Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliche Betriebsübertragung; Betriebsfortführung; Betriebsaufgabe; Schenkung von Betriebsvermögen
Leitsatz (NV)
1. Unentgeltliche Betriebsübertragung erfordert, daß alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs unentgeltlich übertragen werden.
2. Betriebsfortführung im Wege der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung oder der Verpachtung ohne Gewinnrealisierung setzt Nutzungsüberlassung aller wesentlichen Grundlagen des Betriebs voraus.
3. Betriebsaufgabe liegt vor, wenn ein Teil der wesentlichen Grundlagen des Betriebs aus privaten Gründen verschenkt und der andere Teil der wesentlichen Betriebsgrundlagen entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlassen werden.
4. Bei der Schenkung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens wird der gewinnrealisierende Vorgang durch die Schenkungsabrede oder durch die Zuwendung dokumentiert.
Normenkette
EStDV § 7 Abs. 1; EStG § 16 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb ein Schlosserei- und Metallbauunternehmen auf einem ihm gehörenden Grundstück. Das Grundstück war bebaut mit einem Wohn- und Bürohaus mit anschließendem Werkstatt- und Lagergebäude. Keller und Erdgeschoß enthielten Betriebsräume, Ober- und Dachgeschoß Privaträume des Klägers. Das Grundstück wurde ganz als Betriebsgrundstück geführt.
Im notariellen Vertrag vom 9. September 1975 schenkte der Kläger seinen beiden Kindern je zur Hälfte das Anlagevermögen seines Unternehmens mit Ausnahme des Betriebsgrundstücks und eines PKW. Das Eigentum an den geschenkten Sachen sollte ab 1. Januar 1976 auf die Beschenkten übergehen, der Besitz daran am 31. Dezember 1975 übergeben werden. Durch einen gesondert abzuschließenden Mietvertrag sollten die Betriebs- und Geschäftsräume auf dem Grundstück den Kindern ab 1. Januar 1976 überlassen werden. Die Kinder verpflichteten sich zur Übernahme sämtlicher Rechte und Pflichten aus den Dauergeschäften des Unternehmens.
Ebenfalls am 9. September 1975 gründeten der Kläger und seine Tochter eine GmbH. Seinen Geschäftsanteil übertrug der Kläger am 29. Januar 1976 auf seinen Schwiegersohn.
Am 29. Januar 1976 gründeten die beiden Kinder des Klägers, die Tochter zugleich als Geschäftsführerin der vorerwähnten GmbH, eine KG. An dieser Gesellschaft waren die GmbH als persönlich haftender Gesellschafter und die beiden Kinder des Klägers als Kommanditisten beteiligt. Gegenstand des Unternehmens der KG waren der Metallbau und Schlosserarbeiten. Die Kommanditisten leisteten ihre Einlage durch Einbringung ihrer Anteile an den geschenkten Wirtschaftsgütern. Beginn der KG sollte der 1. Januar 1976 sein. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 31. März 1976. Die KG übernahm das Umlaufvermögen und die Schulden aus dem Unternehmen des Klägers mit allen Rechten und Pflichten. Der sich daraus ergebende Saldo zugunsten des Klägers wurde in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1976 der KG als Darlehensverbindlichkeit mit . . . DM ausgewiesen.
Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, daß der Kläger anläßlich einer Betriebsaufgabe zum 31. Dezember 1975 aus dem Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens das Betriebsgrundstück mit einem Gewinn von . . . DM und seinen Kraftwagen mit einem Gewinn von . . . DM entnommen habe.
Mit der Sprungklage machte der Kläger geltend, er habe in 1975 seinen Betrieb nicht aufgegeben und außerdem die Schenkung rückgängig gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen läßt sich nicht abschließend entscheiden, ob oder in welcher Höhe bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Streitjahr ein Aufgabegewinn (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 3 EStG) anzusetzen ist.
1. Die Übertragung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens aus dem Betriebsvermögen des Klägers ist nicht als unentgeltliche Übertragung eines Betriebs zu werten, für die § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) gilt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1979 IV R 108/75, BFHE 128, 452, BStBl II 1979, 732).
a) Für die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs ist Voraussetzung, daß alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs unentgeltlich übertragen werden (BFH-Urteil vom 7. August 1979 VIII R 153/77, BFHE 129, 325, BStBl II 1980, 181). Wesentliche Betriebsgrundlagen i. S. des § 7 Abs. 1 EStDV sind ebenso wie i. S. des § 16 EStG Wirtschaftsgüter, die von ihrer Funktion her ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung besitzen oder die erhebliche stille Reserven enthalten. Dabei handelt es sich um zwei selbständig nebeneinander stehende Gruppen von Wirtschaftsgütern (BFH-Urteil vom 19. Januar 1983 I R 57/79, BFHE 137, 487, BStBl II 1983, 312).
b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der BFH mangels zulässiger und begründeter Rügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, fehlt es im Streitfall an den Voraussetzungen einer unentgeltlichen Betriebsübertragung, weil der Kläger eine wesentliche Grundlage des Betriebs nicht übertragen hat. Das in Rede stehende Grundstück wurde bei der Schenkung zurückbehalten. Seine Bedeutung für den Betrieb ergibt sich aus dem Wert, der in stillen Reserven von . . . DM zum Ausdruck kommt.
2. Die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern aus dem Anlagevermögen des Betriebsvermögens des Klägers ist nicht als Betriebsfortführung im Wege der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung oder der Verpachtung ohne Gewinnrealisierung zu beurteilen.
a) Nach dem BFH-Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S (BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124) braucht ein Gewerbetreibender die in seinem Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven nicht aufzudecken, wenn er bei einer Betriebsüberlassung oder Betriebsverpachtung der Finanzbehörde gegenüber die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich erklärt. Dabei reicht es aus, daß die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände überlassen oder verpachtet werden (BFHE 129, 325, BStBl II 1980, 181).
b) Nach den tatsächlichen und für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG liegen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Fortführung des Betriebs nicht vor, weil nicht alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs des Klägers zur Nutzung überlassen wurden. Die vom Kläger unentgeltlich übertragenen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens waren neben dem Betriebsgrundstück ebenfalls wesentliche Grundlagen des Betriebs. Bei einem Schlosserei- und Metallbaubetrieb haben Wirtschaftsgüter wie Betriebsausstattung, Werkzeuge und Geschäftswagen von ihrer Funktion her ein wesentliches Gewicht für die Betriebsführung, weil ein Unternehmen dieser Art zu seiner Führung solcher Wirtschaftsgüter bedarf. Im Streitfall wird dies auch in einem Buchwert der erwähnten Wirtschaftsgüter von mehr als 48 000 DM sichtbar.
3. Der Vorgang, bei dem aus dem Betriebsvermögen des Klägers ein Teil der Wirtschaftsgüter unentgeltlich übertragen und ein anderer Teil zur Nutzung überlassen wurden, ist als Betriebsaufgabe, für die § 16 Abs. 3 EStG gilt, zu werten.
a) Eine Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 EStG ist anzunehmen, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb eines einheitlichen Vorgangs entweder in das Privatvermögen überführt oder an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden und damit der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168). So liegt eine Betriebsaufgabe vor, wenn ein Teil der wesentlichen Grundlagen des Betriebs aus privaten Gründen verschenkt und der andere Teil der wesentlichen Betriebsgrundlagen entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlassen wird. In einem solchen Fall wird der Betrieb als Wirtschaftsorganismus aufgelöst und endet die unternehmerische Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Die Schenkung der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter bewirkt deren Überführung in das Privatvermögen, weil die Schenkung ein privater Vorgang ist, der sich nur im außerbetrieblichen Bereich vollziehen kann (BFH-Urteil vom 2. August 1983 VIII R 170/78, BFHE 139, 76, BStBl II 1983, 735). Die Überlassung zur Nutzung von Wirtschaftsgütern ist mit deren Überführung in das Privatvermögen verbunden, weil diese Wirtschaftsgüter nicht mehr als Betriebsvermögen behandelt werden können (BFH-Urteil vom 23. Juni 1977 IV R 43/73, BFHE 122, 500, BStBl II 1977, 719), wenn sie nicht die einzigen wesentlichen Grundlagen des Betriebs darstellen (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1973 I R 122/72, BFHE 111, 98, BStBl II 1974, 208).
b) Der Kläger hat Wirtschaftsgüter seines Anlagevermögens unentgeltlich übertragen und damit in sein Privatvermögen überführt, ohne daß die Übertragung mit steuerrechtlicher Wirkung rückgängig gemacht worden wäre.
aa) Übertragung eines Wirtschaftsguts liegt vor, wenn der Übergang des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums an diesem Wirtschaftsgut auf ein anderes Steuersubjekt erfolgt (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1976 IV R 210/72, BFHE 120, 239, BStBl II 1977, 145, zum Begriff der Veräußerung). Unentgeltlich ist die Übertragung, wenn sie ohne Gegenleistung wie bei einer Schenkung i. S. des § 516 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorgenommen wird. Verschenkt ein Steuerpflichtiger ein zu seinem Betriebsvermögen gehörendes Wirtschaftsgut zu privaten Zwecken, so liegt darin eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG oder, wenn dies im Rahmen einer Betriebsaufgabe geschieht, nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG eine mit dem gemeinen Wert anzusetzende Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen. Dieser Beurteilung liegt der Gedanke zugrunde, daß das Wirtschaftsgut die betriebliche Sphäre verläßt (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1977 I R 248/74, BFHE 123, 478, BStBl II 1978, 191). Der gewinnrealisierende Vorgang wird hierbei durch ein schlüssiges Verhalten dokumentiert, das entweder in der Schenkungsabrede - dem Schenkungsvertrag - oder in der Zuwendung - der Hingabe des Vermögensgegenstands - zu sehen ist.
Ob die in einer Schenkung liegende Entnahme oder - im Rahmen der Betriebsaufgabe - Überführung in das Privatvermögen durch eine Anfechtung des Schenkungsvertrags und dessen Vollzug wegen Irrtums über die steuerlichen Folgen mit steuerrechtlicher Wirkung rückgängig gemacht werden kann, blieb im BFH-Urteil vom 2. August 1983 VIII R 15/80 (BFHE 139, 79, BStBl II 1983, 736) für den Fall der Entnahme offen. Die Frage bedarf auch jetzt keiner Entscheidung, weil im Streitfall die Schenkung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt wurde. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Klägers vom 1. September 1976 an seine Kinder. Wollte der Kläger - wie aus diesem Schreiben zu entnehmen - eine Schenkung unter Auflage beseitigen, so hatte er mangels anderer Vereinbarungen nur die Rechte aus § 527 BGB, die keine Rückwirkung, sondern ein Abwicklungsverhältnis entfalten. Wollte der Kläger - wie ebenfalls aus dem vorerwähnten Schreiben zu entnehmen - die Schenkung wegen eines Irrtums über die steuerrechtlichen Folgen anfechten, so war ein solcher Irrtum als Motivirrtum unbeachtlich und blieb damit ohne die Rechtsfolgen aus den §§ 119, 142 BGB.
bb) Nach den tatsächlichen und für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen hat der Kläger Wirtschaftsgüter aus dem Anlagevermögen seines Betriebs aufgrund des Schenkungsvertrags vom 9. September 1975 den beiden bedachten Kindern mit Ablauf des Streitjahres zugewendet. In dem Schenkungsvertrag waren der Besitzübergang mit nachfolgendem Eigentumsübergang für das Ende des Streitjahres vereinbart. Nach den insoweit weder mit einer Verfahrens- noch einer Sachrüge angegriffenen Feststellungen des FG wurde auch dementsprechend zwischen den Vertragspartnern verfahren. Ob der Kläger die Schenkung angefochten und die übertragenen Wirtschaftsgüter zurückerhalten hat, ist für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich.
c) Der Kläger hat außerdem sein Betriebsgrundstück, das ebenfalls eine wesentliche Grundlage seines Betriebs war, anderen Personen zur Nutzung überlassen und damit in sein Privatvermögen überführt.
d) Alle Maßnahmen, mit denen die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens entweder verschenkt oder zur Nutzung überlassen wurden, wurden innerhalb eines Zeitraums von wenigen Monaten abgewickelt und stellen sich damit als ein einheitlicher Vorgang dar, durch den der in der Hand des Klägers bestehende wirtschaftliche Organismus eines Betriebs aufgelöst wurde.
4. Die Vorentscheidung, die in dem Vorgang Entnahmen von Wirtschaftsgütern und keine Betriebsaufgabe gesehen hat und auf dieser Rechtsüberlegung beruht, war aufzuheben.
Der Senat kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Sache geht an das FG zurück, das bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung berücksichtigen wird, daß bei einer Betriebsaufgabe die stillen Reserven aller Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens aufzudecken sind und der Betriebsaufgabegewinn mit der Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 2 EStG zu versteuern ist. In diesem Zusammenhang muß das FG auch prüfen, ob der Zeitpunkt der Betriebsaufgabe noch in das Streitjahr oder das folgende Jahr fällt.
Fundstellen
Haufe-Index 413948 |
BFH/NV 1986, 21 |