Entscheidungsstichwort (Thema)
Erben des Treuhänders. Formzwang eines Treuhandvertrages
Leitsatz (amtlich)
a) Ein Treuhandvertrag hinsichtlich eines GmbH-Geschäftsanteils, der vor der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages geschlossen wird, unterliegt nicht dem Formzwang des § 15 Abs. 4 GmbHG.
b) Verpflichtet sich ein Gesellschafter, seinen Geschäftsanteil künftig für einen Treugeber zu halten, bedarf diese Vereinbarung der notariellen Beurkundung (Ergänzung zu BGHZ 35, 272, 277). Ebenso ist die Treuhandabrede beurkundungsbedürftig, die der Gesellschafter nach Gründung, aber vor Eintragung der GmbH hinsichtlich des künftig entstehenden Geschäftsanteils schließt.
Normenkette
GmbHG § 15 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
OLG Rostock (Aktenzeichen 6 U 521/96) |
LG Neubrandenburg (Aktenzeichen 6 O 554/95) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 1. Oktober 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 3. April 1992 gründeten der Beklagte und die Kaufhaus J. GmbH & Co. KG in notarieller Form die mit einem Stammkapital von 1.050.000,– DM ausgestattete „J. und L. Kaufhaus GmbH” (im folgenden J.L. GmbH). Von den insgesamt sieben Stammeinlagen übernahm der Beklagte drei und zwar zwei i.H.v. 205.000,– DM und eine über 115.000,– DM. Die Hälfte der Einlageschuld war sofort bar zu erbringen. Der Beklagte und seine Ehefrau nahmen zur Finanzierung dieser Zahlungsverpflichtung bei dem Bankhaus P. einen bis Ende September 1992 befristeten Kredit über 262.500,– DM auf. Bei diesem Kreditinstitut ist der Kläger als Vorstandsmitglied tätig. Er schloß mit dem Beklagten unter dem 14. April 1992 einen schriftlichen Treuhandvertrag, der u.a. folgende Bestimmungen enthält:
„Vorbemerkung
Der Treuhänder hat an der J. und L. Kaufhaus GmbH … u.a. eine Stammeinlage in Höhe von DM 115.000,– übernommen. Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister wird er einen Geschäftsanteil in Höhe von DM 115.000,– halten. Der Treuhänder wird diesen Geschäftsanteil … treuhänderisch für den Treugeber erwerben. Bezüglich der Beteiligung gilt folgender
Treuhandvertrag
…
§ 2 Pflichten des Treuhänders
1. Der Treuhänder ist verpflichtet, alles, was er aufgrund der Beteiligung erlangt, an den Treugeber herauszugeben, sofern er es nicht einvernehmlich für den Treugeber verwaltet.
…
3. Der Treuhänder ist verpflichtet, dem Treugeber auf Anforderung jede Auskunft zu erteilen, die der Treuhänder als Gesellschafter von der GmbH verlangen kann. Der Treuhänder wird dem Treugeber unverzüglich die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen der K. AG für die J. und L. Kaufhaus GmbH sowie den Investitions- und Finanzplan der Gesellschaft zukommen lassen.
§ 3 Pflichten des Treugebers
1. Der Treugeber stellt dem Treuhänder die zur Leistung der Einlage erforderlichen Mittel zur Verfügung.
…
§ 6 Dauer des Treuhandverhältnisses
…
4. Der Treuhänder bzw. seine Erben haben nach Beendigung des Treuhandverhältnisses die Beteiligung auf den Treugeber … zu übertragen.”
Der Kläger stellte dem Beklagten und seiner Ehefrau Anfang Mai 1992 darlehensweise je 205.000,– DM zur Verfügung, die diese dazu verwandten, den bei dem Bankhaus P. aufgenommenen Kredit vorzeitig abzulösen; außerdem überwies er dem Beklagten zur selben Zeit einen Betrag von 115.000,– DM.
Der Gesellschaftsvertrag der J.L. GmbH, welche am 28. April 1992 in das Handelsregister eingetragen worden war, wurde Anfang Dezember 1992 u.a. dahingehend geändert, daß Gesellschaftszweck nunmehr die mehrheitliche Beteiligung an der „K. J.L. GmbH” sein sollte, welche unter der Geschäftsführung des Beklagten eine Reihe von Kaufhäusern in Mecklenburg-Vorpommern betreibt und dabei im Jahr 1994 einen Umsatz von 43,7 Mio. DM erwirtschaftet hat.
Ende 1993 entstand zwischen den Parteien Streit um die Erteilung von Informationen, die der Kläger von dem Beklagten – gestützt auf den Treuhandvertrag – gefordert hatte. Im Laufe dieser Auseinandersetzung wurden die beiden Darlehen über je 205.000,– DM an den Kläger zurückgezahlt. Der Beklagte kündigte den Treuhandvertrag zum 30. Juni 1995, weigerte sich jedoch, dem Verlangen des Klägers nach Übertragung des treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteils nachzukommen, sondern überwies ihm 115.000,– DM. Der Kläger seinerseits kündigte das Treuhandverhältnis fristlos und verlangte mit der Klage u.a. Abtretung des Geschäftsanteils und Verurteilung des Beklagten zur Erteilung von Informationen über die Bilanzen bzw. Jahresabschlüsse sowie Gewinnverwendungsbeschlüsse der J.L. GmbH und der K. J.L. GmbH und zur Herausgabe dieser Unterlagen für die Jahre 1992 – 1994 und der betriebswirtschaftlichen Auswertung für 1995. Das Landgericht hat – soweit nunmehr noch von Interesse – die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr im wesentlichen entsprochen und lediglich den Herausgabeanspruch bezüglich der Bilanzen bzw. Jahresabschlüsse und der Gewinnverwendungsbeschlüsse abgewiesen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Beklagten und die – unselbständige – Anschlußrevision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision und die Anschlußrevision sind begründet und führen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Treuhandabrede, welche in § 6 Nr. 4 ausdrücklich die Pflicht zur Übertragung der Beteiligung bei Beendigung des Treuhandverhältnisses enthält, sei erst nach der Gründung der J.L. GmbH geschlossen worden, sei auf einen künftig entstehenden Geschäftsanteil gerichtet gewesen und habe der notariellen Beurkundung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG nicht bedurft, weil sich die Herausgabepflicht des Beklagten schon aus dem Gesetz ergebe und die genannte Formvorschrift weder unmittelbar noch ihrem Sinne nach anzuwenden sei. Diese Begründung begegnet, wie die Revision mit Recht geltend macht, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
2. a) Mit Recht haben weder die Parteien noch das Berufungsgericht in Zweifel gezogen, daß auch hinsichtlich des Geschäftsanteils an einer GmbH ein Treuhandverhältnis begründet werden kann (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. § 2 Rdn. 60).
b) Die Übernahme von drei Geschäftsanteilen bei der Gründung der J.L. GmbH durch den Beklagten verstieß zwar gegen § 5 Abs. 2 GmbHG. Zutreffend leitet aber der Beklagte, nachdem die Gesellschaft einmal in das Handelsregister eingetragen ist und das Registergericht von den aus § 144 a FGG folgenden Befugnissen keinen Gebrauch gemacht hat, in der Revisioninstanz aus diesem Umstand nicht mehr her, daß es überhaupt an einem Geschäftsanteil fehle, auf den sich eine etwaige Übertragungspflicht beziehen könne.
c) Schon mit der Begründung des Treuhandverhältnisses, aufgrund dessen eine Person für den Treugeber einen Geschäftsanteil erwirbt, wird – aufschiebend bedingt – die Verpflichtung zur Anteilsübertragung begründet, weil der Treuhänder diese Beteiligung aus dem Treuhandverhältnis erlangt hat und bei dessen Beendigung kraft Gesetzes (§ 667 BGB) zur Herausgabe verpflichtet ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist mit dieser Feststellung nichts für die Entscheidung der Frage gewonnen, ob wegen dieser zwangsläufigen Rechtsfolge des Treuhandvertrages das Geschäft nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG beurkundungsbedürftig ist oder nicht. Maßgebend ist vielmehr, ob nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift das Beurkundungserfordernis auch für solche Rechtsgeschäfte gilt, die zwar nicht ausdrücklich, aber zwangsläufig – zumindest befristet oder bedingt – die Verpflichtung zur Geschäftsanteilsübertragung begründen.
d) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts erfordert der Sinn der Formvorschrift, daß auch die nach Gründung, aber vor Eintragung der GmbH geschlossene, auf den künftig entstehenden Geschäftsanteil abzielende Treuhandabrede in notarieller Form geschlossen wird.
Anders als die im wesentlichen dem Schutz vor Übereilung dienende Vorschrift des § 313 BGB zielt § 15 Abs. 4 GmbHG – wie der Bundesgerichtshof im Anschluß an die gefestigte Rechtsprechung des Reichsgerichts wiederholt ausgesprochen hat (vgl. BGHZ 13, 49, 51 f.;BGHZ 19, 69, 71; BGHZ 75, 352, 353; BGHZ 130, 71, 74) – nicht nur darauf ab, den im Hinblick auf § 16 GmbHG besonders wichtigen Beweis der Anteilsinhaberschaft zu gewährleisten, sondern soll auch vereiteln, daß GmbH-Geschäftsanteile Gegenstand des freien Handelsverkehrs werden.
Dieser Zweck der Vorschrift würde verfehlt, wenn hinsichtlich eines bestehenden Geschäftsanteils formfrei ein Treuhandverhältnis begründet werden könnte, aufgrund dessen der Treugeber die Übertragung des Geschäftsanteils auf sich verlangen könnte, zumal es der Treugeber in der Hand hätte, seinerseits weitere Treuhandverträge zu schließen, nach denen er verpflichtet wäre, jenen Anteil selbst treuhänderisch für einen Dritten zu halten. Wollte man – was der Senat früher ausdrücklich offen gelassen hat (BGHZ 35, 272, 277), vereinzelt im Schrifttum dagegen befürwortet wird (vgl. Hachenburg/Zutt aaO Anh. § 15 Rdn. 52; anders aber die h.M., vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. § 15 Rdn. 55 f.; Rowedder, GmbHG, 3. Aufl. § 15 Rdn. 28; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. § 15 Rdn. 45; Scholz/Winter, GmbHG, 8. Aufl. § 15 Rdn. 62; Ulmer, WPg. 1963, 120 f., ebenso auch der von Zutt für seine Auffassung angeführte Schlegelberger/K.Schmidt, HGB, 5. Aufl. Vor § 335 Rdn. 47 und 44) – eine derartige formfrei geschlossene Vereinbarungstreuhand zulassen, wäre damit im Ergebnis der Rechtsprechung des Senats der Boden entzogen, nach der die formlose Abtretung von Ansprüchen auf Übertragung eines Geschäftsanteils von der Rechtsordnung schlechthin und nicht nur dann nicht anerkannt werden kann, wenn im Einzelfall die Absicht der Umgehung der Formvorschrift festgestellt wird (BGHZ 75, 352, 354 f.).
Auch in der Gründungsphase der GmbH beanspruchen die genannten Schutzzwecke des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG Geltung. Für die Abtretung des künftigen, mit der Eintragung entstehenden Geschäftsanteils und die Eingehung der Verpflichtung hierzu ist dies in der Rechtsprechung des Senats wiederholt ausgesprochen worden (BGHZ 21, 242, 245; Urt. v. 26. September 1994 - II ZR 166/93, ZIP 1994, 1855). Nichts anderes kann für einen während der Gründungsphase der GmbH geschlossenen, den erst künftig mit der Eintragung der Gesellschaft entstehenden Geschäftsanteil erfassenden Treuhandvertrag gelten, soll nicht der Zweck der zwingenden Formvorschrift verfehlt werden.
3. Trägt danach die Begründung des angefochtenen Urteils die Entscheidung nicht, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung im Sinne des Revisionsantrags gleichwohl verwehrt. Von seinem Ausgangspunkt folgerichtig hat das Berufungsgericht nämlich nicht geprüft, ob die Parteien bereits vor dem Abschluß des notariellen Gesellschaftsvertrages der J.L. eine Treuhandvereinbarung getroffen haben. Dies konnte, da weder ein Geschäftsanteil vorhanden war noch dessen Entstehen in die Wege geleitet und nur noch von der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister abhängig war, formfrei geschehen (BGHZ 19, 69, 70 m.w.N.; Lutter/Hommelhoff aaO § 15 Rdn. 44; Baumbach/Hueck aaO § 15 Rdn. 55). Die Umstände der Gründung der J.L. GmbH, bei der der Beklagte insgesamt drei Geschäftsanteile, davon einen i.H.v. 205.000,– DM unstreitig für seine Ehefrau übernommen hat, ferner die Art, in der der Beklagte die erforderlichen Einlagemittel beschafft hat, sowie schließlich die zwischen den Parteien geführten, dem schriftlichen Abschluß des Treuhandvertrages vorausgegangenen Erörterungen – das gilt vor allem für die am 20. März 1992 unter Einbeziehung des Rechtsanwalts und Wirtschaftsprüfers Dr. B. geführten Gespräche – können dafür sprechen, daß eine Einigung zwischen den Parteien bereits vor der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages der J.L. GmbH zustande gekommen ist. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht die Gelegenheit, die gebotenen tatsächlichen Feststellungen zu treffen.
II.
Wird – wie revisionsrechtlich geboten – zugunsten des Klägers unterstellt, daß der Treuhandvertrag wirksam ist, erweist sich auch die Anschlußrevision als begründet. Der Kläger kann Herausgabe der Bilanzen bzw. Jahresabschlüsse und der Gewinnverwendungsbeschlüsse für die Jahre 1992 bis 1994 verlangen. Das ergibt sich aus § 2 Nr. 1 des Treuhandvertrages, den das Berufungsgericht bei seiner gegenteiligen, allein auf § 2 Nr. 3 aaO abstellenden Entscheidung nicht in den Blick genommen hat. Nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme, Nr. 3 aaO enthalte eine Spezialregelung, die die in Nr. 1 niedergelegte und für Treuhandverhältnisse typische Herausgabepflicht verdrängt.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.04.1999 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 208 |
BB 1999, 1233 |
DB 1999, 1210 |
DStR 1999, 861 |
HFR 2000, 226 |
NJW 1999, 2594 |
NWB 1999, 2350 |
GmbH-StB 1999, 188 |
EWiR 1999, 703 |
NZG 1999, 656 |
NZG 1999, 721 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1118 |
WuB 2000, 861 |
ZAP 1999, 609 |
ZIP 1999, 925 |
DNotZ 1999, 756 |
MDR 1999, 947 |
NJ 1999, 596 |
GmbHR 1999, 707 |
ZNotP 1999, 290 |
FB 1999, 168 |