Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit der Unterzeichnung der Revisionsschrift durch eine postulationsfähige Person
Leitsatz (NV)
1. Die Unterzeichnung der Revisionsschrift durch eine nicht postulationsfähige Person ist auch dann keine wirksame Einlegung der Revision, wenn dabei vermerkt ist, das Schriftstück sei im Entwurf von einer postulationsfähigen Person unterzeichnet worden.
2. Werden mit einem von einer postulationsfähigen Person unterzeichneten Telefax Telekopien einer Revisionsschrift an das FG übermittelt, die von einer anderen -- nicht postulationsfähigen Person -- unterzeichnet ist, so kann -- nach den Umständen des Einzelfalls -- darin die wirksame Ein legung der Revision durch die das Telefax unterzeichnende postulationsfähige Person gesehen werden.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau erwarben durch notariell beurkundeten Kaufvertrag ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück im Beitrittsgebiet. Unter Versagung der hierfür begehrten Steuerbefreiung setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) für diesen Rechtsvorgang Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Bezirksgericht hob den Grunderwerbsteuerbescheid und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung auf. Die Revision ließ das Bezirksgericht nicht zu.
Durch Beschluß vom 26. Mai 1993 II B 87/92 ließ der Senat die Revision zu. Dieser Beschluß wurde dem FA am 25. Juni 1993 zugestellt.
Durch Schriftsatz vom 20. Juli 1993 legte das FA gegen das Urteil des Bezirksgerichts Revision ein. Dieser Schriftsatz war an den Bundesfinanzhof (BFH) adressiert. Er wurde durch folgenden maschinenschriftlichen Zeichnungsvermerk abgeschlossen:"
Im Entwurf gezeichnet
A
In Vertretung
B".Ü
ber dem maschinengeschriebenen Namen B war die entsprechende Unterschrift handschriftlich eingefügt. Eine beigefügte Ausfertigung des Schriftsatzes -- die später dem Klägervertreter übersandt wurde -- enthielt darüber hinaus rechts neben der Angabe "In Vertretung B" einen Stempel der Kanzlei des FA sowie daneben den Vermerk "beglaubigt" und darunter die handschriftliche Unterschrift eines Verwaltungsangestellten.
Herr A -- der Vorsteher des FA -- besitzt die Befähigung zum Richteramt, nicht aber seine Vertreterin, Frau B.
Der Schriftsatz wurde an das Finanzgericht des Landes Brandenburg (FG) weitergeleitet und ging dort am 26. Juli 1993 ein. Bereits zuvor hatte das FA auf Hinweis am 22. Juli 1993 per Telefax unmittelbar an das FG Kopien der Revisionsschrift (und der Revisionsschriften in zwei weiteren Fällen) übermittelt. Der mitübersandte Mantelbogen enthielt folgenden Text: "Es folgen 6 Blatt (Revisionen i. S. ... wegen Grund erwerbsteuer 1990)". Die angefügte handschriftliche Unterschrift stammt von Herrn C, der die Befähigung zum Richteramt besitzt.
Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sinngemäß vertritt er die Auffassung, daß die Revision unzulässig sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist zulässig.
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich einzulegen. Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entla stung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Revision. Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte, welche die Befähigung zum Richteramt besitzen, vertreten lassen. Für die Zulässigkeit der Revision ist es daher erforderlich, daß die Revisionsschrift mit der eigenhändigen handschriftlichen Unterschrift einer postulationsfähigen Person versehen ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.
Die wirksame Einlegung der Revision erfolgte im Streitfall allerdings nicht bereits dadurch, daß der an den BFH gerichtete Schriftsatz des FA vom 20. Juli 1993 an das FG weitergeleitet und diesem innerhalb der Rechtsmittelfrist zugegangen ist. Dieser Schriftsatz ist handschriftlich unterschrieben von einer Person, die die Befähigung zum Richteramt nicht besitzt. Die Voraussetzung des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO, Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG ist daher dadurch nicht gewahrt. Dieser Mangel wird auch nicht dadurch geheilt, daß der Schriftsatz den maschinenschriftlichen Hinweis enthält, er sei von einer postulationsfähigen Person "im Entwurf gezeichnet". Die Vertretung nach Art. 1 Nr. 1 Satz 3 BFHEntlG ist nur wirksam, wenn der postulationsfähige Behördenvertreter die Schriftsätze selbst unterschreibt. Die Unterzeichnung durch eine nicht postulationsfähige Person genügt auch dann nicht, wenn dabei vermerkt ist, das Schriftstück sei im Entwurf von einem vertretungsberechtigten Beamten unterzeichnet worden (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Juni 1978 II B 10/78, BFHE 125, 148, BStBl II 1978, 464; Koch bei Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 62 Rdnr. 85). Auch die Tatsache, daß eine Ausfertigung des Schriftsatzes mit einem unterschriebenen Beglaubigungsvermerk der Kanzlei des FA versehen worden ist, könnte deshalb an diesem Ergebnis nichts ändern.
Die Revision des FA ist jedoch wirksam eingelegt worden durch das an das FG gerichtete Telefax des FA. Die dem FG durch Telefax übermittelte, der Schriftform des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO genügende Telekopie (BFH-Beschluß vom 26. März 1991 VIII B 83/90, BFHE 163, 510, BStBl II 1991, 463) des Mantelbogens weist die Unterschrift einer Person auf, die die Befähigung zum Richteramt besitzt und damit postulationsfähig ist. Zwar enthält das Telefax und der diesem vorangestellte Mantelbogen nicht die ausdrückliche Erklärung des postulationsfähigen Unterzeichners, daß er Revision einlegen wolle. Aus dem gesamten Inhalt der durch Telefax übermittelten, technisch zu einer Einheit verknüpften Schriftstücke ergibt sich jedoch durch Auslegung, daß der postulationsfähige Unterzeichner diese Erklärung (Einlegung der Revision) abgeben wollte. Dem Unterzeichner war bekannt, daß die ursprüngliche Adressierung an den BFH fehlerhaft war. Er wollte nunmehr alles tun, um eine wirksame Einlegung der Revision zu erreichen. Als selbst postulationsfähige Person konnte er dies bei noch nicht abgelaufener Rechtsmittelfrist auch wirksam tun. Aus dem Zusammenhang ergibt sich daher, daß er mit Absendung des Telefax auch selbst für das FA Revision einlegen und nicht nur als Übermittler fremden Willens wirken wollte.
Fundstellen
Haufe-Index 420073 |
BFH/NV 1995, 246 |