Leitsatz (amtlich)
Zinsen für einen Kredit zur Anschaffung eines privaten Pkw können ab dem Veranlagungszeitraum 1974 auch insoweit steuerlich nicht berücksichtigt werden, als der Arbeitnehmer Fahrkosten auf Dienstreisen mit den Pauschbeträgen der Lohnsteuer-Richtlinien geltend macht (Ergänzung des BFH-Urteils vom 30. November 1979 VI R 83/77).
Normenkette
LStR 1972 Abschn. 21 Abs. 7 S. 2, Abs. 12 S. 3; EStG 1974 §§ 4, 6, 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Arbeitnehmer. Er machte bei der Einkommensteuerveranlagung 1974 Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Pkw in Höhe von 180 DM (142 Tage x 3 km x Pauschsatz von 0,36 DM je Entfernungskilometer) und Fahrtkosten für dienstlich gefahrene Kilometer in Höhe von 4 403,52 DM (13 761 km x Pauschsatz von 0,32 DM je gefahrenem km) abzüglich Erstattungen des Arbeitgebers als Werbungskosten geltend. Außerdem begehrte er die Berücksichtigung von Schuldzinsen von 742 DM für die Anschaffung seines Kraftfahrzeuges als Werbungskosten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die Schuldzinsen nicht als Werbungskosten an. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte u. a. aus:
Es könne dahingestellt bleiben, ob der Personenwagen für den Kläger ein Arbeitsmittel i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei und die Zinsen für die Anschaffung des Wagens aus diesem Grunde Werbungskosten seien. Die Zinsen könnten als Werbungskosten jedenfalls deshalb nicht abgesetzt werden, weil sie nicht neben den vom Kläger in Anspruch genommenen Pauschbeträgen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für Dienstreisen berücksichtigt werden könnten. Neben den Pauschbeträgen könnten nur außergewöhnliche und nicht vorhersehbare Aufwendungen, wie etwa Unfallkosten, als Werbungskosten abgezogen werden. Die vom Kläger geltend gemachten Schuldzinsen seien keine außergewöhnlichen und nicht vorhersehbaren Ausgaben. Denn es sei nicht ungewöhnlich, daß ein Arbeitnehmer die Anschaffung seines von ihm beruflich genutzten Pkw mit Fremdmitteln finanziere.
Der Kläger rügt mit der Revision unrichtige Anwendungen des § 9 EStG. Er führt u. a. aus: Er habe sein Fahrzeug zu 74 % für Dienstreisen verwendet. Es handle sich um ein neues Fahrzeug ohne übermäßigen Verschleiß oder Verbrauch. Bei ihm seien daher nur die normal anfallenden Kosten mit den Pauschbeträgen abgegolten worden. Die mit dem Erwerb des Fahrzeugs zusammenhängenden Schuldzinsen seien als außergewöhnliche Aufwendungen anzusehen und nicht in den Pauschbetrag einzubeziehen. Sie seien nicht pauschalierbar, weil die Bedingungen des jeweiligen Kredits (Höhe der Zinsen usw.) von den Gegebenheiten des Einzelfalles abhingen.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer um 196 DM herabzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die im Streitjahr 1974 gezahlten Kreditzinsen für die Anschaffung des Pkw können steuerlich nicht berücksichtigt werden.
1. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Urteil vom 7. Februar 1964 VI 201/62 S (BFHE 79, 51, BStBl III 1964, 251) die vom Arbeitnehmer entrichteten Zinsen für die Aufnahme von Schulden zur Anschaffung eines Pkw auch insoweit als Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1961 angesehen, als der Arbeitnehmer das Fahrzeug teilweise für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt hatte. Der Senat läßt die Frage dahingestellt, ob er dieser Ansicht heute noch folgen könnte. Im Streitfall sind die Schuldzinsen jedenfalls deshalb nicht als Sonderausgaben abziehbar, weil aufgrund des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) Schuldzinsen, die nach dem 31. Dezember 1973 geleistet werden (vgl. § 52 Abs. 11 b EStG 1974), nicht mehr als Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1974 berücksichtigt werden dürfen.
2. Die Schuldzinsen können im Streitfall auch nicht als Werbungskosten abgezogen werden.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 1974 Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Unterhaltung der Einnahmen. Zu ihnen können auch Schuldzinsen gehören. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1974 Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
Der Senat läßt die Frage dahingestellt, ob Zinsen für die Fremdfinanzierung eines Pkw (entgegen dem BFH-Urteil in BFHE 79, 51, BStBl III 1964, 251) zu dem Anteil Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1974 sind, zu dem der Kläger seinen Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und auf Dienstreisen verwendet hat. Auf die Entscheidung dieser Frage kommt es im Streitfall nicht an, weil der Abzug von Schuldzinsen als Werbungskosten jedenfalls durch die Pauschbeträge des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 und des Abschn. 21 Abs. 7 Satz 2 i. V. m. Abs. 12 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1972 (LStR 1972) abgegolten ist.
a) Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 1974 EStG sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Bei Fahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug werden Aufwendungen für jeden Arbeitstag, an dem der Pkw benutzt wird, nur in Höhe eines Pauschbetrages von 0,36 DM je Entfernungskilometer als Werbungskosten anerkannt.
Wie der Senat durch das Urteil vom 30. November 1979 VI R 83/77 (BStBl II 1980, 138) entschieden hat, gehören Fremdfinanzierungszinsen für die Anschaffung eines Pkw zu den üblichen Aufwendungen für ein Kraftfahrzeug, die, sollten sie Werbungskosten sein, vom Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 mit erfaßt werden.
b) Werden vom Arbeitnehmer Dienstreisen mit dem eigenen Pkw durchgeführt, so sind die hierdurch veranlaßten Aufwendungen abzüglich der vom Arbeitgeber erstatteten Beträge Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 1974. Sie sind nach Abschn. 21 Abs. 7 Satz 1 LStR 1972 in der nachgewiesenen Höhe als Werbungskosten abziehbar.
Der Arbeitnehmer konnte im Streitjahr 1974 statt eines Einzelnachweises den Pauschsatz von 0,32 DM je zurückgelegten Kilometer nach Abschn. 21 Abs. 7 Satz 2 i. V. m. Abs. 12 Satz 3 LStR 1972 und dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 30. Oktober 1973 IV B 6 - S 2338 - 88/73 (BStBl I 1973, 682) in Anspruch nehmen. Diese Pauschbetragsregelung hat der Senat in ständiger Rechtsprechung als vertretbare Schätzung i. S. von § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) anerkannt, die der Arbeitsvereinfachung für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und für die Finanzbehörden und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dient (vgl. Urteile des Senats vom 15. Dezember 1967 VI R 268/67, BFHE 90, 498, BStBl II 1968, 126; vom 17. Dezember 1976 VI R 118/75, BFHE 121, 193, BStBl II 1977, 295, und vom 10. März 1978 VI R 239/74, BFHE 124, 540, BStBl II 1978, 381, und die dort erwähnte Rechtsprechung).
Wie der Senat insbesondere im Urteil vom 17. Oktober 1973 VI R 26/73 (BFHE 111, 69, BStBl II 1974, 186) betont hat, werden durch diesen Werbungskostenpauschbetrag alle gewöhnlichen Kraftfahrzeugkosten abgegolten. Die Abgrenzung zu den vom Pauschbetrag des Abschn. 21 Abs. 7 Satz 2 i. V. m. Abs. 12 Satz 3 LStR 1972 nicht erfaßten außergewöhnlichen Aufwendungen hat der Senat nach den gleichen Grundsätzen wie bei dem gesetzlichen Pauschbetrag bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG vorgenommen (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1970 VI R 40/69, BFHE 100, 39, BStBl II 1970, 764). So gehören zu den gewöhnlichen Kosten insbesondere die Absetzung für Abnutzung (AfA) und die durch den normalen Verschleiß bedingten Reparaturaufwendungen, nicht aber die Unfallkosten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 111, 69, BStBl II 1974, 186 und BFHE 124, 540, BStBl II 1978, 381). An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.
Sollten Kreditzinsen für die Anschaffung des Pkw Werbungskosten sein, so werden sie, soweit sie anteilig auf Dienstreisen entfallen, durch den Pauschbetrag des Abschn. 21 Abs. 7 Satz 2 i. V. m. Abs. 12 Satz 3 LStR 1972 ebenso abgegolten wie durch den Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1974 bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Sie sind in ihrer Höhe vorhersehbar. Sie hängen zudem mit dem Kaufpreis des Fahrzeugs wirtschaftlich so eng zusammen, daß sie auch hier nicht anders als die AfA behandelt werden können.
Der Senat kann ebenso wie im Urteil VI R 83/77 die Frage dahingestellt sein lassen, ob das Auto im Streitfall als Arbeitsmittel anzusehen ist. Sollte es ein Arbeitsmittel und sollten die Schuldzinsen deshalb Werbungskosten sein, so wären die Zinsen durch die Pauschbeträge von 0,32 DM für die auf Dienstreisen zurückgelegten Kilometer in gleicher Weise erfaßt. Denn es sind aus den Lohnsteuer-Richtlinien 1972 keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß der Nachweis der auf Dienstreisen entstandenen Kosten hier nicht durch Inanspruchnahme dieser Pauschbeträge erleichtert werden darf. Werden die Pauschbeträge von 0,32 DM je Kilometer angesetzt, so sind die Schuldzinsen mithin aus den gleichen Gründen wie vorstehend durch den Pauschbetrag abgegolten.
Fundstellen
Haufe-Index 73399 |
BStBl II 1980, 141 |
BFHE 1980, 354 |