Leitsatz (amtlich)
Ein an den Testamentsvollstrecker adressierter, für Schenkungsteuerschulden des Erblassers erlassener Schenkungsteuerbescheid mit dem Zusatz "als Testamentsvollstrecker und Zustellungsvertreter der Erben nach ..." ist inhaltlich unbestimmt, weil er nicht erkennen läßt, ob durch den Steuerbescheid zulässigerweise (§ 45 AO 1977, § 2213 BGB) gegenüber dem Testamentsvollstrecker eine Steuerschuld des Erblassers geltend gemacht und gleichzeitig dem Testamentsvollstrecker der an die Erben gerichtete Bescheid bekanntgegeben werden sollte oder ob ihm der Bescheid lediglich als Zustellungsbevollmächtigter der Erben bekanntgegeben werden sollte.
Normenkette
AO 1977 § 119 Abs. 1, § 45 Abs. 2, § 265; ErbStG 1974 § 32 Abs. 1; BGB § 2213; ZPO § 748 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Testamentsvollstrecker über den Nachlaß des 1974 verstorbenen Kaufmanns X, der Alleinerbe seiner 1973 verstorbenen Mutter, Frau Y, gewesen war. Am 9.Februar 1979 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) einen Schenkungsteuerbescheid. Der Bescheid war gerichtet an den Kläger "als Testamentsvollstrecker und Zustellungsvertreter für die Erben nach Herrn X". Gegenstand des Bescheides waren Schenkungen der Frau Y an ihren Sohn X.
Mit Einspruch und Klage des Klägers gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 9.Februar 1979 machte er geltend, die Schenkungsteuerforderung sei verjährt.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 144 Abs.1 AO und 146a Abs.1 AO und beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des FG den Schenkungsteuerbescheid vom 9.Februar 1979 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat aus anderen als den geltend gemachten Gründen Erfolg.
Der angefochtene Steuerbescheid entspricht nicht den Erfordernissen des § 119 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977). Danach muß ein Verwaltungsakt inhaltlich bestimmt sein. Zum Inhalt eines Verwaltungsakts gehört, daß aus ihm eindeutig erkennbar ist, gegen wen sich der Verwaltungsakt richtet, bei Steuerbescheiden, von wem die festgesetzte Steuer geschuldet wird. Diesen Voraussetzungen genügt der Schenkungsteuerbescheid vom 9.Februar 1979 nicht.
Aus der Adressierung des Steuerbescheides ist nicht eindeutig erkennbar, ob der Steuerbescheid an die Erben gerichtet ist und dem Kläger lediglich in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker und deshalb Zustellungsbevollmächtigter (§ 32 des Erbschaftsteuergesetzes --ErbStG--) bekanntgegeben werden sollte oder ob sich der Steuerbescheid sowohl an den Testamentsvollstrecker selbst als auch an ihn als --in dieser Eigenschaft-- Zustellungsvertreter der Erben richten sollte.
Gegenstand des Schenkungsteuerbescheides sind zwei Schenkungen von Frau Y an ihren Sohn X. Dieser ist 1974 verstorben mit der Folge, daß die Steuerschulden aus dem vor dem Tod des X begründeten Steuerschuldverhältnis auf die Erben übergingen (§ 45 AO 1977 und § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Die Erben haben gemäß § 45 Abs.2 AO 1977 für die in der Person des Erblassers entstandenen Steuerschulden nach bürgerlichem Recht einzustehen. Dabei schuldet bei mehreren Erben jeder die ganze Leistung; es steht dem FA frei, an welchen Gesamtschuldner es sich halten will (§ 44 Abs.1 AO 1977).
Nach den Feststellungen des FG bestand hinsichtlich des Nachlasses des verstorbenen Steuerschuldners X Testamentsvollstreckung; der Kläger war als Testamentsvollstrecker eingesetzt.
Da der Steuerbescheid an den Kläger mit dem Zusatz "als Testamentsvollstrecker und Zustellungsvertreter für die Erben nach Herrn X" gerichtet war, läßt der Hinweis auf die Rechtsstellung des Klägers als Testamentsvollstrecker und Zustellungsvertreter einerseits die Deutung zu, er habe dem Kläger lediglich mit Wirkung für die Erben bekanntgegeben werden sollen. Für diese Auslegung spricht insbesondere § 32 Abs.1 ErbStG, der abweichend von § 122 Abs.1 AO 1977 eine Bekanntgabe des Steuerbescheides an den Testamentsvollstrecker anordnet und der Umstand, daß die Erben selbst den Kläger nicht als Zustellungsvertreter benannt haben. § 32 Abs.1 Satz 1 ErbStG betrifft allerdings nur die Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheides über den Nachlaß, zu dessen Verwaltung der Testamentsvollstrecker bestellt worden ist, nicht dagegen die Bekanntgabe von Steuerbescheiden für Steuerschulden, die in der Person des Erblassers bereits entstanden sind.
Darüber hinaus wäre ein an "die Erben" unter Zusatz des Namens des Erblassers gerichteter Bescheid ohne namentliche Bezeichnung des oder der Gesamtrechtsnachfolger bereits inhaltlich unbestimmt und deshalb unwirksam, weil er nicht erkennen ließe, gegen wen er gerichtet ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24.März 1970 I R 141/69, BFHE 98, 531, BStBl II 1970, 501; Beschluß vom 29.März 1972 II S 12/71, BFHE 105, 98, BStBl II 1972, 502; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 45 AO 1977 Anm.9; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15.Aufl., 1987, § 122 AO 1977 Anm.2 a; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3.Aufl., 1986, § 45 Anm.3).
Andererseits ist nicht ausgeschlossen, daß das FA den Steuerbescheid sowohl an den Testamentsvollstrecker selbst als Verfügungsberechtigten über den Nachlaß richten wollte und daneben zusätzlich ihm der Bescheid als Zustellungsvertreter der Erben bekanntgegeben sein sollte; denn grundsätzlich können, wenn und soweit Testamentsvollstreckung angeordnet ist, Nachlaßverbindlichkeiten und damit auch Steuerschulden, die in der Person des Erblassers entstanden sind, gegen den Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden, wenn dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des gesamten Nachlasses zusteht (§ 2213 Abs.1 BGB).
§ 45 Abs.2 AO 1977 verweist für die aus dem Nachlaß zu entrichtenden abgabenrechtlichen Schulden auf die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften. Nach § 2213 BGB können Ansprüche, die sich gegen den Nachlaß richten, wenn und solange der Testamentsvollstrecker den ganzen Nachlaß verwaltet, sowohl gegen den Erben als auch gegen den Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden. § 2213 BGB betrifft dabei alle Nachlaßverbindlichkeiten und die Passivlegitimation für alle Verfahren, gleich welcher Verfahrensart oder welcher Gerichtsbarkeit (für viele Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 2213 Anm.2). Der in § 2213 BGB geregelten Passivlegitimation des Testamentsvollstreckers entspricht die Regelung des § 748 der Zivilprozeßordnung (ZPO), wonach zur Zwangsvollstreckung in den Nachlaß ein gegen den Testamentsvollstrecker ergangenes Urteil erforderlich ist und genügt; sie setzt daher nicht voraus, daß der Gläubiger auch einen Titel gegen den oder die Erben, die selbst persönliche Schuldner der Nachlaßverbindlichkeiten bleiben, erlangt hat. Für Steuerschulden, die in der Person des Erblassers entstanden sind, gilt insoweit nichts anderes; sie können --auch-- durch einen an den Testamentsvollstrecker gerichteten Steuerbescheid geltend gemacht werden. Dem stehen steuerliche Besonderheiten nicht entgegen, vielmehr verweist § 265 AO 1977 für die Vollstreckung gegen Erben u.a. ausdrücklich auf die entsprechende Anwendung des § 748 ZPO und setzt danach voraus, daß für die Zwangsvollstreckung in den Nachlaß ein gegen den Testamentsvollstrecker selbst gerichteter vollstreckbarer Verwaltungsakt ergangen ist, der entweder auf Leistung (§ 748 Abs.1 ZPO) gerichtet und deshalb in diesem Fall nur ein Steuerbescheid sein kann, oder auf Duldung der Zwangsvollstreckung (§ 748 Abs.3 ZPO) gerichtet sein kann (ebenso Tipke/Kruse, a.a.O., § 45 AO 1977 Anm.9). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 7.Oktober 1970 I R 145/68, BFHE 100, 346, BStBl II 1971, 119; vom 20.Oktober 1970 II 167/64, BFHE 100, 56, BStBl II 1970, 826; vom 16.Februar 1977 I R 53/74, BFHE 121, 302, BStBl II 1977, 481, ausdrücklich offengelassen im Urteil vom 15.Februar 1978 I R 36/77, BFHE 125, 112, BStBl II 1978, 491). Denn einmal ist sie zur Geltung der Reichsabgabenordnung ergangen, die eine § 265 AO 1977 entsprechende Regelung nicht kannte; im übrigen war in keinem der Urteile die Frage der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides entscheidungserheblich, durch den eine in der Person des Erblassers entstandene Steuerschuld gegenüber dem Testamentsvollstrecker als Verfügungsberechtigter über den Nachlaß geltend gemacht wurde.
Der nicht eindeutige Bescheid war unter diesen Umständen aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 61858 |
BStBl II 1988, 120 |
BFHE 151, 460 |
BFHE 1988, 460 |
WPg 1988, 210-210 |
StRK, R. 15 (LT1) |
NJW 1989, 936 |
NJW 1989, 936 (LT) |
DVRdsch 1988, 104 (L1) |