Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Bekleidung
Leitsatz (amtlich)
Zur zolltarifrechtlichen Abgrenzung von Oberbekleidung und Arbeitskleidung ("Kittel").
Normenkette
GZT Tarifnr 61.02 Tarifst B-2-a; GZT Tarifnr 61-02 Tarifst B-2-e-4-ee
Tatbestand
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten (Oberfinanzdirektion ―OFD―) eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) für eine Ware aus Baumwolle, die sie als "Kittel Artikel 70148" bezeichnete und die aus Macau eingeführt werden soll. Als Verwendungszweck gab die Klägerin "Bekleidung für Haus und Beruf" an. In der vZTA Nr.618/1982 vom 10.September 1982 wies die OFD die Ware der Tarifst. 61.02 B II e 4 ee des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu.
In der Begründung der vZTA führt die OFD u.a. aus, Arbeitskleidung liege nicht vor, da der Schnitt nicht einfach sei und nicht erkennen lasse, daß das Kleid ausschließlich oder im wesentlichen zum Tragen bei einer hauswirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sei.
Ihren Einspruch gegen die vZTA stützte die Klägerin auf eine gutachtliche Stellungnahme des Instituts in X und auf ein Gutachten des Forschungsinstituts Y, in denen die Auffassungen vertreten werden, die Ware sei ein Kittel bzw. ein Kittel der Haus- und Berufskleidung.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In den Gründen der Einspruchsentscheidung führt die OFD u.a. aus, auch der Zolltarifausschuß bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (EG) sei inzwischen zu dem Ergebnis gelangt, es handle sich bei der Ware nicht um Arbeits- oder Berufskleidung (Kittel) i.S. der Tarifst. 61.02 B II a 1 GZT, da dem Kleidungsstück Merkmale fehlten, die erkennen ließen, daß es ausschließlich oder im wesentlichen dazu bestimmt sei, bei der Ausübung einer hauswirtschaftlichenTätigkeit getragen zu werden. Die von der Klägerin vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen inländischer Institute könnten bei der Tarifierung nicht berücksichtigt werden, da sie auf nationale Belange abstellten. Im vorliegenden Fall sei von den Traggewohnheiten im gesamten Gebiet der EG auszugehen.
Ihre Klage gegen die vZTA begründete die Klägerin im wesentlichen wie folgt: Die Form des Zuschnitts der Ware lasse bereits erkennen, daß es sich um eine einfache Überbekleidung handle. Die Nähte würden in einem Nähverfahren einfacher Art geschlossen. Das Kleidungsstück sei ärmellos und ungefüttert; während Kittel stets ungefüttert hergestellt würden, sei das bei Kleidern regelmäßig nicht der Fall. Anders als ein Kleid habe das streitbefangene Kleidungsstück einen Rückenriegel. Es habe abweichend von den Ausführungen in der vZTA auch aufgesetzte und nicht eingesetzte Taschen. Die in der Einspruchsentscheidung genannten Verzierungen seien von untergeordneter Bedeutung. Wenn sich aus dem Schnitt eines Bekleidungsstücks überhaupt erkennen lasse, daß es ausschließlich oder im wesentlichen dazu bestimmt sei, u.a. bei der Ausübung einer hauswirtschaftlichen Tätigkeit getragen zu werden, dann sei das bei dem streitbefangenen Kleidungsstück der Fall, da Form des Zuschnitts und Art der Verarbeitung erkennbar einfach seien. Diese Verwendung werde auch aus der Art des Verschlusses (Knopfleiste) und den üblichen Größen erkennbar, die im Zuschnitt deutlich auf ein Tragen über der üblichen Bekleidung hinwiesen.
Die Klägerin beantragt, die vZTA und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Ware der Tarifst. 61.02 B II a 1 GZT zuzuordnen.
Die OFD beantragt, die Klage als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hat eine Stellungnahme des Europäischen Verbandes der Bekleidungs-Industrie vorgelegt, in der ausgeführt wird, aufgrund der "fantasievollen Ausführung im Schnitt, Druck und Farbe" sei zu erkennen, daß das Kleidungsstück bei jeder Gelegenheit, auch als "Straßenkleidung", getragen werde; das Kleidungsstück bestehe aus einem leichten farbigen Gewebe, das nicht kochfest sei; nichts deute darauf hin, daß es schrumpffest sei. Das Kleidungsstück biete auch keinen vollständigen Schutz, da es "allein und nicht über anderer Kleidung getragen" werde. Die Ware sei der Tarifst. 61.02 B II e GZT zuzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die OFD hat die Ware zutreffend der Tarifst. 61.02 B II e 4 ee GZT (Kleider für Frauen aus Baumwolle) zugewiesen. Der Senat teilt die Auffassung der OFD, daß die Ware nicht der Tarifst. 61.02 B II a GZT (Schürzen, Kittel und andere Arbeits-und Berufskleidung für Frauen) zuzuweisen ist.
1. Der Regelung im GZT ist zu entnehmen, daß dieser Tarifstelle nur Waren zuzuweisen sind, deren Zugehörigkeit zu den Schürzen, Kitteln oder zu der anderen Arbeits- und Berufskleidung im Sinne der Tarifstelle eindeutig erkennbar ist und daß Zweifel im Bereich der tatsächlichen Feststellungen, die gegen die Zugehörigkeit einer Ware zu den in der Tarifstelle genannten Erzeugnissen sprechen, einer Zuordnung der Ware zur Tarifst. 61.02 B II a GZT grundsätzlich entgegenstehen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung im Zolltarif (ZT), die für die Zuordnung einer Ware zu der Tarifst. 61.02 B II a GZT maßgebend ist, und außerdem aus dem Regelungszusammenhang, zu dem diese Tarifstelle gehört. Schon der Wortlaut "Schürzen, Kittel und andere Arbeits- und Berufskleidung" unter dem Oberbegriff "Oberbekleidung für Frauen, Mädchen und Kleinkinder … andere" der Tarifst. 61.02 B GZT spricht dafür, daß der Tarifst. 61.02 B II a GZT nur Erzeugnisse der in dieser Regelung genau bestimmten Art zugeordnet werden dürfen.
Dem entspricht der Regelungszusammenhang, in dem diese Tarifstelle steht. Dieser läßt erkennen, daß Waren, die der Bestimmung der Erzeugnisse in der Tarifst. 61.02 B II a GZT nicht entsprechen, nur den übrigen Stellen der Tarifnr. 61.02 GZT zugeordnet werden können. Dabei ist der für die Zuordnung zur Tarifst. 61.02 B II e GZT maßgebenden Regelung zu entnehmen, daß Waren, die nicht zu den in den Tarifst. 61.02 A und B II a bis d GZT näher bestimmten Erzeugnissen gehören, der Tarifst. 61.02 B II e GZT zuzuordnen sind. Dieser Tarifstelle kommt damit die Bedeutung zu, daß von ihr alle zur Oberbekleidung für Frauen, Mädchen und Kleinkinder gehörenden Waren erfaßt werden, die nicht zu den in den vorhergehenden Stellen der Tarifnr. 61.02 GZT näher bestimmten Erzeugnissen gehören.
2. Der Sachverhalt rechtfertigt im Streitfall zumindest nicht die Schlußfolgerung, daß die Zugehörigkeit der streitbefangenen Ware zu den Kitteln i.S. der Tarifst. 61.01 B II a GZT eindeutig und zweifelsfrei erkennbar ist. Eine Zugehörigkeit zu den übrigen in dieser Tarifstelle bezeichneten Erzeugnissen kommt ebenfalls nicht in Betracht.
a) Zwar hat die Klägerin Gesichtspunkte aufgezeigt und durch die von ihr vorgelegten Gutachten als zutreffend bekräftigt, die für eine Zugehörigkeit der streitbefangenen Ware zu den Kitteln im tariflichen Sinne sprechen. Aus diesen Darlegungen ist vor allem zu entnehmen, daß das Material, aus dem die Ware hergestellt ist, grobfädig und strapazierfähig ist, daß die Ware "steht" und nicht "fließend fällt", daß Modell und Konstruktion der Ware "typische Kittelmerkmale" aufweisen und daß die Verarbeitung nicht derjenigen entspricht, die Kleider ―üblicherweise― aufweisen, daß die Ware also "kittel-typisch" und nicht wie Kleider aufgemacht ist.
Der Schlußfolgerung, die Ware gehöre zu den Kitteln im tariflichen Sinne, stehen aber vor allem die Darlegungen des Europäischen Verbandes der Bekleidungs-Industrie entgegen. Nach diesen Ausführungen eignet sich die streitbefangene Ware aufgrund der "Ausführung im Schnitt, Druck und Farbe" zur Benutzung als "Straßenkleid". Gegen die Zuordnung der Ware zu den Kitteln im tariflichen Sinne sprechen nach diesen Darlegungen auch Unzulänglichkeiten in der Schutzfunktion, fehlende Kochfestigkeit und nicht feststellbare Schrumpffestigkeit des Gewebes.
Sollte die Klägerin mit ihrem Vorbringen, aus der Stellungnahme der OFD im Klageverfahren ergebe sich nicht zweifelsfrei, ob allen mit der Tarifierung befaßten Stellen tatsächlich die streitbefangene Ware vorgelegen habe, in Frage stellen wollen, daß die Ware Gegenstand der Begutachtung durch den Europäischen Verband der Bekleidungs-Industrie gewesen ist, so erscheint dem erkennenden Senat dieser Einwand nicht begründet.
b) Nach dem festgestellten Sachverhalt ist zumindest nicht auszuschließen, daß die streitbefangene Ware sich wegen ihrer Beschaffenheit auch zur Benutzung als "Straßenkleid" eignet. Bei der Beurteilung dieser Frage sind auch die ―derzeitigen― Gewohnheiten beim Tragen von Straßenkleidung für Frauen im Bereich der EG zu berücksichtigen. Das ist bei der Fertigung des Gutachtens des Europäischen Verbandes der Bekleidungs-Industrie offenbar geschehen. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß Ähnlichkeiten einer zur Oberbekleidung für Frauen gehörenden Ware mit Kitteln schon deshalb nicht ohne weiteres als ausreichend angesehen werden können, die Ware als Kittel im tariflichen Sinne anzusehen, weil solche Ähnlichkeiten erfahrungsgemäß nicht ungewöhnlich sind. Der vorliegende Sachverhalt rechtfertigt jedenfalls das Ergebnis, daß die Zugehörigkeit der streitbefangenen Ware zu den Kitteln im tariflichen Sinne zumindest nicht eindeutig und zweifelsfrei erkennbarist.
3. Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art.177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist nicht erforderlich. Der Streitfall wirft in erster Linie Fragen der Anwendung des GZT auf die zu tarifierenden Waren auf. Soweit sich Fragen der Auslegung des GZT stellen, ist ihre Beurteilung derart offenkundig, daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung bleibt. Der erkennende Senat ist daher zur Vorlage nicht verpflichtet (vgl. Urteil des EuGH vom 6.Oktober 1982 Rs.283/81, EuGHE 1982, 3415).
Fundstellen
Haufe-Index 603651 |
BFHE 142, 194 |
BFHE 1985, 194 |
HFR 1985, 82 |