Leitsatz (amtlich)
Die Amtsniederlegung eines Geschäftsführers ist grundsätzlich auch dann sofort wirksam, wenn sie nicht auf einen angeblich wichtigen Grund gestützt ist (Fortführung BGH, 1980-07-14, II ZR 161/79, BGHZ 78, 82).
Tatbestand
Die Parteien sind Gesellschafter der A.-Moden Handelsgesellschaft mbH. Zu deren Geschäftsführern wurden bei ihrer Gründung im Jahre 1989 der Beklagte zu 1 und Rechtsanwalt B. bestellt. Ersterer erklärte mit Schreiben vom 8. Oktober 1990 die Niederlegung seines Geschäftsführeramts. Mit der Klage verlangt die Klägerin die Feststellung, daß – auch – Rechtsanwalt B. nicht mehr Geschäftsführer sei, weil er sein Amt am 6. März 1990, spätestens aber im Oktober 1990 ebenfalls niedergelegt habe.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Feststellungsklage ist zulässig.
a) Der Zulässigkeit steht, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht entgegen, daß an dem Organverhältnis, über dessen Bestand die Parteien streiten, keine von ihnen beteiligt ist. Gegenstand einer zulässigen Feststellungsklage kann auch ein Rechtsverhältnis zwischen zwei am Prozeß nicht beteiligten Personen sein; für die Zulässigkeit der Klage kommt es nur darauf an, ob ein rechtliches Interesse an der Feststellung besteht (BGH, Urt. v. 11. Juli 1990 – VIII ZR 165/89, WM 1990, 2128, 2130).
b) Das Berufungsgericht hat das Feststellungsinteresse mit der Begründung bejaht, für die Parteien als die Gesellschafter der GmbH sei es „von Bedeutung”, ob Rechtsanwalt B. noch Geschäftsführer sei; denn davon hänge die Wirksamkeit der Einberufung von Gesellschafterversammlungen ab. Die Revision greift das an und macht geltend, die Klage habe keinen Sinn, weil das auf sie ergehende Urteil die Gesellschaft nicht binde und die Beklagten dieser gegenüber ihren Rechtsstandpunkt weiter vertreten könnten.
Das trifft an sich zu. Auch wenn im Verhältnis zwischen den Parteien rechtskräftig feststeht, daß der frühere Geschäftsführer sein Amt wirksam niedergelegt hat, können die Beklagten durch Anfechtungsklage gegen die Gesellschaft beispielsweise die Unwirksamkeit von Beschlüssen geltend machen, die auf ohne Einschaltung jenes „Geschäftsführers” zustande gekommenen Gesellschafterversammlungen gefaßt worden sind. Indessen erschöpft sich die „Bedeutung” der Geschäftsführerfrage nicht in der Beurteilung derartiger Rechtsfolgen. Die Beklagten verletzen unter Umständen ihre Treuepflicht als Gesellschafter, wenn sie mit der unzutreffenden Behauptung, der vormalige Geschäftsführer sei noch im Amt, die Bestellung eines neuen Geschäftsführers und damit die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft erschweren. Das hat sich bereits in dem von der Klägerin eingeleiteten Verfahren zur Bestellung eines Notgeschäftsführers gezeigt. Für die Rechtsbeziehungen, die nach heute gesicherter Erkenntnis zwischen den Gesellschaftern einer GmbH bestehen (BGHZ 65, 15, 18 f.; Hachenburg/Raiser, GmbHG 8. Aufl. § 13 Rdn. 7), kann die Frage, mit welchen Personen das Geschäftsführungsorgan besetzt ist, in mannigfacher Weise eine Rolle spielen. Die Frage muß deshalb zwischen den Gesellschaftern geklärt werden können, auch wenn die Rechtskraft eines daraufhin ergehenden Urteils die Gesellschaft selbst nicht erfaßt (vgl. auch Sen.Urt. v. 14. Mai 1990 – II ZR 125/89, WM 1990, 1240, 1241).
2. Rechtsanwalt B. ist infolge wirksamer Amtsniederlegung nicht mehr Geschäftsführer.
a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob, wie die Klägerin behauptet hat, B. das Geschäftsführeramt am 6. März 1990 – wirksam – niedergelegt hat. Es hat eine Niederlegung jedenfalls im Schreiben B.s vom 19. Oktober 1990 gesehen. Dort sei zum Ausdruck gebracht, daß dieser selbst von einer schon im März 1990 erklärten Amtsniederlegung ausgehe und nicht mehr Geschäftsführer sein wolle. Die Revision wendet ein, dabei handle es sich nicht um eine – auf die Herbeiführung eines Rechtserfolgs gerichtete – Willenserklärung, sondern lediglich um einen Hinweis auf eine vermeintlich schon früher eingetretene Rechtsfolge.
Damit hat die Revision im Ausgangspunkt recht. B. soll nach dem Vortrag der Klägerin am 6. März 1990 sein Amt deswegen niedergelegt haben, weil die Beklagten dies mit der Begründung, der Beklagte zu 1 könne mit seinen großen Erfahrungen als Textilkaufmann die Geschäfte der Gesellschaft besser allein führen, verlangt hätten. Dieser Grund lag am 19. Oktober 1990 nicht mehr vor, nachdem der Beklagte zu 1 seinerseits sein Amt als Geschäftsführer am 8. Oktober 1990 niedergelegt hatte. Ob B. in dieser neuen Situation seine Niederlegungserklärung notfalls wiederholen wollte, läßt sich seinem Schreiben für sich allein nicht zweifelsfrei entnehmen. Er hat darin lediglich zum Ausdruck gebracht, daß er seine „Tätigkeit” als Geschäftsführer bereits im März 1990 niedergelegt habe, und den Beklagten zu 1 aufgefordert, die insoweit unterlassene Anmeldung zum Handelsregister nachzuholen.
Dem Berufungsgericht ist jedoch im Ergebnis zuzustimmen, wenn man die folgenden, im Tatbestand des Berufungsurteils erwähnten Schreiben B.s vom 27. Oktober und 9. November 1990 mit in die Betrachtung einbezieht. Auf Seite 3 des erstgenannten Schreibens heißt es:
„Selbst für den Fall, wie nicht, daß ich Geschäftsführer noch gewesen sein sollte, so wäre spätestens mit dem Empfang meines Schreibens vom 19.10.1990 eine Amtsniederlegung erfolgt.”
Im Schreiben vom 9. November 1990 an die Anwälte des Beklagten zu 1 erklärt B.:
„Bei meiner Niederlegung der Geschäftsführung verbleibt es auch für die Zukunft.”
Spätestens hierin liegt zweifelsfrei eine Amtsniederlegung auch für den Fall, daß eine solche bis dahin nicht wirksam erklärt gewesen sein sollte.
Die Schreiben sind allen Gesellschaftern und damit dem für die Geschäftsführerbestellung zuständigen Organ zugegangen (vgl. für das Schreiben vom 9. November 1990 die Übersendungsschreiben an die Beklagte zu 2 und die Klägerin vom selben Tage). Die Revision meint freilich, jedenfalls seien die lediglich nachrichtlichen Mitteilungen an die anderen Gesellschafter keine Willenserklärungen. Für einen solchen rein formalen Standpunkt besteht indessen keine rechtliche Notwendigkeit. Es genügt, falls nicht schon die Erklärung gegenüber einem der Gesellschafter ausreichen sollte (so Plander, ZHR 133 (1970), 327, 360; ablehnend u.a. Scholz/U. H. Schneider, GmbHG 8. Aufl. § 38 Rdn. 85), daß diese den anderen Gesellschaftern zur Kenntnis gebracht wird. Damit ist dem Erfordernis der Rechtsklarheit im Zusammenhang mit einer derartigen Gestaltungserklärung Genüge getan.
b) Das Berufungsgericht hat weiter unentschieden gelassen, ob B. einen wichtigen Grund zur Amtsniederlegung hatte; eine solche sei, so hat es ausgeführt, auch dann wirksam, wenn das Vorliegen eines wichtigen Grundes streitig sei. Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe sich damit in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Senats gesetzt.
Dieser Einwand ist an sich berechtigt; das Berufungsgericht hat aber trotzdem im Ergebnis recht.
aa) Der Senat hat im Urteil vom 14. Juli 1980 entschieden, daß die aus wichtigen Gründen erklärte Amtsniederlegung eines Geschäftsführers auch dann als sofort wirksam zu behandeln ist, wenn über die objektive Berechtigung dieser Gründe Streit besteht (BGHZ 78, 82, 92). Damit war nicht nur der Fall gemeint, daß Streit über das tatsächliche Vorliegen von „schlüssig” vorgebrachten, d.h. also solchen Gründen besteht, die, wenn sie gegeben sind, die Niederlegung rechtfertigen; vielmehr ist die Niederlegungserklärung danach auch dann wirksam, wenn die Parteien darüber streiten, ob die geltend gemachten Gründe als solche für einen sofortigen Rücktritt von der Geschäftsführung ausreichten (BGHZ 78, 82, 84).
Voraussetzung ist aber nach jener Entscheidung, daß die Amtsniederlegung überhaupt auf – angeblich – wichtige Gründe gestützt ist.
Das war hier nicht der Fall. Die angeblich bereits am 6. März 1990 erklärte Niederlegung hatte B. zwar damit begründet, daß die Beklagten sie von ihm verlangt hätten; diese haben letzteres bestritten. Das Berufungsgericht scheint in diesem Zusammenhang aber übersehen zu haben, daß es sein Urteil nicht auf die behauptete, aber nicht festgestellte Amtsniederlegung vom 6. März 1990, sondern auf die nach seiner Ansicht als erneute Niederlegung zu wertenden Erklärungen im Schreiben vom 19. Oktober 1990 gestützt hat. Zu diesem Zeitpunkt jedenfalls verlangten die Beklagten nicht mehr, B. möge sein Amt niederlegen, damit der Beklagte zu 1 die Geschäfte ungestört allein führen könne; im Gegenteil forderten sie nunmehr nachdrücklich, B. solle als Geschäftsführer für die GmbH tätig werden.
bb) Für die Entscheidung des Senats, die aus wichtigem Grund erklärte Amtsniederlegung des GmbH-Geschäftsführers – und ebenso der Mitglieder anderer Vertretungsorgane (Sen.Urt. v. 13. Februar 1984 – II ZR 2/83, WM 1984, 532, 533) – unabhängig davon, ob ein wichtiger Grund objektiv gegeben ist, als sofort wirksam zu behandeln, war der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ausschlaggebend. Es wäre, wie der Senat seinerzeit ausführlich dargelegt hat, für die Beteiligten und den allgemeinen Rechtsverkehr unzumutbar, es im Anschluß an eine Amtsniederlegung hinnehmen zu müssen, daß unter Umständen über mehrere Jahre hin – bis zur endgültigen Klärung in einem Rechtsstreit – Ungewißheit darüber besteht, ob die Niederlegungserklärung wirksam war und durch wen die Gesellschaft in dieser Zeit vertreten wird (BGHZ 78, 82, 89 ff.). Stellt man diese Erwägungen in den Vordergrund, dann ist es nicht gerechtfertigt, die Wirksamkeit der Amtsniederlegung davon abhängig zu machen, mit welcher möglicherweise schon in sich selbst unschlüssigen, also objektiv keinen wichtigen Grund enthaltenden Begründung der Geschäftsführer seine Erklärung versieht (so zutreffend Eckert, KTS 1990, 33, 35; ebenso Scholz/U. H. Schneider aaO § 38 Rdn. 82; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 38 Rdn. 38; Roth, GmbHG 2. Aufl. § 38 Anm. 5; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 407, der offenbar bereits das Sen.Urt. v. 14. Juli 1980 in diesem Sinne versteht; für das Aktienrecht auch Mertens, KK 2. Aufl. § 84 Rdn. 163; a.A. und der bisherigen Senatsrechtsprechung folgend dagegen Rowedder/Koppensteiner, GmbHG 2. Aufl. § 38 Rdn. 26; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 13. Aufl. § 38 Rdn. 40; Miller in Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, 1987, §§ 35-38 Rdn. 134). Dies kann von Zufälligkeiten abhängen; in manchen Fällen wird es sich auch nur schwer ermitteln lassen. Die Amtsniederlegung braucht nicht schriftlich erklärt zu werden. Wird sie nur mündlich zum Ausdruck gebracht, so wird sich oft nicht ohne weiteres feststellen lassen, ob und wie sie begründet worden ist. Es sind auch Fälle denkbar, in denen der Geschäftsführer von einer Begründung deswegen absieht, weil er davon ausgehen kann, daß seine Gründe den Gesellschaftern ohnehin bekannt sind. Der Senat hält aus diesen Gründen an der Einschränkung, daß die Amtsniederlegung aus wichtigen Gründen erklärt worden sein müsse, nicht mehr fest. Diese ist auch dann sofort wirksam, wenn sie mit keiner Begründung versehen wird.
Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer, die sich wegen einer ohne ausreichenden wichtigen Grund erklärten Niederlegung aus dem Anstellungsverhältnis ergeben können, bleiben unberührt (BGHZ 78, 82, 85; vgl. auch Fleck, WM Sonderbeilage 3/1981 S. 10).
Ob diese Grundsätze auch für einen Geschäftsführer gelten, der seinerseits nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden kann (vgl. § 38 Abs. 2 GmbHG), ist hier nicht zu entscheiden. Das gleiche gilt für die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Amtsniederlegung wegen Erklärung zur Unzeit oder wegen Rechtsmißbräuchlichkeit unwirksam sein kann (vgl. dazu Scholz/U. H. Schneider aaO § 38 Rdn. 84 m.w.N.; OLG Hamm WM 1988, 1192, 1194 f. m. Anm. Fleck in EWiR § 38 GmbHG 2/88, 795; BayObLG GmbHR 1992, 671, 672 m. Anm. W. Müller, EWiR § 38 GmbHG 4/92, 1201). Der vorgetragene Sachverhalt gibt keinen Anlaß, dazu Stellung zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 649165 |
BGHZ, 257 |
BB 1993, 1749 |
BB 1993, 675 |
NJW 1993, 1198 |
ZIP 1993, 430 |
GmbHR 1993, 216 |