Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Bewertung der sogenannten Mindener Skalawolle in der DM-Eröffnungsbilanz.
Normenkette
DMBG § 20 Abs. 1; EStG §§ 5, 6/2
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) betreibt die Einfuhr und den Großhandel von Rohwolle. Sie hat in der RM-Schlußbilanz ihre Wollbestände mit 210 000 RM) bewertet. Sie sind von der JEIA auf Grund der sogenannten Mindener Skala (Mindener Skalawolle) erworben worden. Die Bewertung der sogenannten "Stockpile-Wollen", die einen Teil der Mindener Skalawollen bilden, ist nicht strittig. Die Stockpile-Wollen sind Bestände, für die sich die JEIA, bzw. die Verwaltung für Wirtschaft das Verfügungsrecht vorbehalten hatte, weil sie einer besonderen Verwendung dienen sollten, während die übrigen Mindener Skalawollen zur freien Verfügung des Wollhandels standen. Von dem in der RM-Schlußbilanz angesetzten Gesamtwerte der Wolle in Höhe von 210 000 RM) entfiel auf freie Mindener Skalawollen ein Betrag von 60 000 RM). Die Bgin. hat diesen Wert in der DM-Eröffnungsbilanz unter Bezug auf § 20 Abs. 1 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) um 77 000 DM) höher angesetzt. Sie hat der Höherbewertung den Wiederbeschaffungspreis vom 31. August 1948 (Weltmarktpreis) zugrunde gelegt. Das Finanzamt hat die Bewertung nicht anerkannt und den Gewinn 1948/1949 um 77 000 DM) erhöht, weil die Verkaufspreise für die am 21. Juni 1948 vorhandenen Wollvorräte noch dem Preisstopp unterlegen hätten. Es hätte auf die Anschaffungswerte nur die zugelassene Gewinnspanne von 6 1/2 % aufgeschlagen werden dürfen. Bei einer Bewertung mit den am 31. August 1948 geltenden Weltmarktpreisen würden sich Werte ergeben, bei denen von vornherein festgestanden hätte, daß sie beim Verkauf nicht hätten erzielt werden können.
Die Bgin. stellt die Verhältnisse wie folgt dar: Zu Beginn der Wollsaison 1947/1948 hätten die alliierten Stellen sich zum erstenmal bereit erklärt, der deutschen Wollindustrie größere Wollmengen zur Verfügung zu stellen, um den Firmen der Industrie und des Wollhandels eine Manövriermenge zu geben, die sie benötigten, um ihr Geschäft zu betreiben und ihre Betriebsdisposition zu treffen. Die JEIA habe daraufhin größere Wollmengen gegen Bezahlung in RM zur Verfügung gestellt, deren Einkauf im wesentlichen in den ersten Monaten des Jahres 1948 durchgeführt worden sei. Die Berechnung dieser Wollen sei unabhängig vom internationalen Wollpreis zu einem fiktiven, etwa den Wollpreisen des Jahres 1939 entsprechenden Preis erfolgt, der sich nach der von den alliierten Stellen in Minden festgesetzten Preisskala gerichtet habe. Für diese Skala habe sich der Ausdruck "Mindener Skala" eingebürgert. Die Preisberechnung nach der Mindener Skala sei am 15. Mai 1948 aufgehoben worden. Von diesem Zeitpunkt an hätten die Wollen zu internationalen Preisen auf der Basis von 3,30 RM je Dollar bezahlt werden müssen. Die Verhältnisse nach der Währungsreform seien durch die Anordnung P R Nr. 70/48 über die Preisbildung im Außenhandel vom 21. Juni 1948 (Mitteilungsblatt der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948 S. 94) und durch die Anordnung P R Nr. 71 vom 25. Juni 1948 (Mitteilungsblatt der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 91) geregelt worden. Für die Verhältnisse vor der Währungsumstellung sei die Anordnung PR Nr. 45/47 vom 3. Juni 1947 über den RM-Preis im Außenhandel (Nachrichten der Preisverwaltung 1947 S. 118) bedeutsam gewesen. Durch die Anordnung vom 25. Juni 1948 seien die Höchstpreisvorschriften für Wolle aufgehoben worden.
Der übergang von den bisherigen fiktiven Wollpreisen auf der Grundlage der Mindener Skala zur internationalen Preisbasis hätte mit einem Schlag eine beträchtliche Verteuerung sämtlicher Textilien zur Folge gehabt. Die sich infolgedessen unmittelbar nach der Währungsumstellung bereits abzeichnenden Preissteigerungen auf allen Gebieten hätten die damals maßgebenden deutschen Behördenstellen zu dringenden Appellen an die Wirtschaft veranlaßt, sich einer maßvollen Preisgestaltung zu befleißigen. In Industrie und Handel habe man die Berechtigung dieser Befürchtungen anerkannt, zumal darin von vornherein eine Gefahr für die neue Währung hätte liegen müssen, wenn es zu übersteigerten Preisentwicklungen gekommen wäre.
In dieser prekären und entsprechend den damaligen Verhältnissen in vieler Hinsicht unübersichtlichen Lage hätten Gespräche zwischen Vertretern der Wollindustrie und des Wollhandels stattgefunden. Man habe den Verhältnissen Rechnung tragen wollen. Das sei in der Sitzung des Verwaltungsrates der Wolleinfuhr-Kontor GmbH in Bremen, der sowohl die wolleinführenden Firmen wie die Industriefirmen, an die die Wollen von den Importeuren geliefert würden, angehörten, in einer Sitzung am 26. und 27. Juli 1948 in Königstein geschehen. Das Protokoll der Sitzung enthalte folgende Ausführungen:
"In der Preisfrage ist die Kommission noch zu keiner Lösung gekommen. Nach nochmaliger eingehender Diskussion des Für und Wider übernimmt es schließlich der Handel, seinen Firmen zu empfehlen, die noch in ihren Besitz befindlichen Mindener Skalawollen zum Einstandspreis in DM abzugeben. Die Industrie ihrerseits gibt die Erklärung ab, ihrerseits in den Kalkulationen keine höheren Preise als die Einstandspreise zugrunde zu legen, ferner daß sie bereit ist, die auf Grund des Umrechnungskurses teurer einstehenden Wollen zu den erhöhten Preisen abzunehmen".
Auf Grund der Sitzung in Königstein sei das Rundschreiben Nr. 18 der Arbeitsgemeinschaft des Wollhandels Bremen vom 29. Juli 1948 ergangen, in dem die Empfehlung an die Angehörigen der Arbeitsgemeinschaft weitergegeben worden sei, die Wollen, die zum Mindener Skalapreis erworben worden seien, auf der Grundlage des Mindener Skalapreises (in DM) an die Industrie abfliessen zu lassen.
Die Bgin. machte gegen die Auffassung des Finanzamts geltend: Nach § 20 Abs. 1 DMBG sei sie berechtigt, den höheren Wert in die DM-Eröffnungsbilanz einzusetzen, zumal sie die zulässige Werterhöhung nach dem Wiederbeschaffungspreis am 31. August 1948 nur zum Teil ausgenützt habe. Sie wäre berechtigt gewesen, einen Betrag von 160.000 Mark anzusetzen, d. h. einen gegenüber dem RM-Betrag der RM-Schlußbilanz um 100.000 DM höheren Betrag. Tatsächlich habe sie nur einen um 77.000 DM höheren Ansatz gewählt. Die Bgin. bestritt auch die Richtigkeit der Behauptung des Finanzamts, daß die Wollvorräte in der DM-Zeit noch einem Preisstopp unterlegen hätten. Die Preisbindungen seien durch die Anordnungen Nr. 70/48 und Nr. 71/48 der Verwaltung für Wirtschaft aufgehoben worden. Zur Widerlegung der Auffassung des Finanzamts, daß auf die am 21. Juni 1948 im Vorratsvermögen vorhandenen Wollen nur eine Gewinnspanne von 6 1/2 % hätte aufgeschlagen werden dürfen, berief sich die Bgin. auf die in einer Aktennotiz festgehaltene Auskunft des Leiters der Preisbildungsstelle Bremen, der eindeutig erklärt habe, daß für die am 21. Juni 1948 vorhanden gewesenen Wollbestände eine Preisbindung nicht vorgelegen habe. Die Höherbewertung sei auch wirtschaftlich gerechtfertigt, denn es könne einem Kaufmann nicht zugemutet werden, wenn eine Preisbindung nicht bestehe, seine Warenvorräte zu überholten Preisen abzusetzen, wenn er nicht in der Lage sei, für die erzielten Verkaufserlöse die gleiche Warenmenge anzukaufen.
Das Finanzamt führt in seiner Einspruchsentscheidung aus, es komme im wesentlichen darauf an, ob die am 1. September 1948 noch nicht verkaufte Wolle noch mit einer Belastung behaftet gewesen sei, die sich auf die erzielbaren Preise habe auswirken müssen. über den Verkauf der "Mindener Skalawollen" habe zwischen der Standesorganisation des Bremer Wollhandels und der Industrie eine Vereinbarung bestanden, wonach auch diese Wollen zum Einstandspreis in RM zuzüglich einer Handelsspanne von ca. 6 1/2 % habe verkauft werden sollen. Nach einer äußerung des Geschäftsführers der Vereinigung des Wollhandels habe diese Absprache keinen rechtsverbindlichen Charakter gehabt, es könne in ihr lediglich eine Empfehlung erblickt werden. Es sei jedoch festgestellt worden, daß diese Empfehlung von allen verantwortungsbewußten Firmen des Wollhandels befolgt worden sei. Auch die Bgin. habe die Wollen nach dem 20. Juni 1948 zum Einkaufspreis zuzüglich Handelsspanne verkauft. Es sei unbedeutsam, daß die Absprache zwischen Industrie und Handel keine rechtsverbindliche Wirkung in dem Sinne besessen habe, daß die Firmen, die gegen die Absprache verstoßen hätten, hätten belangt werden können. Es genüge, um eine den Wert der "RM-Wolle" beeinflussende Bindung anzunehmen, daß dieser Absprache alle Firmen des Wollhandels unterworfen gewesen seien, die der Vereinigung des Wollhandels angehörten, und daß fast alle Firmen tatsächlich so gehandelt hätten, als ob sie durch eine behördliche Maßnahme preisrechtlich gebunden gewesen wären. Die Bestimmung des Wiederbeschaffungspreises nach dem Weltmarktpreis für freie Wolle würde insofern zu unsinnigen Ergebnissen führen, als der Unterschied zwischen den am 21. Juni 1948 bereits bekannten Verkaufserlösen und den jeweiligen Weltmarktpreisen von vornherein als Verlust anzusprechen wäre, obwohl jede Wollpartie tatsächlich mit Gewinn verkauft worden sei.
Die Bgin. machte hiergegen geltend: Bei der vom Finanzamt behaupteten Preisbindung habe es sich lediglich um ein von der damaligen Arbeitsgemeinschaft des Wollhandels unter dem 29. Juli 1948 herausgegebenes Rundschreiben Nr. 18 gehandelt, dem nur informatorischer Charakter zuzuschreiben sei. Das Datum des Rundschreibens, der 29. Juli 1948, widerlege die Behauptung des Finanzamts, daß die Bgin. bereits am 21. Juni 1948 gewußt habe, daß sie die Wolle nicht zu Weltmarktpreisen verkaufen werde. Diese Empfehlung habe niemals eine preisrechtliche Bindung der Wollhandels- und Wollimportfirmen bedeuten oder sogar anordnen können. Es komme darauf an, ob eine individuelle Preisbindung, und zwar als rechtswirksame Verpflichtung schon am 21. Juni 1948 bestanden habe. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen.
Das Finanzamt vertrat im Berufungsverfahren die Auffassung, daß die im § 1 der Anordnung Nr. 70/48 enthaltenen Kalkulationsbestimmungen, die eine Kalkulation nach dem tatsächlichen Einkaufspreis vorschreiben, auch für ausländische Wolle gegolten hätten. Der inländische Wollmarkt sei in der ersten Zeit nach der Währungsreform und auch noch nach dem für die Bewertung in der DM-Eröffnungsbilanz maßgebenden Stichtag 31. August 1948 hauptsächlich mit der preisgebundenen Wolle beliefert worden.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete dies unter anderem wie folgt:
Zu der Frage der gesetzlichen bzw. auf dem Verordnungswege erlassenen, am Währungsstichtag etwa noch bestehenden Preisbindungen habe die Preisbildungsstelle Bremen in einem Schreiben vom 4. Mai 1951 zu einer Anfrage der Oberfinanzdirektion Bremen vom 14. April 1951 Stellung genommen. Sie sage unter Ziff. 4, das im inländischen Geschäftsverkehr vom Tage des Inkrafttretens der Anordnung Nr. 70/48 an für Wolle keine Höchst-, Fest- oder Mindestpreisvorschriften bestanden hätten. Das ergebe sich aus der Anordnung über Preisbildung und Preisüberwachung nach der Währungsreform Nr. 71/48 vom 25. Juni 1948. In dieser Anordnung finde sich in den §§ 1 - 3 ein genauer Katalog der Waren und Leistungen, für die die Höchst-, Fest- oder Mindestpreisvorschriften auch noch nach dem Tage der Währungsreform Gültigkeit behielten. Wolle sei in diesem Katalog nicht mit enthalten gewesen. Wenn in § 7 Ziff. 6 der erwähnten Anordnung niedergelegt sei, daß von den Vorschriften dieser Anordnung unberücksichtigt bleiben "die Preisvorschriften, die für eingeführte oder auszuführende Waren und Leistungen gelten", so könne nur darauf hingewiesen werden, daß für Wolle bestimmte Preisvorschriften nach der Währungsreform nicht mehr bestanden hätten. Abschließend sage die Preisbildungsstelle, daß der Wollhandel zwar grundsätzlich bei der Kalkulation seines Verkaufspreises von dem Einstandspreis auszugehen habe, er sei jedoch nicht daran gehindert, einen nachweisbar höheren Wiederbeschaffungspreis seiner Kalkulation zugrunde zu legen.
Demnach bestünde also am 21. Juni 1948 de jure noch eine gesetzliche Preisbindung auf Grund der Anordnung PR Nr. 45/47 des Verwaltungsamtes für Wirtschaft (Mitteilungsblatt der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947 S. 172). De facto sei aber die Verordnung nach dem Tage der Währungsreform, soweit sie Spinnstoffe betreffe, nicht mehr angewendet worden. Es könne also dieser de jure - Preisbindung am 21. Juni 1948 nicht mehr Bedeutung beigemessen werden als der in der Sitzung des Verwaltungsrats der Wolleinfuhr-Kontor-GmbH am 26. und 27. Juli 1948 in Königstein dem Wollhandel empfohlenen Preisgestaltung.
Eine den Wert der Wolle beeinflussende Preisbindung könne nur dann angenommen werden, wenn sie auf gesetzlichen Preisvorschriften beruhe, die zur Folge hätten, daß die Wolle wieder nur zu den gebundenen Höchstpreisen beschafft werden könne. Eine derartige Preisbindung läge jedoch nicht vor. Es handele sich nur um eine Empfehlung, die Wolle nicht zu Preisen zu verkaufen, die über dem Einstandspreis zuzüglich der Handelsspanne lägen, der kein rechtsverbindlicher Charakter zugesprochen werden könne. Tatsächlich hätten sich auch nicht alle Firmen an die Empfehlung gehalten. Eine weitere Voraussetzung wäre noch erforderlich, nämlich, daß die Preisbindung generell zu gelten gehabt habe. Das sei jedoch nicht der Fall, da das die Empfehlung enthaltende Rundschreiben nicht an alle Firmen des Wollhandels gesandt worden sei. Eine individuelle Preisbindung könne jedoch mit Rücksicht auf die Tatsache, daß § 20 Abs. 1 DMBG auf den gewöhnlichen Wiederbeschaffungswert (Neuwert) abstelle, bei dem Wertansatz nicht berücksichtigt werden.
Nach der Auffassung des Finanzgerichts käme es jedoch im streitigen Falle überhaupt nicht darauf an, ob eine Preisbindung, welcher Art immer, am 21. Juni 1948 bestanden habe. Die Bgin. kaufe die Wolle nicht im Inland ein, sondern führe sie aus dem Ausland ein. Die Wiederbeschaffungskosten, die die Bgin. gemäß § 20 Abs. 1 DMBG anzusetzen berechtigt sei, könnten nicht in den im Inland etwa gebundenen Verkaufspreisen gesehen werden. Den von dem Finanzamt geäußerten Bedenken komme die Sonderregelung des § 20 Abs. 2 DMBG entgegen.
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts macht hiergegen folgendes geltend:
Der in der Berufungsentscheidung vertretenen Auffassung, daß die Anordnung Nr. 70/48 sich nur auf die Preisgestaltung der nach dem 21. Juni 1948 eingeführten Wolle beziehe, könne nicht beigetreten werden. Nach § 13 Abs. 2 der Anordnung müsse vielmehr angenommen werden, daß sie auch auf die Einfuhren vor dem 21. Juni 1948 anzuwenden gewesen sei. Die in der Berufungsentscheidung erwähnten Einfuhren vom 9. August, 11. Mai 1948 und 23. Januar 1949 seien auch durch die JEIA vorgenommen worden. Die Abweichung gegenüber den verbilligten Inlandspreisen nach der Mindener Skala beruhe darauf, daß die Abrechnung der Einfuhr ab 15. Mai 1948 auf Dollarbasis vorgenommen worden sei.
Das Finanzamt halte an der Auffassung fest, daß die Verkaufspreise für die am 21. Juni 1948 vorhandenen Wollbestände
durch die Anordnung der Verwaltung für Wirtschaft Nr. 70/48 vom 21. Juni 1948 und
durch die Vereinbarung zwischen Wollhandel und Wollindustrie rechtlich und tatsächlich gebunden gewesen seien.
Es sei nicht daran vorbeizukommen, daß alle Wollfirmen, von wenigen Außenseitern abgesehen, die verbilligt erworbenen Wollbestände vom 21. Juni 1948 nicht zum Weltmarktpreis zuzüglich Gewinnspanne, sondern zum Einstandspreis (1 : 1), dem gebundenen Preis, zuzüglich Gewinnspanne verkauft hätten. Die Einkaufspreise der Wollhändler für die Mindener Skalawollen machten nur etwa 40 % des Gesamtpreises aus, während die restlichen 60 %, der Unterschied zwischen dem Devisenwert und dem Preis der Mindener Skala, bei der Einfuhr von der öffentlichen Hand getragen worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ergibt folgendes:
Die nach der Mindener Skala erworbenen Wollbestände sind von der Bgin. und von der großen Mehrheit der Wolle importierenden Firmen unter Beachtung der Empfehlungen des Rundschreibens Nr. 18 der Arbeitsgemeinschaft des Wollhandels weiterverkauft worden. Die Gründe, die zu diesen Empfehlungen geführt haben, liegen nicht vollkommen offen. Nach Darstellung der Bgin. waren es nicht so sehr rechtliche als wirtschaftspolitische Gesichtspunkte. Verkäufe auf der Grundlage der Wiederbeschaffungspreise des Weltmarktes hätten zu erheblichen Preissteigerungen auf dem Inlandsmarkt geführt, da diese Beträge wesentlich über dem Mindener Skalapreis gelegen hätten. Eine solche Preissteigerung sei seinerzeit nicht vertretbar gewesen. Nach Lage der Verhältnisse sei es notwendig gewesen, die Preise des Inlandes erst allmählich den Weltmarktpreisen anzupassen. Das Finanzgericht ist im Ergebnis der Auffassung, daß diesen Erwägungen der wollimportierenden Firmen bilanzmäßig keine Bedeutung zuzumessen sei. Die Maßnahmen seien nicht unter dem Zwang eines Gesetzes erfolgt.
Dieser Auffassung des Finanzgerichts kann nicht gefolgt werden. Die Werte in der Bilanz müssen unter Berücksichtigung der tatsächlich gegebenen Verhältnisse angesetzt werden. Vorgänge auf tatsächlichem Gebiet, die Gestaltung des Marktes, die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, finden ihren Ausdruck in den Werten der Anlagegüter und des Vorratsvermögens. Waren die Wollimporteure auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse, auch wenn sie nicht ihren Ausdruck in einer Rechtsnorm gefunden haben, genötigt, ihre Wollbestände am 21. Juni 1948 unter Zugrundelegung der Preise der Mindener Skala zu kalkulieren, so muß dieser Vorgang bilanzmäßig berücksichtigt werden. § 20 Abs. 1 DMBG steht dem nicht entgegen. Er geht davon aus, daß es sich um Ware handelt, bei der die Kalkulation auf der Grundlage dieser Wiederbeschaffungspreise frei erfolgen kann. Ist das nicht der Fall, ist der Kaufmann in dieser Richtung in seiner Handlungsfreiheit beschränkt, so muß das durch einen Passivposten zum Ausdruck kommen. Es ist nicht erforderlich, daß individuelle schuldrechtliche Bindungen hierfür vorliegen. Siehe hierzu auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 54/51 S vom 26. Juni 1951, Slg. Bd. 55 S. 517, Bundessteuerblatt III S. 211. Wie sich aus den Vorgängen, insbesondere aus dem Rundschreiben Nr. 18 der Arbeitsgemeinschaft des Wollhandels ergibt, ging die allgemeine Auffassung dahin, daß die von der JEIA nach der Mindener Skala erworbenen Bestände nach Lage der Verhältnisse auf der Grundlage der Anschaffungskosten, 1 RM = 1 DM, veräußert werden müßten. Diese Auffassung ist hiernach überwiegend von den Wollimporteuren wie auch von den Abnehmern der Wolle vertreten worden. Diesem Vorgang kann die wirtschaftliche Bedeutung nicht abgesprochen werden. Er muß auch in der Bilanz seinen Ausdruck finden. Selbst wenn man annimmt, daß die §§ 6 bis 34 DMBG als Sonderbestimmungen dem § 5 Abs. 1 DMBG auch dort vorgehen, wo sie zu einem über dem § 5 Abs. 1 DMBG liegenden Wert führen, ist es mit den Grundgedanken des Handelsrechts, die auch für die Auslegung des DMBG Bedeutung haben, unvereinbar, Vorratsvermögen in einer Bilanz mit Werten anzusetzen, die offensichtlich die tatsächlichen Werte, wie sie sich auf Grund der gegebenen Verhältnisse darstellen, wesentlich überschreiten. Auch ein Käufer des Unternehmens könnte an der Tatsache des Rundschreibens Nr. 18 nicht vorübergehen. Die Konkurrenz der Firmen, die der Empfehlung folgten, muß auf den Wert der Wollbestände ihren Einfluß ausüben.
Im Ergebnis ist es ohne Bedeutung, ob man die Wiederbeschaffungskosten nach § 20 Abs. 1 DMBG auf der Aktivseite ansetzt und ihnen einen entsprechenden Passivposten auf der Schuldseite der Bilanz gegenüberstellt, oder ob man den um diesen Betrag bereits gekürzten Betrag auf der Aktivseite der Bilanz ausweist.
Auch die Bestimmung des § 20 Abs. 2 DMBG, die derartige Scheinverluste bei einem Verkauf vor dem 1. September 1948 ausdrücklich ausschaltet, steht der oben dargestellten Auffassung nicht entgegen. Sie kann nicht dahin ausgelegt werden, daß Belastungen der vorliegenden Art bilanzmäßig nicht berücksichtigt werden sollen. Man wird vielmehr davon ausgehen müssen, daß diese Vorschrift den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck bringt, überbewertungen in der DM-Eröffnungsbilanz und damit Scheinverlusten in den Wirtschaftsjahren nach dem 20. Juni 1948 entgegenzuwirken.
Das Finanzamt ist der Auffassung, daß eine Anerkennung eines Verlustes bei dem Verkauf der von der JEIA nach der Mindener Skala bezogenen Wollen die Berücksichtigung eines Scheinverlustes darstellen würde. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und ihr folgend des Obersten Finanzgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs hat bei der Beantwortung der Frage, ob Gewinn realisiert oder ob ein Verlust entstanden ist, der wirtschaftlichen Betrachtung eine entscheidende Rolle zugemessen. Im einzelnen wird hierzu auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 4/52 U vom 17. Mai 1952 (Slg. Bd. 56 S. 536, Bundessteuerblatt III S. 208) verwiesen. In gleicher Weise hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs die Bedeutung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Veranlagungsverfahren in der Entscheidung IV 241/52 vom 3. Dezember 1953 (Bundessteuerblatt 1954 III S. 72) hervorgehoben.
Der Ansicht des Finanzamts wird beigepflichtet, daß, wirtschaftlich betrachtet, die Arbeitsgemeinschaft des Wollhandels bei der Empfehlung in dem Rundschreiben Nr. 18 nicht der Ansicht war, dadurch die Verkäufe der Wolle, die von der JEIA nach der Mindener Skala erworben worden waren, zu Verlustgeschäften zu machen. Es sollte lediglich ein zusätzlicher Gewinn, der in Verbindung mit der Währungsumstellung und der Beseitigung der Höchstpreisvorschriften für Wolle hätte entstehen können, auf Grund der gegebenen Verhältnisse nicht verwirklicht werden. Man wird der wirtschaftlichen Betrachtung dort, wo eine Rechtslage nicht eindeutig ist, wesentliche Bedeutung zumessen müssen. Sie führt im vorliegenden Falle nach Auffassung des Senats zur Verneinung eines Verlustes.
Die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft des Wollhandels ist wohl erst unter dem 29. Juli 1948 ergangen. Man wird in ihr aber einen Ausdruck der bereits am 21. Juni 1948 gegebenen Lage sehen müssen, zumal bei den Maßnahmen der Wolleinfuhr-Kontor-GmbH wohl auch die Unklarheit über die rechtliche und rechtspolitische Lage eine Rolle gespielt haben dürfte.
Unter Würdigung dieser Gesichtspunkte pflichtet der Senat im Ergebnis der Auffassung des Finanzamts bei. Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407991 |
BStBl III 1954, 310 |
BFHE 1955, 252 |
BFHE 59, 252 |
DB 1954, 877 |