Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung in das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Zustellung eines Vollstreckungstitels. Zustellung eines Vollstreckungstitels an den Geschäftsführer einer BGB-Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Der Vollstreckungstitel, aufgrund dessen die Zwangsvollstreckung in das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgen soll, muss an ihren Geschäftsführer oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, an einen ihrer Gesellschafter zugestellt werden.
Normenkette
BGB §§ 709, 714; ZPO § 170 Abs. 1 u. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 14.09.2005; Aktenzeichen 81 T 992/04) |
AG Berlin-Charlottenburg (Entscheidung vom 24.09.2004; Aktenzeichen 70 L 254/04) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Berlin vom 14.9.2005 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.175.971,20 EUR.
Gründe
I.
[1]Die Gläubigerin beantragte am 20.9.2004 die Anordnung der Zwangsverwaltung des in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks. In Abteilung I des Grundbuchs sind 42 Eigentümer in Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetragen. Als Vollstreckungstitel legte die Gläubigerin die gegen die in dem Grundbuch eingetragenen Eigentümer erteilte vollstreckbare Ausfertigung einer auf die Gläubigerin umgeschriebenen notariell beurkundeten Grundschuldbestellung vor, in welcher die Unterwerfungserklärung nach § 800 ZPO enthalten ist. Diese Ausfertigung war am 3.9.2004 an H.-G. S., einen der Gesellschafter der Schuldnerin, laut Zustellungsurkunde "als GF der BGB" zugestellt worden.
[2]Mit Verfügung vom 24.9.2004 hat das AG der Gläubigerin mitgeteilt, dass dem Antrag noch nicht entsprochen werden könne. Die Zustellung an H.-G. S. reiche nicht aus, weil die Gläubigerin nicht bewiesen habe, dass er von allen Gesellschaftern zum geschäftsführenden Gesellschafter bestellt worden sei; deshalb müsse der Vollstreckungstitel nebst -klausel an alle Miteigentümer bzw. Gesellschafter zugestellt werden. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Gläubigerin ist erfolgreich gewesen. Das LG hat das AG unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung angewiesen, von den darin geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.
[3]Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und unter Zurückweisung der Beschwerde die Wiederherstellung der Verfügung des AG erreichen. Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
[4]Nach Auffassung des Beschwerdegerichts richtet sich der Vollstreckungstitel auch gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts; einer vollstreckbaren Ausfertigung gegen diese Gesellschaft bedürfe es nicht. Der Titel sei ordnungsgemäß zugestellt worden. H.-G. S. sei geschäftsführender Gesellschafter der Schuldnerin. Ihm habe die Vertretungsbefugnis für die Entgegennahme von Zustellungen nicht entzogen werden können. Für die Anordnung der Zwangsverwaltung gegen die Gesellschaft sei es unerheblich, ob einige Gesellschafter, gegen die die vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde erteilt worden sei, aus der Gesellschaft ausgeschieden oder niemals Gesellschafter gewesen seien; denn entscheidend sei der Inhalt des Grundbuchs. Dieser stimme im Hinblick auf die Eigentümereintragung mit den in dem Vollstreckungstitel genannten Gesellschaftern überein.
[5]Das hält im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand.
III.
[6]Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht hat das AG zu Recht angewiesen, von seinen in der angefochtenen Verfügung geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen. Denn die Zustellung an H.-G. S. ist für die Anordnung der Zwangsverwaltung ausreichend. Auf seine Bestellung zum Geschäftsführer der Schuldnerin und auf die damit verbundene Vertretungsmacht (§ 714 BGB) kommt es entgegen der Ansicht der Vorinstanzen allerdings nicht an.
[7]1. Mit einer rechtlich nicht zu beanstandenden Begründung geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der von der Gläubigerin vorgelegte Vollstreckungstitel nach §§ 736, 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 800 Abs. 1 ZPO zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen der Schuldnerin geeignet ist (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2004 - IXa ZB 288/03, BGHReport 2005, 59 = MDR 2005, 113 = WM 2004, 1827 [1828 ff.]). Dagegen erhebt die Rechtsbeschwerde auch keine Einwände.
[8]2. Gleiches gilt für die weitere Annahme des Beschwerdegerichts, dass es für die Anordnung der Zwangsverwaltung unerheblich sei, ob einige der in dem Vollstreckungstitel genannten Personen niemals Gesellschafter gewesen oder aus der Gesellschaft ausgeschieden seien. Denn maßgeblich ist allein, ob sie als Eigentümer in dem Grundbuch eingetragen sind (§ 146 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 17 Abs. 1 ZVG). Das ist hier der Fall.
[9]3. Im Ergebnis zutreffend nimmt das Beschwerdegericht an, dass die Zustellung des Vollstreckungstitels an H.-G. S. für die Anordnung der Zwangsverwaltung des Grundstücks ausreicht.
[10]a) Nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung u.a. nur beginnen, wenn der Vollstreckungstitel dem Schuldner bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Eine Zustellung durch den Gläubiger im Parteibetrieb reicht aus (§ 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Zustellung ist wirksam, wenn sie fehlerfrei nach § 166 ff. ZPO erfolgt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
[11]b) Die Schuldnerin ist die richtige Zustellungsempfängerin, weil die Zwangsvollstreckung in das zu dem Gesellschaftsvermögen gehörende Grundstück erfolgen soll. Denn die Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit sie - wie hier die Schuldnerin - durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet; in diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig (BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 m. Anm. Sprau = AG 2001, 307). Zur Entgegennahme der Zustellung war nach § 170 Abs. 1 ZPO der gesetzliche Vertreter der Schuldnerin berufen (BGH, Beschl. v. 26.1.2006 - V ZB 132/05, BGHReport 2006, 631, Umdruck S. 9). Gesetzliche Vertreter sind nach §§ 709 Abs. 1, 714 BGB alle Gesellschafter, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag etwas anderes vorsieht (BGH, Urt. v. 23.10.2003 - IX ZR 324/01, BGHReport 2004, 160 = MDR 2004, 330 = WM 2004, 1290 [1292]). Letzteres ist hier der Fall. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass H.-G. S. geschäftsführender Gesellschafter der Schuldnerin ist. Somit ist er ihr alleiniger gesetzlicher Vertreter (§ 714 BGB). Deshalb ist die Zustellung an ihn als Geschäftsführer notwendig (vgl. Behr, NJW 2000, 1137 [1138]; Müther, MDR 2002, 987 [989]).
[12]aa) Der Wirksamkeit der Zustellung steht nicht entgegen, dass sich der Umfang der Prüfungspflicht des Vollstreckungsgerichts (vgl. dazu: BGH, Beschl. v. 16.7.2004 - IXa ZB 288/03, BGHReport 2005, 59 = MDR 2005, 113 = WM 2004, 1827 [1829]) nach Ansicht der Schuldnerin nicht darauf erstreckt, wer zur Geschäftsführung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts berufen ist. Zwar muss das Vollstreckungsgericht u.a. prüfen, ob die für den Beginn der Zwangsvollstreckung erforderlichen Zustellungen (§ 750 ZPO) wirksam erfolgt sind (OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 323). Das ist bei der Zustellung an den Geschäftsführer einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der Regel jedoch nur schwer möglich, weil die Geschäftsführerbestellung und eine Änderung in der Geschäftsführung ein Internum der Gesellschaft sind und Außenstehende hiervon nicht durch ein öffentliches Register sichere Kenntnis erlangen können. Insoweit gilt nichts anderes als für die Zustellung an sämtliche Gesellschafter als gesetzliche Vertreter der Gesellschaft; auch der Wechsel der Gesellschaftereigenschaft und eine Änderung der Vertretungsbefugnisse werden nicht durch eine Registereintragung nach außen verlautbart (BGH, Beschl. v. 26.1.2006 - V ZB 132/05, BGHReport 2006, 631, Umdruck S. 9). Aber hier steht fest, dass H.-G. S. im Zeitpunkt der Zustellung alleiniger Geschäftsführer der Schuldnerin war. Das führt zu der Anwendung von § 170 Abs. 1 ZPO.
[13]bb) Der Einwand der Schuldnerin, H.-G. S. habe keine Vertretungsmacht für die Entgegennahme der Zustellung des Vollstreckungstitels gehabt, bleibt ohne Erfolg. Zwar kann der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach außen wirkende Regelungen betreffend die Einschränkung der Vertretungsbefugnis ihrer Geschäftsführer enthalten (BGH, Urt. v. 6.2.1996 - XI ZR 121/95, WM 1996, 2233). Ob aber danach auch die Befugnis zur Entgegennahme von Zustellungen an die Gesellschaft ausgeschlossen werden kann, ist zweifelhaft; den Zweifeln braucht hier jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn wenn H.-G. S. als Geschäftsführer der Schuldnerin keine Zustellungen für sie entgegennehmen durfte, galt für die Zustellung die gesetzliche Vertretungsregelung; danach waren alle Gesellschafter gesetzliche Vertreter der Schuldnerin. In diesem Fall reichte nach § 170 Abs. 3 ZPO die Zustellung an H.-G. S. als Gesellschafter aus. In dieser Eigenschaft war er uneingeschränkt vertretungsberechtigt.
[14]cc) Ebenfalls erfolglos wendet die Schuldnerin ein, dass die Zustellung des Vollstreckungstitels an sämtliche Gesellschafter habe erfolgen müssen, weil ihnen mit der Anordnung der Zwangsverwaltung die Befugnis zur selbständigen Verwaltung des Gesellschaftsvermögens genommen und damit in die Grundlagen der Gesellschaft eingegriffen werde. Diese Auffassung trifft nicht zu. Die Entgegennahme eines Vollstreckungstitels durch einen Gesellschafter berührt nicht die Grundlagen der Gesellschaft, sondern ist lediglich eine Voraussetzung für die Anordnung der Zwangsverwaltung, ohne dass diese der Zustellung notwendigerweise nachfolgen müsste (vgl. BGH v. 21.4.1986 - II ZR 198/85, BGHZ 97, 392 [395] = MDR 1986, 825).
[15]dd) Der von der Schuldnerin hervorgehobene Grundsatz der Selbst-organschaft einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der es verbietet, die Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft unter Ausschluss sämtlicher Gesellschafter auf Dritte zu übertragen (BGH, Urt. v. 20.9.1993 - II ZR 204/92, WM 1994, 237 [238]), spielt hier keine Rolle. Denn H. G. S. ist Gesellschafter der Schuldnerin.
[16]ee) Unverständlich ist der Hinweis der Schuldnerin auf die Pflicht des Vollstreckungsgerichts, bei der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück nach § 17 ZVG die Identität zwischen dem eingetragenen Eigentümer und dem Vollstreckungsschuldner festzustellen. Denn hier stimmen die in dem zugestellten Vollstreckungstitel genannten Schuldner mit den in dem Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Gesellschaftern überein. Das reicht für den Nachweis der Identität aus und steht auch in Einklang mit der von der Schuldnerin in diesem Zusammenhang hervorgehobenen Vorschrift des § 15 Abs. 3 GBV.
[17]ff) Ob - wie die Schuldnerin meint - in dem Rubrum des Beschlusses über die Anordnung der Zwangsverwaltung eines zu dem Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gehörenden Grundstücks sämtliche Gesellschafter als Eigentümer aufzuführen sind und der Beschluss ihnen zuzustellen ist, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn das Rechtsmittel richtet sich nicht gegen den Anordnungsbeschluss des AG vom 11.10.2005. Deshalb kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Heilung eines etwaigen Mangels der Zustellung des Vollstreckungstitels nach § 189 ZPO an (s. dazu: OLG Köln v. 16.8.1999 - 2 W 161/99, 2 W 162/99, OLGReport Köln 2000, 74 = JurBüro 2000, 48 [49]).
[18]gg) Schließlich kann die Schuldnerin nicht mit ihrem Einwand durchdringen, dass der Vollstreckungstitel an H.-G. S. mit dem Zusatz "als GF der BGB" zugestellt worden ist. Denn die Bezeichnung als Geschäftsführer in der Zustellungsurkunde ist nicht erforderlich. Aus dem Inhalt des zugestellten Titels ergibt sich zweifelsfrei, gegen wen er sich richtet. Daraus folgt ohne Weiteres, dass H.-G. S. die Zustellung als Vertreter der Schuldnerin entgegengenommen hat (§ 164 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB).
[19]IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1511588 |
DStR 2006, 1516 |
HFR 2006, 1273 |