige sämtliche Geschäftsvorfälle fortlaufend, vollständig und richtig durch Grundaufzeichnungen so zeitnah wie möglich festhält. Bei Kreditgeschäften muß jederzeit ein Überblick über den Stand der Forderungen und Schulden möglich sein. Zu einer vollkaufmännischen Buchführung, die Anspruch auf Ordnungsmäßigkeit erhebt, gehört nach ständiger Rechtsprechung in der Regel die Führung eines Kontokorrentkontos (BFH-Urteil IV 18/53 U vom 10. April 1953, BFH 57, 403, BStBl III 1953, 157; IV 20/60 vom 21. Juli 1960, HFR 1961, 5; VI 195, 196/62 vom 14. Juni 1963, HFR 1964, 9; IV 58/64 vom 23. Juli 1964, HFR 1965, 55; IV 84/59 vom 10. Mai 1963, HFR 1965, 104; I 348/61 vom 20. Januar 1965, HFR 1965, 313; VI 128, 129/64 vom 7. Mai 1965, HFR 1965, 487). Nimmt ein Steuerpflichtiger Steuervorteile in Anspruch, die das Gesetz von einer ordnungsmäßigen Buchführung abhängig macht, so ist dem Steuerpflichtigen zuzumuten, daß er die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sorgfältig beachtet (BFH-Urteil IV 63/63 vom 26. März 1968, BFH 92, 264, BStBl II 1968, 527).
Der BFH hat jedoch mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß die Anforderungen an die Buchführung nicht überspitzt werden dürften. Die Buchführung dürfe nicht zum Selbstzweck werden. Auch für sie gelte das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Die Anforderungen an die Ausgestaltung der Buchführung hingen wesentlich von der Art und der Größe des Betriebs ab (BFH-Urteil IV 15/51 S vom 23. Februar 1951, BFH 55, 199, BStBl III 1951, 75; VI 326/65, a. a. O.; VI 117/65 vom 23. September 1966, BFH 87, 73, BStBl III 1967, 23).
Diese Grundsätze gelten auch für die Verbuchung von Kreditgeschäften. Der unbare Geschäftsverkehr muß, wie der BFH in der Entscheidung I 125/65 vom 18. Oktober 1967 (BFH 90, 473, BStBl II 1968, 173) ausgesprochen hat, nicht unbedingt auf einem Kontokorrentkonto und einem Kontokorrentbuch (Geschäftsfreundebuch) festgehalten werden. Auch das Wareneingangsbuch und das Warenausgangsbuch könnten z. B. bei entsprechender Ausgestaltung als Grundbücher für die Aufzeichnung von Kreditkäufen dienen und auf diese Weise das Kontokorrentkonto ersetzen. Entscheidend sei, daß die unbaren Geschäftsvorfälle der Zeitfolge nach buchmäßig aufgezeichnet und die am Bilanzstichtag bestehenden Forderungen und Schulden im Kontokorrentbuch ausgewiesen würden, ferner daß der Steuerpflichtige und ein sachverständiger Dritter sich im Buchführungswerk ohne große Schwierigkeiten innerhalb angemessener Zeit zurechtfinden könnten.
Das FG hat festgestellt, daß der Kläger seinen gesamten Geschäftsverkehr fast ausschließlich im Kreditwege abwickelt. Danach müßte, wie dem FG zuzugeben ist, der buchmäßige Ausweis des jeweiligen Standes von Forderungen und Schulden eine bevorzugte Aufgabe seiner Buchführung sein. Im Rahmen der doppelten Buchführung, wie sie der Kläger hat, wird diese Aufgabe systemgerecht von dem Kontokorrentkonto (Sachkonto) übernommen. Trotzdem kann dem Fehlen dieses Kontos nicht die Bedeutung beigelegt werden, die das FG ihm zuerkannt hat.
Der Kläger hat die unbaren Geschäftsvorfälle unmittelbar auf die Personenkonten als Gegenkonten des Warenkontos verbucht. Eine Buchung auf den Sachkonten Kundenforderungen oder Lieferantenschulden ist unterblieben, weil diese Konten nicht geführt wurden. Bei der Bezahlung der Schulden oder Forderungen sind ebenfalls nur die Sachkonten Kasse oder Bank als Gegenkonten der Personenkonten belastet oder erkannt worden. Die Abschlußbilanz wurde nach Vornahme von Umbuchungen und Berichtigungsbuchungen mit Hilfe der Personenkonten erstellt. Diese Buchführung reichte unter den gegebenen Umständen für die Ermittlung des Gewinns aus:
Sie gewährt auch den bei Kreditgeschäften erforderlichen Überblick über den Stand der Forderungen und Schulden, wenn man es vermeidet, die formellen Anforderungen an die Buchführung des Klägers zu überspannen. Das FG hat festgestellt, daß trotz des fast ausschließlich unbaren Geschäftsverkehrs des Klägers die Zahl der Kunden und Lieferanten sowie der Wareneinkäufe in den Streitjahren noch überschaubar war. Geht man davon aus, daß die Personenkonten sachlich keine anderen Daten enthalten als die Kontokorrentsachkonten, so ist es unter den Umständen des Streitfalls gerechtfertigt, sich für den buchmäßigen Ausweis des Kreditverkehrs mit den Personenkonten zu begnügen, da sie wie ein aufgegliedertes Kontokorrentsachkonto in die Buchführung einbezogen worden sind. Wegen der beschränkten Zahl von Kunden und Lieferanten in den Jahren 1960 und 1961 ist es einem sachverständigen Dritten noch ohne unzumutbare Schwierigkeiten innerhalb angemessener Zeit möglich, eine Übersicht über die Höhe der Forderungen und Schulden zu gewinnen. Da sich auch der bare Geschäftsverkehr in engen Grenzen hielt, braucht die an sich wichtige Kontrollfunktion des Kontokorrentsachkontos für den Streitfall nicht als unverzichtbar angesehen zu werden. Solange das Großhandelsunternehmen des Klägers den vom FG festgestellten Umfang nicht überschreitet, wird das Fehlen des Kontokorrentkontos nicht als ein Mangel angesehen werden müssen, auf Grund dessen die Ordnungsmäßigkeit zu versagen wäre.
Das FG hat wegen des Fehlens des Kontokorrentkontos die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung verneint. Es hat deshalb nicht geprüft, ob der Buchführung andere Mängel anhaften, die ihre Ordnungsmäßigkeit beeinträchtigen. Für die Frage, ob eine Buchführung ordnungsmäßig ist, kommt es auf das Gesamtbild des Buchführungswerkes an. Erst wenn die Grundvoraussetzungen jeder Buchführung als erfüllt anzusehen sind, sollte geprüft werden, ob die Buchungsvorgänge der vom Steuerpflichtigen gewählten Art der Buchführung entsprechen und ob sie den Anforderungen, die vom Betrieb her an die buchmäßige Erfassung der Geschäftsvorfälle zu stellen sind, genügen.
Dem Senat erscheint es zweifelhaft, ob der Kläger die Grundvoraussetzungen der Buchführung erfüllt hat. Dazu gehört, daß er sämtliche Geschäftsvorfälle fortlaufend vollständig und richtig durch Grundaufzeichnungen so zeitnah wie möglich festhält. Ob das Journal, das der Buchführung des Klägers in den Streitjahren als Grundbuch diente, diesen Anforderungen gerecht wird, ist bisher nicht geprüft worden. Das FG hat es - aus seiner Sicht mit Recht - sogar dahingestellt sein lassen, ob die Vermutung des FA zutrifft, daß die gesamte Buchführung für die Jahre 1960 und 1961 im wesentlichen überhaupt erst im Jahre 1962 nachgeholt worden ist.
Das FG wird diese Fragen vor einer erneuten Entscheidung zu prüfen haben. Kommt es dabei wiederum zur Ablehnung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, so wird der Vorwurf, das FA habe gegenüber dem Kläger gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, gegenstandslos. Außerdem ist zu beachten, daß sich der Gegenstand des Unternehmens des Klägers und der Umfang seines Geschäftsbetriebs seit dem vorhergehenden Prüfungszeitraum II/1948 bis 1950 wesentlich geändert hat. Die früheren Prüfungsfeststellungen zur Buchführung waren deshalb durch die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens überholt. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für die Streitjahre mußte das FA von der Annahme ausgehen, daß der sachverständig beratene Kläger die Rechtsprechung zu § 10a EStG in bezug auf die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung beachtet hat, zumal ihm diese Steuervergünstigung schon einmal im Veranlagungszeitraum 1957 gewährt worden war. Spätestens im Zeitpunkt der Übernahme des väterlichen Unternehmens am 1. Januar 1959 wäre für den Kläger Anlaß gewesen, die Buchführung den Grundsätzen dieser Rechtsprechung anzupassen. Wenn der Kläger es jedoch darauf ankommen ließ, daß seine Buchführung beanstandet würde, kann er sich gegenüber dem Widerruf der Vergünstigung durch das FA nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen.
Da das FG in der Frage, welche Bedeutung das Kontokorrentkonto für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung des Klägers hat, von einer abweichenden Rechtsansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und zur anderweiten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
BStBl II 1970, 40 |
BFHE 1970, 11 |