Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit und Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung gegen Ehegatten
Leitsatz (NV)
1. Prüfungsanordnungen gegen Ehegatten können grundsätzlich in einer Verfügung zusammengefaßt werden (ständige Rechtsprechung des BFH).
2. Der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts ist über den bloßen Wortlaut hinaus im Wege der Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist entscheidend, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte.
3. Die Bezeichnung der Ehefrau mit dem Vornamen ihres Ehemannes und dem Zusatz ,,Herrn und Frau" genügt dem Bestimmtheitserfordernis.
4. Eine gegenseitige Bevollmächtigung zur Empfangnahme der Prüfungsanordnung ist auch anzunehmen, wenn nicht sämtliche ESt-Erklärungen des Prüfungszeitraums von beiden Ehegatten unterzeichnet wurden.
5. Bei einer Routineprüfung reicht der Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO 1977 als Begründung aus.
Normenkette
AO 1977 § 119 Abs. 1, § 193 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 196; BGB § 133
Verfahrensgang
Tatbestand
Die verheiratete Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt einen im Jahre 1974 unter ihrem Namen angemeldeten Getränkehandel, in dem in den Streitjahren (1977 bis 1979) ihr Ehemann als Arbeitnehmer beschäftigt war. In den gemeinsamen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre, die mit Ausnahme der lediglich mit der Unterschrift der Klägerin versehenen Steuererklärung 1977 von beiden Ehegatten unterzeichnet waren, erklärte nur die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb, ihr Ehemann gab dagegen ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an. In den Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen wurde ebenfalls nur die Klägerin als Unternehmerin bezeichnet.
Mit Verfügung vom 25. August 1981, die an ,,Herrn und Frau Wilhelm B" gerichtet war und den Ehegatten in einer Ausfertigung ohne Rechtsbehelfsbelehrung bekanntgegeben wurde, ordnete das zum damaligen Zeitpunkt zuständige Finanzamt (FA) A aufgrund der §§ 193 Abs. 1 und 193 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Außenprüfung für die Streitjahre an, die die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer sowie den Einheitswert des Betriebsvermögens umfassen sollte.
Die Prüfung fand im November 1981 statt und erstreckte sich nur auf den Gewerbebetrieb der Klägerin. Nach Erlaß der auf den Feststellungen der Außenprüfung beruhenden geänderten Steuerbescheide, die noch nicht bestandskräftig sind, legten die Klägerin und ihr Ehemann am 22. Januar 1982 Beschwerde gegen die Prüfungsanordnung ein. Das FA hob daraufhin die Prüfungsanordnung auf, soweit sie sich gegen den Ehemann richtete. Die Beschwerde der Klägerin, mit der u. a. die fehlende Darlegung des Auswahlermessens gerügt wurde, wies die Oberfinanzdirektion (OFD) als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung begehrt wurde, statt und erklärte die Prüfungsanordnung mangels hinreichender Bestimmtheit für nichtig. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 534 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter), der während des Klageverfahrens aufgrund eines Organisationsakts an die Stelle des FA A getreten ist, Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die gegen die Klägerin ergangene Prüfungsanordnung ist inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO 1977).
a) Will die Finanzbehörde bei Eheleuten eine Außenprüfung durchführen, so muß gegen jeden Ehegatten, der auch im Falle der Zusammenveranlagung eigenständiger Steuerschuldner (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Mai 1985 VI R 204/82, BFHE 144, 121, BStBl II 1985, 583) und damit selbständiges Prüfungssubjekt bleibt, eine Prüfungsanordnung ergehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann die Finanzbehörde Prüfungsanordnungen gegen Ehegatten allerdings grundsätzlich in einer Verfügung zusammenfassen (vgl. BFH-Urteile vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208, und vom 13. März 1987 III R 236/83, BFHE 149, 399, BStBl II 1987, 664; vgl. auch Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 196 AO Rdnr. 38). Derartige zusammengefaßte Prüfungsanordnungen sind inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn für die Empfänger klar erkennbar ist, daß und in welchem Umfang sie sich an mehrere Personen richten. Die angefochtene Prüfungsanordnung genügt diesen Anforderungen.
b) Der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts ist über den bloßen Wortlaut hinaus im Wege der Auslegung zu ermitteln, wobei § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch eine für öffentlich-rechtliche Willensbekundungen geltende Auslegungsregel darstellt (BFH-Urteil vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23). Es kommt deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen mußte; entscheidend ist vielmehr, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärungen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Beschluß vom 25. August 1981 VII B 3/81, BFHE 134, 97, BStBl II 1982, 34).
Das FG hat diese Auslegungsregeln verkannt. Ein derartiger Verstoß gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze unterliegt nach ständiger Rechtsprechung der revisionsgerichtlichen Prüfung (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zum vergleichbaren Fall der Vertragsauslegung). Das Revisionsgericht kann darüber hinaus die fehlerhafte Auslegung selbst korrigieren, falls das FG, wie im Streitfall, die dazu notwendigen Feststellungen getroffen hat.
c) Das FG hat die Unbestimmtheit der Prüfungsanordnung daraus geschlossen, daß sie sich nach ihrem erkennbaren Inhalt sowohl gegen den jeweiligen Ehegatten wie auch gegen eine zwischen beiden Ehegatten bestehende Gesellschaft gerichtet haben konnte. Die Annahme einer gegen eine Gesellschaft gerichteten Prüfungsanordnung verbietet sich jedoch sowohl nach dem objektiven Inhalt der Erklärung wie auch nach deren Verständnis aus der Sicht der Empfänger.
aa) Ebenso wie in dem BFH-Urteil vom 29. August 1985 IV R 154/84 (BFH/NV 1987, 7), mit dem ein auf derselben Begründung beruhendes Urteil des FG aufgehoben worden ist, ergibt sich auch im Streitfall für eine bei einer Gesellschaft angeordnete Prüfung bereits nach der objektiven Bedeutung der Erklärung kein Anhaltspunkt.
Das FA hat die Prüfung der einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünfte einer derartigen Gesellschaft gerade nicht angeordnet. Bei einer derartigen Prüfung wäre auch für die gleichzeitig ergangene Anordnung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 kein Raum gewesen; die Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse der Ehegatten als Gesellschafter hätte in diesem Fall vielmehr auf § 194 Abs 2 AO 1977 gestützt werden müssen.
Verweist eine an Ehegatten adressierte Prüfungsanordnung, von denen lediglich einer Gewinneinkünfte erzielt, sowohl auf § 193 Abs. 1 AO 1977 als auch auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977, so kann die erstgenannte Rechtsgrundlage nach der objektiven Erklärungsbedeutung lediglich den Unternehmerehegatten betreffen, bei dem im Rahmen dieser Prüfung auch alle für die Besteuerung wesentlichen außerbetrieblichen Umstände mitgeprüft werden dürfen (vgl. BFH-Urteil vom 1. August 1984 I R 138/80, BFHE 142, 198, BStBl II 1985, 350), so daß sich die Anordnung der Außenprüfung zur Aufklärung der für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 nur gegen den Nichtunternehmerehegatten richten kann, ohne daß es hierzu einer klarstellenden Erläuterung bedarf.
bb) Gegen die vom FG für möglich gehaltene Gesellschaftsprüfung spricht auch, wie die Anordnung von der Klägerin und ihrem Ehemann verstanden werden mußte und tatsächlich auch verstanden worden ist.
Der Anordnung der Außenprüfung lagen die von der Klägerin eingereichten Steuererklärungen zugrunde, in denen sich diese jeweils als Inhaberin eines Einzelunternehmens bezeichnet hatte. Die angeordnete Prüfung konnte sich daher, soweit sie die Prüfung eines gewerblichen Unternehmens zum Gegenstand hatte, nur auf dieses Einzelunternehmen beziehen. Hiervon ist auch die Klägerin erkennbar ausgegangen. Das FG hat selbst festgestellt, daß deren steuerlicher Berater ausdrücklich um Verlegung der ,,bei der Klägerin angeordneten" Außenprüfung gebeten hat. Auch im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Betriebsprüfungsanordnung ist von den Beteiligten die Möglichkeit einer vom FA beabsichtigten Prüfung einer zwischen den Ehegatten bestehenden Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt auch nur angedeutet worden.
d) Gegen die hinreichende Bestimmtheit der Prüfungsanordnung spricht entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht, daß sie lediglich mit dem Vornamen ihres Ehemannes bezeichnet worden ist. Diese mit dem Zusatz ,,Herrn und Frau" verbundene Adressierung entspricht den Gepflogenheiten des Verkehrs und genügt nach der Rechtsprechung des BFH dem Bestimmtheitserfordernis (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1985 VIII R 225/83, BFHE 143, 491, BStBl II 1985, 603 mit weiteren Nachweisen).
2. Die Prüfungsanordnungen sind den Eheleuten auch wirksam bekanntgegeben worden. Für die Wirksamkeit der Bekanntgabe ist es nicht erforderlich, daß jedem der Ehegatten je eine Ausfertigung der Verwaltungsakte übersandt wird, wenn jeder Ehegatte Empfangsvollmacht für den anderen Ehegatten hat. Eine solche gegenseitige Bevollmächtigung, die sich auch auf den Empfang einer Prüfungsanordnung erstreckt, wird nach ständiger Rechtsprechung in der gemeinsamen Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung gesehen (BFH-Urteil in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208 mit Rechtsprechungsnachweisen unter 1a). Sie liegt auch im Streitfall vor, obwohl die Einkommensteuererklärung 1977 nicht von beiden Ehegatten unterzeichnet wurde. Der Senat kann hierbei offenlassen, ob das Fehlen einer gemeinsamen Steuererklärung für 1977 nicht schon deshalb unbeachtlich ist, weil sich die gegenseitige Bevollmächtigung aus der letzten, vor Anordnung der Außenprüfung eingereichten Steuererklärung ergibt. Denn selbst wenn man die stillschweigende Bevollmächtigung auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum beschränken wollte, für den gemeinsame Steuererklärungen abgegeben worden sind, würde sich die für die Jahre 1978 und 1979 bestehende Empfangsvollmacht auf die Entgegennahme der angefochtenen Prüfungsanordnung erstrecken, da es sich um eine einheitliche, den gesamten Prüfungszeitraum umfassende Verfügung handelt, die nicht einzelnen Streitjahren zugeordnet werden kann.
3. Die angefochtene Prüfungsanordnung ist auch im übrigen rechtmäßig. Die Klägerin, die nach Abschluß der Außenprüfung zulässigerweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO begehrt hat (vgl. BFH-Beschluß vom 24. Juni 1982 IV B 3/82, BFHE 136, 192, BStBl II 1982, 659, und Urteil vom 27. Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285), hat im Klageverfahren lediglich die fehlende Darlegung des Auswahlermessens gerügt. Der angefochtene Bescheid leidet jedoch an keinem Begründungsmangel. Denn das FA hat bei der Klägerin eine Routineprüfung angeordnet, bei der nach nunmehr ständiger Rechtsprechung als Begründung der Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO 1977 genügt (vgl. Senatsurteil in BFHE 149, 399, BStBl II 1987, 664 mit Rechtsprechungsnachweisen). Ihre weiteren Einwendungen, die im wesentlichen auf der Rechtsprechung des FG Rheinland-Pfalz (Urteile in EFG 1980, 189; 1981, 5 und 546) beruhten, und durch die zwischenzeitliche höchstrichterliche Rechtsprechung ebenfalls weitgehend gegenstandslos geworden sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1987 I R 238/83, BFHE 152, 32, BStBl II 1988, 233), hat sie bereits im Klageverfahren fallengelassen.
Fundstellen
Haufe-Index 416029 |
BFH/NV 1989, 749 |