Leitsatz (amtlich)
1.1. Für die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen gilt im GmbH-Recht nicht die Monatsfrist des AktG § 246 Abs 1, sondern eine nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessende angemessene Frist. Dabei kann jedoch die Monatsfrist, die dem Gesellschafter in jedem Fall zur Verfügung stehen muß, als Leitbild herangezogen werden.
1.2. Welche Frist angemessen ist, hängt auch davon ab, ob zur Vorbereitung der Klage schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu klären sind.
2. Zur Frage der Angemessenheit der Dienstbezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers.
Orientierungssatz
Aus der unter den Gesellschaftern bestehenden Treuepflicht ist es unzulässig, einem Gesellschafter einen durch keine entsprechende Gegenleistung gedeckten Vermögensvorteil zuzuwenden, wenn den anderen Gesellschaftern nicht ein ebensolcher eingeräumt wird. Die einem als Geschäftsführer tätigen Gesellschafter gezahlte Vergütung muß deshalb angemessen sein. Was ein Geschäftsführer für ein bestimmtes Unternehmen wert ist, läßt sich nur unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Falles beurteilen. In die Gesamtbeurteilung der Angemessenheit der Vergütung sind auch die sonstigen Leistungen, die der Geschäftsführer erhält (etwaige private Nutzung des Dienstwagens, Versorgungsanspruch, Versicherungsbeiträge), einzubeziehen (vergleiche BGH, 1972-05-15, II ZR 70/70, WM IV 1972, 931 und BGH, 1976-10-04, II ZR 204/74, WM IV 1976, 1226).
Tatbestand
Der Kläger ist Gesellschafter der verklagten GmbH. Von deren Stammkapital, das 400.000 DM beträgt, halten der Kläger 150.000 DM, seine Ehefrau I. B. 170.000 DM und ihr Sohn R. B. 80.000 DM; letzterer ist alleinige Geschäftsführer. Am 22. Mai 1987 beschloß I. B. gegen die Stimmen des Klägers und unter Stimmenthaltung des Gesellschafters R. B., dessen Geschäftsführerbezüge rückwirkend vom 1. Januar 1987 an von bisher monatlich 10.000 DM auf 15.000 DM brutto zu erhöhen.
Der Kläger hat diesen sowie einen weiteren am 22. Mai 1987 gefaßten Beschluß, der nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, mit der am 1. August 1987 bei Gericht eingegangenen Klage angefochten. Er hat geltend gemacht, die – noch dazu rückwirkende – Anhebung der Bezüge sei im Hinblick auf die Ertragslage des Unternehmens nicht gerechtfertigt und stelle eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Mit dieser Maßnahme versuchten seine Mitgesellschafter, den erzielten Gewinn an ihm „bewußt vorbeizuschleusen”; das verstoße gegen sein Recht auf Gleichbehandlung und verletze die gesellschafterliche Treuepflicht.
Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger die den Gehaltserhöhungsbeschluß betreffende Anfechtungsklage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat die Klage als rechtzeitig erhoben angesehen. Es hat dazu ausgeführt, Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH brauchten nicht binnen eines Monats angefochten zu werden; es gelte vielmehr eine angemessene Frist. Diese Frist sei hier trotz der etwas mehr als zwei Monate, die zwischen Beschlußfassung und Klageerhebung lägen, gewahrt, weil es sich um eine personalistisch geprägte Gesellschaft handele und die Gesellschafter durch Verwandtschaft miteinander verbunden seien.
Das ist im Ergebnis rechtlich zutreffend.
Der Senat hat bereits in früheren Entscheidungen, ohne die Frage endgültig beantworten zu müssen, deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wegen der Verschiedenheiten zwischen Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewichtige Gründe dafür sprächen, die strikte Frist von einem Monat, innerhalb deren nach § 246 Abs. 1 AktG die Anfechtungsklage gegen einen Beschluß der Hauptversammlung erhoben werden muß, nicht auf das GmbH-Recht zu übertragen (BGHZ 101, 113, 117f.; BGHZ 104, 66, 70ff.; Urt. v. 17. Oktober 1988 – II ZR 18/88, WM 1989, 63, 66, jeweils mit Nachweisen aus dem Schrifttum). Das Bedürfnis an Rechtssicherheit, dem die einmonatige Anfechtungsfrist im Aktienrecht dient, ist dort wesentlich größer als bei der GmbH. Diese Gesellschaftsform ist im Gegensatz zur Aktiengesellschaft wegen der typischerweise zwischen den Gesellschaftern bestehenden persönlichen Beziehungen auf eine tragfähige Vertrauensgrundlage angewiesen. Etwaige Meinungsverschiedenheiten über einen von der Gesellschafterversammlung gefaßten Beschluß müssen nach Möglichkeit einvernehmlich bereinigt werden können, bevor eine Anfechtungsklage erhoben wird. Das führt dazu, § 246 Abs. 1 AktG auf Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH nicht entsprechend anzuwenden. Die Klage muß gleichwohl, wie der Senat in den erwähnten Entscheidungen ebenfalls ausgesprochen hat, mit aller dem anfechtungsberechtigten Gesellschafter zumutbaren Beschleunigung erhoben werden. Dabei kann die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG, die dem Gesellschafter in jedem Fall zur Verfügung stehen muß, als Leitbild herangezogen werden. Liegen keine besonderen Umstände vor und ist eine einverständliche Regelung nicht zu erwarten, muß der Gesellschafter Mängel, die ihm bereits bei der Beschlußfassung erkennbar sind, innerhalb eines Monats durch Klageerhebung geltend machen. Das gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts grundsätzlich auch für kleinere Gesellschaften, deren Gesellschafter durch verwandtschaftliche Beziehungen miteinander verbunden sind.
Nicht zumutbar ist dem Gesellschafter die Klageerhebung insbesondere, solange er nicht ausreichend Zeit hatte, schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu klären oder klären zu lassen, auf die es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ankommt (vgl. Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG 12. Aufl. Anh. § 47 Rdnr. 45). So war es hier. Die Rechtmäßigkeit der am 22. Mai 1987 beschlossenen Gehaltserhöhung für den Geschäftsführer hängt, wie noch auszuführen sein wird, von einer Reihe von Umständen ab, zu denen auch die Leistungsfähigkeit des Betriebes gehört. Diese läßt sich nur anhand der Geschäftsentwicklung und der Betriebsergebnisse des Unternehmens beurteilen und belegen. Dazu ist auch unter Berücksichtigung des besonderen Beschleunigungsbedürfnisses eine gewisse Zeit und vor allem Sachkunde erforderlich, über die ein Gesellschafter in der Regel nicht selbst verfügen wird. Dem Kläger war es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht zuzumuten, die Klage ohne konkrete Grundlage zu erheben. Er hat sich, wie einem an ihn gerichteten Schreiben der W. & P. Treuhandgesellschaft mbH vom 21. Juli 1987 zu entnehmen ist, von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine Bilanzanalyse erarbeiten lassen. Diese ist ihm mit jenem Schreiben zugegangen. Anschließend hat er die am 1. August 1987 bei Gericht eingegangene Klage erhoben. Damit ist der Kläger unter den gegebenen Umständen mit der nötigen Beschleunigung vorgegangen; der zwischen Gesellschafterbeschluß und Einreichung der Klage liegende Zeitraum von etwa zwei Monaten und zehn Tagen ist danach angemessen.
2. Das Berufungsgericht hat die Rechtmäßigkeit des Beschlusses, durch den das Gehalt des Geschäftsführers von 10.000 DM auf 15.000 DM monatlich erhöht worden ist, zutreffend unter den Gesichtspunkten des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der unter den Gesellschaftern bestehenden Treuepflicht geprüft. Hiernach ist es unzulässig, einem Gesellschafter einen durch keine entsprechende Gegenleistung gedeckten Vermögensvorteil zuzuwenden, wenn den anderen Gesellschaftern nicht ein ebensolcher Vorteil eingeräumt wird (vgl. Sen.Urteile v. 15. Mai 1972 – II ZR 70/70, WM 1972, 931, 933 und v. 4. Oktober 1976 – II ZR 204/74, WM 1976, 1226, 1227). Die einem als Geschäftsführer tätigen Gesellschafter gezahlte Vergütung muß deshalb, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen hat, angemessen sein. Sie darf in keinem Mißverhältnis zu der vergüteten Leistung und damit zu dem Entgelt stehen, das ein Fremdgeschäftsführer für die gleiche Tätigkeit erhalten hätte. Freilich können solche Leistungen, für die es keine taxmäßige Vergütung gibt, recht unterschiedlich bewertet werden. Den Gesellschaftern, die selbst am besten beurteilen können, was es ihnen und ihrem Unternehmen wert ist, einen bestimmten Geschäftsführer zu gewinnen, bleibt dabei ein Ermessensspielraum, innerhalb dessen ein bestimmter Vergütungsbetrag nicht deswegen als unangemessen bezeichnet werden kann, weil eine andere Bemessung sich ebenso gut oder besser vertreten ließe.
Das Berufungsgericht hat gemeint, jener Rahmen sei hier eingehalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, aus einer von der Beklagten vorgelegten Aufstellung über die Jahresbezüge für Außendienstleiter in der chemischen Industrie („Tabelle 19”) ergebe sich, daß die dem Geschäftsführer eingeräumten Bezüge noch innerhalb der Spannbreite vergleichbarer Vergütungen lägen. Diese Beurteilung greift die Revision zu Recht an. Was ein Geschäftsführer für ein bestimmtes Unternehmen wert ist, läßt sich nur unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Falles beurteilen. Dabei kann nicht, wie das Berufungsgericht meint, einseitig auf die vom Geschäftsführer zu erbringenden oder schon erbrachten Leistungen abgestellt, sondern es müssen die Besonderheiten des betreffenden Unternehmens berücksichtigt werden. Wie der Senat in dem oben erwähnten Urteil vom 4. Oktober 1976 (aaO S. 1228) ausgeführt hat, ist eine umfassende Würdigung aller Umstände erforderlich; zu ihnen gehören insbesondere Art, Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes, Alter, Ausbildung, Berufserfahrung und Fähigkeiten des Geschäftsführers sowie Umfang und Bedeutung seiner Tätigkeit. Erst dies alles zusammen ermöglicht es zu beurteilen, ob die Bezüge einschließlich aller sonstigen geldwerten Vorteile ein angemessenes Entgelt darstellen (vgl. auch Spitaler/Niemann, Die Angemessenheit der Bezüge geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, 5. Aufl., S. 26ff.). In diese Gesamtwürdigung ist im vorliegenden Fall auch die Tatsache einzubeziehen, daß das Gehalt rückwirkend erhöht worden ist.
Das Berufungsgericht hat eine solche umfassende Würdigung bisher nicht vorgenommen, sondern nur auf die bereits erwähnte Zusammenstellung der Bezüge der Außendienstleiter in der chemischen Industrie hingewiesen. Das reicht, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht aus. Der Kläger hat bereits Einzelheiten zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, insbesondere zur Umsatz- und Ertragsentwicklung vorgetragen und auch Bilanzen und sonstige Betriebszahlenzusammenstellungen vorgelegt. Das Berufungsgericht wird sich damit nunmehr, ggf. nach weiterem Sachvortrag der Parteien, befassen müssen.
Dabei wird sich voraussichtlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht vermeiden lassen; die eigene Sachkunde eines Richters wird in derartigen Fällen, in denen nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch Marktkenntnisse nötig sind, nur selten ausreichen. In die Gesamtbeurteilung der Angemessenheit der Vergütung werden auch die sonstigen Leistungen, die der Geschäftsführer erhält (etwaige private Nutzung des Dienstwagens, Versorgungsanspruch, Versicherungsbeiträge), einzubeziehen sein. Die Beweislast für die behauptete Unangemessenheit der Bezüge hat der Kläger, wobei freilich der Grundsatz zu berücksichtigen ist, daß den Gegner hinsichtlich solcher Umstände eine erhöhte Darlegungslast treffen kann, die er im Gegensatz zum Beweispflichtigen ohne Schwierigkeit offenlegen kann (vgl. BGHZ 71, 40, 48f.).
Damit die erforderliche Gesamtwürdigung nachgeholt werden kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 647927 |
BGHZ, 224 |
BB 1990, 1293 |
NJW 1990, 2625 |
ZIP 1990, 784 |
JZ 1991, 52 |
GmbHR 1990, 344 |