Entscheidungsstichwort (Thema)
Cembalo eines Musiklehrers als Arbeitsmittel
Leitsatz (NV)
Bei einem Musiklehrer an einer Schule setzt die Anerkennung eines Cembalos als Arbeitsmittel eingehende Feststellungen zum Umfang der privaten und beruflichen Nutzung voraus. Dagegen kann bei einem Konzertpianisten oder Klavierlehrer, bei dem die Beherrschung des Instrumentes die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz darstellt, eine intensive berufliche Nutzung ohne weiteres angenommen werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 6, § 12 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) unterrichtet als . . . (Lehrer an einer allgemeinbildenden Schule) die Fächer . . . und Musik. Außerdem erzielt er Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, für die er eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 2400 DM gemäß § 3 Nr.26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch nimmt.
Im Streitjahr machten die Eheleute wie in den Vorjahren bei den Werbungskosten aus nichtselbständiger Tätigkeit Aufwendungen für Arbeitszimmer geltend. Unter Bezug auf eine Ortsbesichtigung im Rahmen der Vorjahresveranlagung ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die auf den Kläger entfallenden anteiligen Arbeitszimmerkosten nicht zum Abzug zu. Die Aufwendungen für das im Einspruchsverfahren als Arbeitsmittel geltend gemachte Cembalo könnten nicht anerkannt werden, da es der Kläger nicht nur aus beruflichen Gründen angeschafft habe.
Das FG hat der Klage, mit der der Kläger zuletzt beantragt hatte, zusätzliche Werbungskosten in Höhe von . . . DM (. . . DM Arbeitszimmer + . . . DM Absetzung für Abnutzung - AfA - für das Cembalo bei einer Nutzungsdauer von 15 Jahren) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen, stattgegeben. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, Aufwendungen für ein Arbeitszimmer seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Werbungskosten anzuerkennen, wenn eine private Nutzung des Arbeitszimmers als Wohnraum so gut wie ausgeschlossen sei. Dies sei nach Überzeugung des FG der Fall. Auch das Cembalo sei als Arbeitsmittel anzuerkennen. Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben sei das Gericht davon überzeugt, daß der Kläger das Cembalo nahezu ausschließlich beruflich genutzt habe. Der Streitfall gebe keine Veranlassung, an der Darstellung des Klägers zu zweifeln, daß er in seinem Arbeitszimmer Tonbandaufnahmen von Cembalo-Kompositionen herstelle und im Schulunterricht vorspiele. Für eine private Mitbenutzung spreche auch nicht der Umstand, daß sich der Kläger außerhalb seiner Lehrtätigkeit musikalisch betätige, denn der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, daß er für das private Musizieren ausschließlich andere Instrumente verwende.
Gegen dieses Urteil wendet sich das FA mit der vom Senat zugelassenen Revision, mit der es Verletzung von § 9 und § 12 EStG sowie Verfahrensfehler (Verletzung der Sachaufklärungspflicht, § 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) rügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr.2 FGO).
1. Das FG ist zwar nach den in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gemachten Angaben zu der das Revisionsgericht grundsätzlich bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) tatrichterlichen Überzeugung gelangt, daß der Kläger das Cembalo nahezu ausschließlich beruflich nutzte und es sich daher um ein Arbeitsmittel i.S. des § 9 Abs. 1 Nr.6 EStG handele. Diese Würdigung des FG vermag der Senat jedoch aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht nachzuvollziehen. Zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei der Geltendmachung von Musikinstrumenten als Arbeitsmittel verweist der Senat auf sein Urteil vom 10. Oktober 1986 VI R 193/83 (BFH/NV 1987, 88 - Konzertflügel einer Klavierlehrerin -). Danach hat das FG bei einem Gegenstand, der seiner Natur nach sowohl dienstlich als auch privat genutzt werden kann, eingehende Feststellungen über den Umfang der beruflichen und privaten Nutzung zu treffen. Fehlen die maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen - wie im Streitfall zur Nutzung des Cembalos -, so handelt es sich um einen Verstoß gegen materielles Recht.
2. Im Streitfall hat das FG die nahezu ausschließlich berufliche Benutzung des Instruments damit begründet, daß der Kläger Tonbandaufzeichnungen von selbst eingespielten Kompositionen für Cembalo herstelle, um sie im Schulunterricht vorzuspielen. Es hat jedoch keine Feststellungen zum Umfang dieser beruflichen Nutzung getroffen. Hierzu bestand jedoch Anlaß. Denn tätigt ein Steuerpflichtiger mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit hohe Aufwendungen für die Anschaffung eines Gegenstandes (hier: Anschaffungskosten von . . . DM im Jahre . . . bei einem Bruttogehalt von . . . DM im Jahre . . .), der nach der Lebenserfahrung auch zu privaten Zwecken genutzt wird, so liegt die Annahme, daß private Gründe die Anschaffung mitveranlaßt haben, um so näher, je geringer der Umfang der beruflichen Nutzung ist. Bei einem derartigen Sachverhalt kann eine nahezu ausschließlich berufliche Veranlassung der Anschaffung ohne weitere Sachverhaltsaufklärung jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn sich nach dem festgestellten Sachverhalt die Annahme aufdrängt, daß eine Nutzung im Rahmen anderer Einkunftsarten oder zu privaten Zwecken erfolgt sein kann. In einem solchen Fall ist aufzuklären, ob die naheliegenden anderen Nutzungsmöglichkeiten tatsächlich wahrgenommen worden sind.
Insofern unterscheidet sich die Anschaffung eines Cembalos durch einen Musiklehrer von dem Fall, daß ein Konzertpianist oder Klavierlehrer einen Flügel oder ein Klavier erwirbt. Denn bei letzteren ist das Beherrschen des Instruments die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz, so daß eine intensive berufliche Nutzung ohne weiteres angenommen werden kann (vgl. Senatsurteile vom 21. Oktober 1988 VI R 18/86, BFHE 155, 310, BStBl II 1989, 356 und vom 10. März 1978 VI R 111/76, BFHE 125, 52, BStBl II 1978, 459). Demgegenüber ist im . . . Musikunterricht das Vorspielen und die Besprechung von Musikbeispielen der Barockmusik für Cembalo jedenfalls in der Regel nur von untergeordneter Bedeutung.
Im Streitfall drängt sich nach dem bisher festgestellten Sachverhalt eine Nutzung des Cembalos zu anderen Zwecken als im Rahmen der nichtselbständigen Tätigkeit auf. Das Cembalo kann von den Kindern des Klägers und damit auch zu privaten Zwecken genutzt worden sein. Eine Nutzung außerhalb der nichtselbständigen Tätigkeit kann auch - wie es bei Musiklehrern häufig der Fall ist - durch Erteilung von nachmittäglichem Privatunterricht erfolgt sein. Hierzu sind bisher die erforderlichen Feststellungen (vgl. dazu das BFH-Urteil in BFH/NV 1987, 88) nicht getroffen worden. Da der Kläger auch zusätzlich Einnahmen aus selbständiger Arbeit erzielt hat, für die das FA bereits eine Aufwandspauschale von 2400 DM gemäß § 3 Nr.26 EStG gewährt hat, waren auch Feststellungen darüber zu treffen, ob das Cembalo im Rahmen der selbständigen Tätigkeit des Klägers genutzt wurde. Das FG wird den Sachverhalt im zweiten Rechtsgang durch Erhebung entsprechender Beweise aufzuklären haben und sich nicht mit den Darlegungen des Klägers begnügen können (vgl. das BFH-Urteil vom 27. September 1991 VI R 1/90, BFHE 166, 61, BStBl II 1992, 195).
3. Zwischen der Frage, ob das Cembalo nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird, und der Berücksichtigung der Aufwendungen für den als Arbeitszimmer bezeichneten Raum als Werbungskosten besteht ein Zusammenhang. Sollten nach einer Aufklärung des Sachverhaltes die Voraussetzungen für die Anerkennung des Cembalos als Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.6 EStG) nicht vorliegen, so läge darin gleichzeitig ein gewichtiges Indiz dafür, daß der Raum nicht nahezu ausschließlich im Rahmen der nichtselbständigen Tätigkeit des Klägers genutzt wird.
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG bei der Anerkennung als Arbeitszimmer weiter zu berücksichtigen haben, daß die wohnliche Ausgestaltung . . . sowie die Größe des Raumes mit ca. 40 bis 45 qm gewichtige Indizien für eine Nutzung auch zu privaten Zwecken sind. Hierfür spricht auch die . . . Ausgestaltung des Cembalos . . .. Diese Indizien für eine private Nutzung müssen durch hinreichende Feststellungen über den Umfang der beruflichen Nutzung des Raumes widerlegt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 64560 |
BFH/NV 1993, 722 |