Entscheidungsstichwort (Thema)
Formbedürftigkeit bei Abtretung eines Geschäftsanteils
Leitsatz (amtlich)
- Auch wenn der Gesellschaftsvertrag die Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht und diese Voraussetzungen eintreten, bedarf es der notariellen Form, wenn die Abtretung des Geschäftsanteils zu anderen als den im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Bedingungen vereinbart wird.
- Im Falle des §15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG führt ein Formmangel nicht zur Nichtigkeit von solchen Teilen der Vereinbarung, die für sich allein nicht formbedürftig gewesen wären und von denen anzunehmen ist, daß sie auch ohne die Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils abgeschlossen worden wären.
Normenkette
BGB § 139; GmbHG §§ 2, 15 Abs. 4 S. 1
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 10. Mai 1985 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, daß diese ihr Ausscheiden aus der Kommanditgesellschaft B. Maschinenbau GmbH & Co. zur Eintragung in das Handelsregister anmelde.
Die Klägerin ist seit der Gründung der Gesellschaften Kommanditistin der Kommanditgesellschaft und Gesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH. Außerdem beteiligte sich an der Kommanditgesellschaft bei deren Gründung im Jahre 1980 der Kaufmann Horst W. als Kommanditist mit einer Kommanditeinlage von 250.000 DM. W. handelte dabei als Treuhänder der Beklagten. Im Januar 1982 kündigte die Beklagte das Treuhandverhältnis, übertrug den Kommanditanteil aufgrund einer im Treuhandvertrag enthaltenen Vollmacht auf sich und meldete die Übertragung des Anteils zum Handelsregister an.
An der Komplementär-GmbH ist die Beklagte ebenfalls - mit einem Geschäftsanteil von 9.900 DM - beteiligt.
Am 11. März 1982 fand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung statt, in der sämtliche Gesellschafter der Kommanditgesellschaft und der Komplementär-GmbH vertreten waren. In dieser Versammlung wurde über das Ausscheiden der Beklagten aus den beiden Gesellschaften verhandelt. Die Klägerin hat geltend gemacht, daß dabei eine Einigung erzielt worden sei, in deren Rahmen unter anderem die Beklagte ihren Kommanditanteil im Einvernehmen aller Gesellschafter auf die Klägerin übertragen habe. Diese Übertragung sei sofort rechtswirksam geworden. Man habe zwar die Formbedürftigkeit der Übertragung des Geschäftsanteils der Beklagten an der Komplementär-GmbH, zu der sich die Beklagte ebenfalls verpflichtet habe, erkannt und deshalb eine notarielle Beurkundung der getroffenen Absprachen vorgesehen. Man sei sich aber ausdrücklich darüber einig gewesen, daß diese Beurkundung - zu der es später nicht mehr gekommen ist - mit Ausnahme der Übertragung des Geschäftsanteils nur Beweiszwecken habe dienen sollen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, daß der derzeit noch auf den Namen des Kaufmanns Horst Wolf eingetragene Kommanditanteil auf die Klägerin übergegangen und die Beklagte damit aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden sei.
In den Vorinstanzen ist der Klage stattgegeben worden. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Beklagte ihren Kommanditanteil wirksam auf die Klägerin übertragen hat. Die hierfür gegebene Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand und trägt die Entscheidung nicht.
1.
Das Berufungsgericht hat dem Ergebnis der Beweisaufnahme entnommen, daß die Gesellschafter bei der Zusammenkunft am 11. März 1982 eine Gesamtvereinbarung getroffen haben, die die Übertragung des Kommanditanteils der Beklagten auf die Klägerin mitenthalten hat und die nach dem erklärten Willen der Beteiligten ungeachtet der vorgesehenen notariellen Beurkundung sogleich verbindlich sein sollte. Diese Beurteilung liegt auf tatrichterlichem Gebiet und wird von der Revision nicht angegriffen.
Das Berufungsgericht ist danach zutreffend davon ausgegangen, daß §154 Abs. 2 BGB der Wirksamkeit der Übertragung des Kommanditanteils nicht entgegensteht.
2.
Eine Nichtigkeit der Übertragung des Kommanditanteils wegen Formmangels hat das Berufungsgericht verneint und dazu ausgeführt: Die Wirksamkeit der Übertragung des Kommanditanteils werde nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Parteien zugleich die Übertragung des Geschäftsanteils der Beklagten an der Komplementär-GmbH vorgesehen hätten. Zwar ordne § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG die notarielle Form auch für die - hier allein interessierende - Verpflichtung zur Übertragung von Geschäftsanteilen an. Diese Verpflichtung folge im vorliegenden Fall aber bereits aus dem Gesellschaftsvertrag, der dem austretenden oder kündigenden Gesellschafter unter anderem auferlege, seinen Geschäftsanteil auf Wunsch des verbleibenden Gesellschafters auf diesen zu übertragen. Dabei sei es ausreichend, daß die aufschiebend bedingte Übertragungsverpflichtung die Formvorschrift erfülle. Die Erklärungen, die die Übertragungsverpflichtung auslösten, wie Kündigung, Ausübung des Übernahmerechts und Vergütungsvereinbarung, bedürften nicht mehr der notariellen Beurkundung.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dem Formzwang des § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG ist zwar auch dann genügt, wenn bereits der (nach §2 GmbHG in notarieller Form geschlossene) Gesellschaftsvertrag die Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht und diese Voraussetzung eintreten. Das gilt aber nur, wenn die Übertragung des Geschäftsanteils zu den im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Bedingungen erfolgen soll, denn nach §15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG ist nicht nur die Übertragungsverpflichtung als solche, sondern die gesamte Vereinbarung, durch die die Übertragungsverpflichtung begründet wird, unter Einschluß aller mit ihr verbundenen Abreden, insbesondere derjenigen über die Gegenleistung, formbedürftig (Sen. Urt. v. 30.6.1969 - II ZR 71/68, LM §2 GmbHG Nr. 7). Im vorliegenden Fall sieht die Satzung der GmbH vor, daß ein Gesellschafter im Falle der Kündigung oder einer Austrittserklärung verpflichtet ist, nach Wahl der Gesellschaft den Geschäftsanteil an die Gesellschaft oder an andere Gesellschafter oder Dritte gegen ein Entgelt abzutreten, das sich im wesentlichen nach dem Verkehrswert des Anteils ohne Berücksichtigung des good wills des Unternehmens bestimmt (§4 Nr. 2 und 3, §11 der Satzung). Nach der Vereinbarung vom 11. März 1982 sollte dagegen an die Beklagte keine Entschädigung gezahlt werden. Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich vielmehr, daß die Beklagte entschädigungslos aus der Kommanditgesellschaft und aus der Komplementär-GmbH ausscheiden und sogar noch eine Zahlung von 275.000 DM an die Klägerin leisten sollte (nach dem Vortrag der Klägerin handelte es sich dabei um eine gesamtschuldnerische Verpflichtung der Beklagten und ihres Ehemannes). Ob bei der Bemessung dieses Betrages, der nach dem von der Klägerin für die Beurkundung vorgeschlagenen Text Ansprüche gegen die Beklagte und ihren Ehemann ausgleichen sollte, mittelbar auch eine Entschädigung für den abzutretenden Geschäftsanteil berücksichtigt worden ist, ist nicht dargetan. Jedenfalls weicht die getroffene Vereinbarung aber von der in der Satzung beurkundeten Regelung wesentlich ab und geht darüber weit hinaus. Sie wird daher, was die Erfüllung des Formzwangs anbelangt, von der Satzungsregelung nicht gedeckt.
3.
Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts in diesem Punkt führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache, weil sich nach den bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht ausschließen läßt, daß die Übertragung des Kommanditanteils wegen Formemangels nach §15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG, §125 Satz 1 BGB nichtig ist.
a)
Die Formvorschrift des §15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG würde allerdings nicht eingreifen, wenn die Verpflichtung der Beklagten zur Abtretung ihres Geschäftsanteils an der Komplementär-GmbH, die unstreitig Gegenstand der Verhandlungen war, nicht in die Vereinbarung einbezogen worden wäre, die sofort verbindlich sein sollte. Davon kann Jedoch im Revisionsverfahren nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat nicht im einzelnen dargelegt, was es als Inhalt der getroffenen "Gesamtvereinbarung" angesehen hat. Nach seinen oben wiedergegebenen Ausführungen hat es jedoch zumindest unterstellt, daß auch die Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils Teil der Vereinbarung war. Die Formulierung, daß die Parteien die Übertragung des Geschäftsanteils "vorgesehen hätten, muß zwar nicht eindeutig im Sinne einer Feststellung verstanden werden, daß auch diese Übertragung Teil der Regelung war, die sofort wirksam sein sollte. Gegen eine solche Feststellung spricht auch, daß es im Berufungsurteil in anderem Zusammenhang heißt, man habe möglicherweise auch die Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils (und nicht nur wie von der Klägerin vorgetragen, die Übertragung selbst für formbedürftig gehalten. Andererseits läßt sich dem Berufungsurteil aber auch keine Feststellung entnehmen, daß die Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils nicht in die Vereinbarung einbezogen worden ist, die sofort verbindlich sein sollte. Für die vom Berufungsgericht vorgenommene Prüfung der Formbedürftigkeit der Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt des §15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG wäre kein vernünftiger Grund ersichtlich, wenn das Berufungsgericht nicht zumindest die Möglichkeit bejaht hätte, daß auch die Übertragung des Geschäftsanteils Teil der Vereinbarung war.
b)
Auch für den Fall, daß die Übertragung des Geschäftsanteils an der GmbH Bestandteil der Gesamtvereinbarung war, zu der auch die Übertragung des Kommanditanteils gehörte, wäre die letztere trotz des dann gegebenen Formmangels wirksam, wenn anzunehmen wäre, daß sie - allein oder zusammen mit anderen, für sich allein betrachtet nicht formbedürftigen Teilen der Gesamtvereinbarung - auch ohne die Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils an der GmbH vorgenommen worden wäre, wenn den Parteien die aus der Verknüpfung mit der Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils folgende Formbedürftigkeit bewußt gewesen wäre (vgl. zur gesonderten Prüfung dieser Frage: Mayer-Maly in MünchKomm BGB 2. Aufl. §139 Rdnr. 19). Insoweit greift der Rechtsgedanke des §139 BGB ein. Die Vorschrift kann allerdings nicht unmittelbar angewendet werden, weil die Formbedürftigkeit nicht auf die Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils beschränkt ist, sondern die gesamte Vereinbarung erfaßt und sich danach auch der Mangel der Form als Nichtigkeitsgrund nach §125 Satz 1 BGB grundsätzlich auf alle Teile der Vereinbarung erstreckt. Dem Sinn des §139 BGB entspricht es Jedoch, daß sich ein Nichtigkeitsgrund auf den abtrennbaren Teil einer Gesamtvereinbarung, für den er sich nur aus dessen Zusammenhang mit einem anderen Teil der Vereinbarung ergeben könnte, nicht erstreckt, wenn die abtrennbare Teilregelung auch ohne den anderen Teil der Vereinbarung getroffen und dann von vornherein von dem Nichtigkeitsgrund nicht berührt worden wäre. Im Falle des §15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG führt demgemäß ein Formmangel nicht zur Nichtigkeit von solchen Teilen der Vereinbarung, die für sich allein nicht formbedürftig gewesen wären und von denen anzunehmen ist, daß sie nach dem (mutmaßlichen) Parteiwillen nicht zwingend mit der Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils verbunden sein sollten, sondern auch ohne diese Verpflichtung abgeschlossen worden wären (in diesem Sinne wohl auch RGZ 50, 163, 169; 94, 147, 149 f.; 103, 295, 302).
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist indessen im Revisionsverfahren keine abschließende Entscheidung möglich. Wenn die Beteiligten - wie es das Berufungsgericht unterstellt hat - die Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils an der GmbH in die Vereinbarung einbezogen haben, so kann die Frage, ob sie die Übertragung des Kommanditanteils auch ohne diese Verpflichtung vorgenommen hätten, nur aufgrund einer Würdigung aller hierfür maßgeblichen Umstände, die dem Tatrichter obliegt, beantwortet werden. Die Wirksamkeit der Übertragung des Kommanditanteils kann auch nicht allein aus dem Grunde bejaht werden, daß es sich dabei nicht um ein Verpflichtungsgeschäft, sondern um ein dingliches Erfüllungsgeschäft handelt. Auch dingliche Geschäfte können trotz ihrer abstrakten Natur nach dem Parteiwillen im Einzelfall mit Verpflichtungsabreden rechtlich verknüpft sein (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.1967 - III ZR 193/64, LM BGB §2371 Nr. 2).
Unterschriften
Dr. Kellermann
Dr. Bauer
Seidl
Brandes
Hesselberger
Fundstellen
Haufe-Index 1456269 |
NJW 1986, 2642 |
ZIP 1986, 1046 |
DNotZ 1986, 687 |