Leitsatz (amtlich)
a) Wird auf Veranlassung der Verwaltung der Verlauf der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft durch ein stenografisches Wortprotokoll oder eine Tonbandaufnahme aufgezeichnet, kann der Aktionär von der Gesellschaft gegen Erstattung der Selbstkosten eine Abschrift der Teile des Protokolls bzw. der Aufzeichnung verlangen, die seine eigenen Fragen und Redebeiträge sowie die von den Mitgliedern des Vorstandes darauf erteilten Antworten und dazu abgegebenen Stellungnahmen umfaßt. Ein Anspruch auf Aushändigung einer vollständigen Abschrift des Protokolls bzw. der Tonbandaufnahme steht dem Aktionär nicht zu.
b) Die Frage, ob der Aktionär, der zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt Widerspruch zu notariellem Protokoll erklärt hat, ohne selbst Fragen gestellt oder Redebeiträge geleistet zu haben, eine Protokollabschrift über die Stellungnahmen und Antworten der Vorstandsmitglieder dazu verlangen kann, bleibt offen.
Normenkette
AktG § 130
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 23.09.1992) |
LG München I (Urteil vom 05.03.1992) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. September 1992 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben und das Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I vom 5. März 1992 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als der von dem Kläger unter I b) der Berufungsbegründungsschrift verfolgte Hilfsantrag abgewiesen worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Abschrift der Teile des Tonbandprotokolls der Hauptversammlung der Beklagten vom 31. Mai 1990 – Zug um Zug gegen Erstattung der ihr durch die Fertigung des Protokolls entstehenden Kosten – auszuhändigen, die seine Redebeiträge und Fragen sowie die dazu abgegebenen Stellungnahmen und darauf erteilten Antworten der Mitglieder des Vorstandes der Beklagten wiedergeben.
Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Die Beklagte führte am 31. Mai 1990 ihre Jahreshauptversammlung durch. Sie ließ über den gesamten Verlauf eine Tonbandaufzeichnung fertigen, nachdem ihr Versammlungsleiter den Versammlungsteilnehmern dieses Vorhaben bekanntgegeben und darauf hingewiesen hatte, daß er den Tonmitschnitt für einzelne Beiträge unterbrechen lasse, sofern das der jeweilige Redner verlange.
Der Kläger, Kleinaktionär der Beklagten, der gegen die Aufzeichnung seiner Redebeiträge keine Einwände erhob, stellte in Wahrnehmung seines Auskunftsrechts Fragen an den Vorstand der Beklagten, die der Vorstandsvorsitzende beantwortete.
Der Kläger begehrt – gegebenenfalls gegen Kostenerstattung – die Überlassung einer Abschrift der gesamten Tonbandaufzeichnung, hilfsweise seiner Redebeiträge und Fragen sowie der Stellungnahmen, die von den Mitgliedern des Vorstandes der Beklagten dazu abgegeben worden sind, und der Antworten, die sie darauf erteilt haben. Auf jeden Fall müsse ihm gestattet werden, das gesamte Tonbandprotokoll, hilfsweise seine Redebeiträge und Fragen sowie die Stellungnahmen und Antworten der Vorstandsmitglieder, abzuhören und davon eine Abschrift zu fertigen.
Vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht hatte die Klage keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erteilung einer Abschrift derjenigen Teile der Tonbandaufzeichnung über die Hauptversammlung der Beklagten vom 31. Mai 1990 zu, die seine Redebeiträge und Fragen sowie die dazu abgegebenen Stellungnahmen und die darauf erteilten Antworten der Mitglieder des Vorstands der Beklagten enthalten. Die Aushändigung kann der Kläger nur Zug um Zug gegen Erstattung der bei der Beklagten durch die Fertigung der Protokollabschrift entstehenden Kosten verlangen.
I.
Ein Anspruch darauf, daß ihm eine Abschrift des gesamten Tonbandprotokolls oder der Protokollteile, in denen sich seine Beiträge und Fragen sowie die dazu abgegebenen Stellungnahmen und darauf erteilten Antworten der Mitglieder des Vorstandes der Beklagten befinden, erteilt oder das Abhören zum Zwecke der selbständigen Fertigung entsprechender Abschriften gestattet wird, folgt allerdings nicht aus Vertrag (Schuldversprechen der Beklagten). Eine dahingehende vertragliche Vereinbarung kann nicht schon der an die Aktionäre zu Beginn der Hauptversammlung ergangenen Aufforderung des Versammlungsleiters, in die Tonbandaufzeichnung einzuwilligen, und dem diesem Wunsch entsprechenden Verhalten entnommen werden. Der Leiter einer Hauptversammlung muß auf die Absicht, die Redebeiträge auf Tonträger mitzuschneiden, ausdrücklich aufmerksam machen und die Teilnehmer darauf hinweisen, daß sie für die Dauer ihres Redebeitrages die Unterbrechung der Aufnahme verlangen können (Werner in GroßKomm. z. AktG, 4. Aufl., § 130 Rdn. 124; Semler in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, AG, 1988, § 36 Rdn. 48; Martens, Leitfaden für die Leitung der Hauptversammlung einer AG, 1992, S. 31; Max, AG 1991, 77, 81; vgl. BGHZ 44, 245, 254), um sicherzustellen, daß durch die Tonaufzeichnung nicht in unzulässiger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Redner (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingegriffen wird (BGHZ 27, 284; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1973/1974, vor § 118 Rdn. 62 f.; Martens, WM 1981, 1010, 1014; Max, AG 1991 a.a.O., S. 82). Der Erklärungsgehalt der Aufforderung, die Aufzeichnung zu gestatten, erschöpft sich folglich darin, die Rechtsgrundlage für die Tonbandaufnahme und ihre gesellschaftsinterne Verwertung zu schaffen. Er kann jedoch nicht dahin gedeutet werden, daß die Gesellschaft eine Zusage hat machen wollen, den Aktionären auf deren Verlangen hin ein mit Hilfe des Tonbandprotokolls gefertigtes Wortprotokoll über die Hauptversammlung ganz oder in bestimmten Teilen zugänglich zu machen. Die Annahme einer derartigen Zusage würde – auch im Hinblick auf ihre Tragweite für die Gesellschaft – zusätzliche, für eine vertragliche Bindung sprechende konkrete Anhaltspunkte erfordern. Solche sind nicht ersichtlich. Sie können, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, insbesondere nicht darin gesehen werden, daß manch andere Gesellschaft derartige Protokollabschriften zur Verfügung stellt und der Kläger die Vorstellung gehabt hat, auch die Beklagte werde das tun.
II.
Der Anspruch auf Aushändigung einer vollständigen Abschrift des Tonbandprotokolls oder eines Protokollauszuges, in dem bestimmte Teile der Aufzeichnung wiedergegeben werden, bzw. auf Gestattung, die Aufzeichnung ganz oder teilweise zum Zweck der selbständigen Fertigung von Abschriften abzuhören, kann auch nicht auf § 810 BGB gestützt werden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Regelung dieser Vorschrift, deren Wortlaut nur Urkunden umfaßt, überhaupt auf Tonbandprotokolle erstreckt (bejahend Müller/Kober in Staudinger, BGB, 10./11. Aufl., § 810 Rdn. 9; ablehnend Steffen in RGRK, BGB, 12. Aufl., § 810 Rdn. 3). Auch wenn man davon ausgehen und damit der Tonbandaufnahme die Urkundseigenschaft eines stenografischen (Wort-)Protokolls zusprechen würde, wären die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung nicht erfüllt: Notizen, die ein Vertragspartner zu seinem eigenen Gebrauch macht, fallen nicht in den Geltungsbereich des § 810 BGB (RGZ 152, 213, 217; Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der AG, 3. Aufl., S. 302 f.); die Gesellschaft errichtet das von ihr aufgenommene Wortprotokoll grundsätzlich nicht im Interesse einzelner Aktionäre (Werner a.a.O. § 130 Rdn. 211; Max, AG 1991 a.a.O., S. 84). Diesem Zweck dient vielmehr die förmliche Niederschrift i.S.d. § 130 AktG. Davon unabhängig ist die auf dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht oder der Treupflicht beruhende Verpflichtung zu sehen, dem Aktionär eine Abschrift von bestimmten Teilen des Protokolls auszuhändigen (vgl. unter III 2 c, d). In dem Wortprotokoll wird kein zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet (Werner in GroßKomm. z. AktG a.a.O., § 130 Rdn. 124; Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 3. Aufl., S. 303; Barz, AG 1962, Sonderbeilage I, 1, S. 11; Max, AG 1991 a.a.O., S. 84). Schließlich dokumentiert die Aufzeichnung keine Verhandlungen zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft über ein Rechtsgeschäft (Max, AG 1991 a.a.O., S. 84).
III.
Der Kläger kann eine Verpflichtung der Beklagten zur Aushändigung einer Abschrift der vollständigen Tonbandaufzeichnung oder zur Gestattung ihres Abhörens, um selbständig eine Abschrift fertigen zu können, auch nicht auf die dieser obliegende gesellschaftliche Treuepflicht oder sein allgemeines Mitgliedschaftsrecht stützen. Ihm steht jedoch ein Anspruch darauf zu, daß ihm eine Abschrift der Teile des Tonbandprotokolls zur Verfügung gestellt wird, aus denen seine eigenen Ausführungen und Anträge sowie die von den Mitgliedern des Vorstandes dazu abgegebenen Stellungnahmen und die darauf von ihnen erteilten Antworten hervorgehen.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht zwischen der Aktiengesellschaft und ihren Aktionären ein Treupflichtverhältnis (BGHZ 14, 25, 38; 103, 184, 194; zur GmbH vgl. BGHZ 9, 157, 163; 65, 15, 18). Es beinhaltet für die Gesellschaft die Pflicht, dem einzelnen Aktionär eine ungehinderte und sachgemäße Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte zu ermöglichen und alles zu unterlassen, was dieses Recht beeinträchtigen könnte (zur Verletzung der Treupflicht durch eine GmbH vgl. BGH, Urt. v. 30. September 1991 – II ZR 208/90, ZIP 1991, 1584, 1585; BGHZ 65, 15).
Im Schrifttum wird die Fertigung wortgetreuer Aufzeichnungen als Angelegenheit der Gesellschaft angesehen, die Aufzeichnungen selbst werden als interne Gesellschaftsunterlagen gewertet. Eine sich aus der Treupflicht ergebende Verpflichtung der Gesellschaft, dem Aktionär eine vollständige Abschrift der Aufzeichnungen zu überlassen oder unbeschränkt Einsicht zu gewähren, wird weitgehend verneint (Werner in GroßKomm. z. AktG a.a.O., § 130 Rdn. 121–124; Hüffer a.a.O., § 130 Rdn. 1; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff a.a.O., § 130 Rdn. 11; Semler in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts a.a.O., § 36 Rdn. 48; Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft a.a.O., S. 303 f.; Martens, Leitfaden für die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft a.a.O., S. 15; Max, AG 1991 a.a.O., S. 83 f.; OLG Düsseldorf, BB 1962, 1390 f.). Hingegen wird ihm ein Anspruch darauf eingeräumt, daß ihm ein Auszug des Protokolls über seine Fragen und Redebeiträge zur Verfügung gestellt bzw., soweit eine Tonbandaufzeichnung vorliegt, die Gelegenheit gegeben wird, seine Erklärungen unter Aufsicht abzuhören. Aufgrund ihrer Treupflicht müsse die Gesellschaft dem Aktionär die Möglichkeit zur Berichtigung etwaiger Fehler geben (Werner in GroßKomm. z. AktG a.a.O., § 130 Rdn. 123/124; Max, AG 1991 a.a.O., § 84; vgl. auch Obermüller/Werner/Winden a.a.O., S. 303 f.). Die Gewährung eines solchen Anspruchs wird nach anderer Ansicht auch auf Tonbandaufzeichnungen beschränkt und davon abhängig gemacht, daß die Aktionäre nicht auf ihr Recht, der Aufzeichnung ihres Beitrages zu widersprechen, aufmerksam gemacht worden sind. Ihnen soll aber ein generelles Recht zustehen, ihre Ausführungen einer Abhörkontrolle zu unterziehen (Martens, Leitfaden a.a.O., S. 15 und 32). Weitergehend wird die Ansicht vertreten, der Aktionär könne eine Protokollabschrift von seinen Erklärungen und Fragen und den darauf erteilten Antworten der Mitglieder des Vorstandes verlangen (Semler in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts a.a.O., § 36 Rdn. 48).
Es wird aber auch eine Pflicht der Gesellschaft, jedem Aktionär auf sein Verlangen hin eine vollständige Abschrift des stenografischen Protokolls oder der Tonbandaufzeichnung – allerdings nur gegen Kostenerstattung – zu erteilen, bejaht. Sie ergebe sich aus dem zwischen Gesellschaft und Aktionär bestehenden Mitgliedschaftsverhältnis (Zöllner in KK z. AktG, 1985, § 119 Rdn. 63; im Ergebnis ebenso Barz in GroßKomm. z. AktG, 3. Aufl., § 119 Anm. 27; ferner Henn, Handbuch des Aktienrechts, 4. Aufl. S. 340; zur Mitgliedschaft und den daraus folgenden Aktionärsrechten vgl. Hüffer a.a.O., § 11 Rdn. 2 f.; Kraft in KK z. AktG, 2. Aufl., § 11 Rdn, 11 f.; ferner Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, § 30 2 b, S. 350). Den Aktionären seien wichtige Kontrollaufgaben übertragen. Zu den Kontrollbefugnissen gehörten auch die gerichtliche Überprüfung der Hauptversammlungsbeschlüsse und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Die Entscheidung der Frage, ob die Einleitung derartiger Verfahren sinnvoll sei, mache vielfach den genauen Einblick in den Gang der Verhandlungen dringend erforderlich. Die übermächtige und in Beweisfragen ungleich günstigere Stellung der Gesellschaft werde noch verstärkt, wenn sie die Einsicht in die Versammlungsprotokolle verweigern dürfe (Zöllner in KK z. AktG a.a.O., § 119 Rdn. 63).
2. Ein Anspruch des Aktionärs auf Aushändigung einer vollständigen Abschrift der in einer Hauptversammlung vorgenommenen Wortprotokoll- oder Tonbandaufzeichnung ergibt sich weder aus dem Gesetz noch folgt er nach Ansicht des Senats aus dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs bzw. der Treupflicht der Gesellschaft. Hingegen folgt aus dem Mitgliedschaftsverhältnis bzw. der Treupflicht der Gesellschaft die Verpflichtung, dem Aktionär eine schriftliche Aufzeichnung der Teile des stenografischen Protokolls oder der Tonbandaufzeichnung auszuhändigen, die seine Fragen und Beiträge sowie die darauf erteilten Antworten einschließlich der dazu gegebenen Begründungen der Mitglieder des Vorstandes enthalten.
a) Eine gesetzliche Verpflichtung der Gesellschaft zur Aufzeichnung des Hauptversammlungsverlaufs in einem stenografischen Protokoll oder durch Tonmitschnitt, aus der ein Anspruch des Aktionärs auf Aushändigung einer Protokollabschrift hergeleitet werden könnte, besteht nicht. Das Gesetz ordnet lediglich die Abfassung eines von einem Notar zu fertigenden Ergebnisprotokolls an, das die Willensbildung der Hauptversammlung dokumentieren und dadurch Rechtssicherheit unter den Beteiligten schaffen soll (Hüffer, AktG a.a.O., § 130 Rdn. 1; Zöllner in KK z. AktG a.a.O., § 130 Rdn. 2; Eckardt in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff a.a.O., § 130 Rdn. 9/10). Gegenstand dieser Niederschrift sind die Hauptversammlungsbeschlüsse (§ 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AktG), gegen diese von Aktionären zur Niederschrift erklärte Widersprüche (§ 245 Nr. 1 AktG), bei Auskunftsverweigerung auf Verlangen des Aktionärs Auskunftsbegehren und Verweigerungsgrund (§ 131 Abs. 5 AktG), bestimmte Minderheitsverlangen (§ 130 Abs. 1 Satz 2 AktG) und Widersprüche von Aktionärsminderheiten gegen Hauptversammlungsbeschlüsse mit bestimmtem Inhalt (vgl. die Übersicht bei Hüffer a.a.O., § 130 Rdn. 4).
Gemäß § 130 Abs. 5 AktG ist die Niederschrift nebst ihren Anlagen – dem Teilnehmerverzeichnis (§ 129 AktG) und den Belegen über die Einberufung (§ 121 Abs. 3 AktG) – in öffentlich beglaubigter Form zum Handelsregister einzureichen. Die Möglichkeit, daß der Aktionär seine Interessen und Rechte gegenüber der Gesellschaft in ausreichendem Maße wahrnehmen kann, sieht das Gesetz dadurch gewahrt, daß er entweder das Handelsregister und die von der Gesellschaft dort eingereichten Unterlagen einsieht (§ 9 Abs. 1 HGB) oder sich Abschriften erteilen läßt (§ 9 Abs. 2 HGB).
Obwohl es seit langem möglich ist, stenografische Wortprotokolle zu fertigen oder den Verlauf der Hauptversammlung auf Tonband aufzuzeichnen und die Gesellschaften davon weitgehend Gebrauch machen, hat der Gesetzgeber bislang keine Veranlassung gesehen, den Gesellschaften zur Wahrung der Rechte und Interessen der Aktionäre eine solche Aufzeichnung vorzuschreiben und den Aktionären die Möglichkeit zu eröffnen, sich davon Abschriften zu verschaffen.
Daraus kann allerdings nicht der Schluß gezogen werden, daß die gesetzliche Regelung abschließend ist und das Verlangen auf Erteilung einer Wortprotokollabschrift bereits deswegen als ungerechtfertigt angesehen werden müßte. Vielmehr kann nur davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber bisher keine zwingende Notwendigkeit für die Einführung einer derartigen Maßnahme gesehen hat.
b) Eine Verpflichtung der Gesellschaft, dem einzelnen Aktionär auf dessen Verlangen eine vollständige Abschrift von einem auf ihre Veranlassung aufgenommenen stenografischen Wort- oder Tonbandprotokoll zu überlassen, folgt auch nicht aus dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs oder der Treupflicht der Gesellschaft.
Ein derartiges Protokoll gibt den Ablauf der Hauptversammlung vollständig wieder. Es enthält nicht nur die nach dem Gesetz förmlich in die Niederschrift aufzunehmenden Einzelheiten und Ergebnisse sowie die Fragen und Redebeiträge des Gesuchstellers einschließlich der darauf erteilten Antworten des Vorstandes der Gesellschaft, sondern auch Fragen und Beiträge anderer Aktionäre sowie die Antworten nebst Begründungen, die der Vorstand dazu gibt.
Über die in das förmliche Protokoll aufgenommenen Einzelheiten sowie die Protokollanlagen kann sich der Aktionär Abschriften nach § 9 Abs. 2 HGB verschaffen. Auf diese Möglichkeit der Informationsbeschaffung nach dem Gesetz ist er zu verweisen. Insoweit vermag ihm auch das Wortprotokoll keine weitergehenden Erkenntnisse zu vermitteln.
Die Fragen und Redebeiträge anderer Aktionäre betreffen regelmäßig die Angelegenheiten der Gesellschaft. Sie berühren daher auch die gesellschaftsbezogenen Interessen und damit das Mitgliedschaftsverhältnis nicht nur der Redner, sondern aller Aktionäre. Werden derartige Beiträge wortgetreu aufgezeichnet, erlangt auch der Vorgang der Aufzeichnung – über ihren Inhalt – einen Bezug zu dem Mitgliedschaftsverhältnis der Aktionäre. Aus diesem allgemeinen mitgliedschaftlichen Bezug der Aufzeichnung folgt jedoch nicht ohne weiteres ein konkreter, aus der Mitgliedschaft des Aktionärs oder der Treupflicht der Gesellschaft herzuleitender Anspruch auf Aushändigung einer auch diese Teile des Protokolls umfassenden Abschrift. Das könnte nur dann bejaht werden, wenn der Aktionär seine Mitgliedschaftsrechte nicht sachgemäß ausüben könnte, ohne daß ihm eine solche Abschrift ausgehändigt worden wäre. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden.
Es trifft zwar zu, daß die Aktiengesellschaft in der Regel aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden sachlichen Mittel und personellen Möglichkeiten sowie der ihr zukommenden organisatorischen Befugnisse in der Hauptversammlung besser dasteht als ihre Aktionäre. Das heißt aber nicht, daß diese tatsächlich und rechtlich nicht in der Lage sind, ihre Mitgliedschaftsrechte einschließlich der ihnen nach dem Gesetz vorbehaltenen Verwaltungs- und Kontrollrechte wirksam auszuüben. Der einzelne Aktionär ist berechtigt, den Ablauf der Hauptversammlung stenografisch oder durch anderweitige schriftliche Aufzeichnungen festzuhalten, ohne dazu das Einverständnis des Versammlungsleiters oder der übrigen Versammlungsteilnehmer einholen zu müssen (Obermüller/Werner/Winden a.a.O., S. 305; Martens a.a.O., S. 15; Max AG 1991 a.a.O., S. 83 f.). Dadurch wird er in die Lage versetzt, seine Interessen und die ihm nach dem Gesetz zustehenden Rechte in angemessener Weise wahrzunehmen. Dabei darf der Umstand, daß die Tagesordnung einer Hauptversammlung häufig sehr umfangreich ist und der einzelne Aktionär kaum in der Lage sein wird, über alle Punkte und die zu ihnen vorgetragenen Ansichten Aufzeichnungen zu machen, nicht überbewertet werden. Gewöhnlich wird sich sein Augenmerk auf bestimmte, von ihm als „kritisch” eingeordnete einzelne Themenschwerpunkte richten, die zudem oft bei mehreren Tagesordnungspunkten von Bedeutung sind und durch stenografische oder sonstige schriftliche Aufzeichnungen relativ leicht erfaßt werden können. Insoweit darf auch nicht übersehen werden, daß die Gesellschaft den Aktionären zu ihrer Information eine Reihe von Unterlagen zur Verfügung stellen muß (vgl. u.a. § 120 Abs. 3 Satz 2 u. 3, §§ 124 ff., §§ 175 Abs. 2, 176 Abs. 1, 186 Abs. 4 Satz 2 AktG).
Bereits diese Einzelheiten zeigen, daß es regelmäßig weder aus tatsächlichen noch rechtlichen Gründen geboten erscheint, dem Aktionär zur Wahrung seiner Belange sowie der ihm vom Gesetz im allgemeinen Interesse übertragenen Befugnisse den geltend gemachten Anspruch auf Aushändigung der vollständigen Abschrift eines Wortprotokolls über die Hauptversammlung mit den Beiträgen der anderen Aktionäre zu gewähren.
An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, daß der Aktionär im Gegensatz zur Aktiengesellschaft in aller Regel nicht in der Lage ist, den Verlauf der Hauptversammlung auf einem Tonband aufzuzeichnen. Heimliche Tonbandaufnahmen darf er nicht fertigen, weil er damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht der übrigen Hauptversammlungsteilnehmer verletzen würde (BGHZ 27, 284; Obermüller/Werner/Winden a.a.O., S. 304; Max, AG 1991 a.a.O., S. 83 f.; zum Recht am gesprochenen Wort vgl. BVerfGE 34, 238, 246 f.). Aktionäre können Tonbandmitschnitte daher nur mit Zustimmung des Versammlungsleiters und der übrigen Teilnehmer der Versammlung vornehmen (Semler in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts a.a.O.; Max, AG 1991 a.a.O.). Der einzelne Aktionär wird im allgemeinen auch nicht in der Lage sein, das Einverständnis der Hauptversammlungsteilnehmer zur Vornahme einer Tonbandaufzeichnung zu erlangen. Der Versammlungsleiter wird sich aus organisatorischen Gründen zur Erteilung seiner Zustimmung nicht in der Lage sehen: Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz im Gesellschaftsrecht (§ 53 a AktG) wäre er gezwungen, allen anwesenden Aktionären Aufzeichnungen zu gestatten. Soweit bestimmte Teilnehmer ihr Einverständnis nicht geben würden, könnte er nicht gewährleisten, daß die Aufzeichnung unterbliebe. Unter diesen Umständen ist es daher nur der Gesellschaft möglich, Tonbandaufzeichnungen zu fertigen. Soweit ein Teilnehmer die Aufzeichnung seiner Redebeiträge durch sie nicht wünscht, kann der Versammlungsleiter sicherstellen, daß die Aufzeichnung unterbleibt.
Dadurch entsteht aber keine andere Sachlage als in dem Falle, daß die Gesellschaft den Hauptversammlungsverlauf in Form stenografischer Aufzeichnungen festhält. Die Gesellschaft erlangt in bezug auf die Möglichkeit der Auswertung der Beiträge keine größeren Vorteile, die Aktionäre sind auch hier in der Lage, die von ihnen benötigten Informationen schriftlich aufzuzeichnen.
c) Diese Situation stellt sich aber anders dar, wenn der Aktionär selbst Beiträge zu bestimmten Tagesordnungspunkten leistet und Fragen an den Vorstand stellt. Die Gesellschaft verfügt in diesem Fall über die Aufzeichnung der gesamten von dem Aktionär gemachten Ausführungen. Der Aktionär ist hingegen nicht in der Lage, seinen Redebeitrag festzuhalten. Zwar hat er die Möglichkeit, die Stellungnahmen und Fragen, die er bereits vor der Hauptversammlung anhand der Prüfung der ihm zugänglich gemachten Unterlagen vorbereitet, in einem Manuskript niederzulegen. In der Regel erschöpfen sich die Beiträge der Aktionäre nicht in der Verlesung solch vorbereiteter Stellungnahmen. Der Aktionär ist vielmehr häufig gezwungen, in seine Stellungnahmen Einzelheiten einzubeziehen, die sich für ihn erst im Verlauf der Hauptversammlung ergeben haben. Vielfach sieht er sich aufgrund der Erörterungen in der Hauptversammlung, insbesondere nach bestimmten, vom Vorstand erteilten Antworten gezwungen, weitere ihm klärungsbedürftige Einzelheiten aufzugreifen und ergänzende Fragen zu stellen. Das geschieht in aller Regel in freier Rede und Widerrede, ohne daß der Aktionär, der ja gleichzeitig den weiteren Verlauf der Hauptversammlung im Auge behalten und seine Aufmerksamkeit den Beiträgen anderer Redner widmen muß, in der Lage ist, seine weiteren Stellungnahmen zuvor schriftlich niederzulegen. Dabei kann es vorkommen, daß frühere – insbesondere vor der Hauptversammlung in einem Manuskript niedergelegte – Überlegungen überholt sind und durch andere Erwägungen ersetzt oder ergänzt werden müssen. Diese Einzelheiten vermag der Aktionär nur dann nachzuvollziehen, wenn ihm die darüber vorhandenen Aufzeichnungen zugänglich gemacht werden. Geschähe das nicht, wäre er kaum oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten in der Lage, seine mitgliedschaftlichen Rechte, die er auf der Grundlage der von ihm mit dem Vorstand geführten Erörterung wahrnehmen möchte, zu verfolgen. Eine sachgerechte Wahrnehmung wäre nicht sichergestellt. Er wäre darüber hinaus erheblich schlechter gestellt als die Gesellschaft, der Aufzeichnungen von diesen Ausführungen zur Verfügung stehen und die sich demgemäß in der den Aktionär betreffenden Angelegenheit ohne Schwierigkeiten ein der Sachlage entsprechendes Bild vom Verlauf der Hauptversammlung machen kann.
Diese Mängel können dadurch behoben werden, daß die Gesellschaft dem Aktionär eine Abschrift der Aufzeichnung seiner Beiträge zur Verfügung stellt. Zwar ist es auch denkbar, daß dem betroffenen Aktionär Einsicht in die stenografische Aufzeichnung oder ein Abhören der Tonbandaufzeichnung ermöglicht wird, soweit seine Beiträge festgehalten worden sind. Den Belangen des Aktionärs wird jedoch am ehesten dadurch entsprochen, daß ihm Abschriften von den Tonband- bzw. Protokollteilen zur Verfügung gestellt werden, in denen sich die entsprechenden Erklärungen, Fragen und Antworten befinden. Demgemäß strebt der Kläger mit seinen Hilfsanträgen auch in erster Linie die Erteilung einer solchen Abschrift an.
Für die Beklagte würde es einen größeren organisatorischen Aufwand mit sich bringen, wenn sie dem Kläger – unter Aufsicht und Assistenz eines Angestellten – das Abhören der Tonbandteile und die Fertigung von Abschriften gestatten müßte, als wenn sie die Abschriften davon selbst fertigen läßt. Dem Senat erscheint es daher gerechtfertigt, den Aktionären einen Anspruch auf Aushändigung von Abschriften einer stenografisch oder mittels Tonband vorgenommenen Aufzeichnung seiner Beiträge zuzubilligen, wobei es dogmatisch keiner Entscheidung bedarf, ob dieser Anspruch auf dem Mitgliedschaftsverhältnis zwischen Aktionär und Gesellschaft beruht oder aus der Treupflicht der Gesellschaft herzuleiten ist. Beide Rechtsgrundlagen tragen einen solchen Anspruch.
d) Der Senat ist ferner der Ansicht, daß dem Aktionär, dessen Beiträge aufgezeichnet worden sind, nicht nur eine Protokollabschrift von seinen Fragen und Redebeiträgen, sondern auch von den durch die Mitglieder des Vorstandes darauf abgegebenen Stellungnahmen und Antworten zu gewähren ist. Das ergibt sich einmal aus der besonderen Situation, in der sich der mit eigenen Stellungnahmen in der Hauptversammlung auftretende Aktionär befindet, zum anderen aus dem sachlichen Zusammenhang, der zwischen Fragen und Antworten sowie den ihnen zugrundeliegenden Ausführungen besteht.
Der Aktionär, der selbst auf der Hauptversammlung mit Redebeiträgen hervortritt, beschränkt sich meist nicht auf die vor der Hauptversammlung vorbereiteten, in aller Regel in einem Manuskript festgehaltenen Ausführungen, sondern er wird sich in Rede und Gegenrede mit den Argumenten und Antworten des Vorstandes auseinandersetzen, was aus seiner Sicht zu einem weiteren Aufklärungsbedarf und damit zu weiteren Fragen führen kann. Da er diese Beiträge gedanklich und durch Niederlegung von Stichworten zu seinen weiteren Stellungnahmen und Fragen vorbereiten muß, wird es ihm nicht immer möglich und zumutbar sein, die Ausführungen des Vorstands in allen Einzelheiten festzuhalten. Insoweit liegt eine besondere Schwierigkeit auch darin, daß er keine Aufzeichnungen zumindest über einen Teil seiner Ausführungen hat. Gerade auf solche Einzelheiten kann es aber entscheidend ankommen, wenn der Aktionär eine Entscheidung darüber treffen möchte, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen er zur Wahrung seiner Rechte einleiten soll. In dieser seiner besonderen Situation kann ihm das von der Gesellschaft aufgenommene Protokoll äußerst hilfreich sein, da es die Stellungnahmen des Vorstandes genau festhält und den Aktionär in die Lage versetzt, durch Gegenüberstellung seiner Fragen und Ausführungen sowie der vom Vorstand dazu abgegebenen Stellungnahmen und darauf erteilten Antworten eine sachgemäße Entscheidung zu treffen. Soweit daher die Gesellschaft eine Aufzeichnung des Hauptversammlungverlaufs vornimmt, ist sie gehalten, auf Verlangen einem Aktionär auch Abschriften der Stellungnahmen und Antworten zugänglich zu machen, die der Vorstand zu dessen Ausführungen und Fragen abgegeben hat.
Ob ein solches Recht mit Rücksicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a AktG) auch einem Aktionär zusteht, der keine eigenen Redebeiträge geliefert, aber gegen den Hauptversammlungsbeschluß zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt Widerspruch zur notariellen Niederschrift erklärt hat (so Max, AG 1991 a.a.O., S. 84), läßt der Senat ausdrücklich offen.
IV.
Die Herstellung der Abschrift geschieht im Interesse und in Wahrnehmung eines Rechtes des Klägers. Es ist daher angemessen, ihm die Kosten, die der Beklagten durch die Fertigung der Abschrift entstehen, aufzubürden. Die Gesellschaft braucht die Abschrift nur Zug um Zug gegen Erstattung dieser Kosten auszuhändigen. Diese Kostenregelung entspricht auch dem in § 811 Abs. 2 BGB niedergelegten Rechtsgedanken. Diesem Umstand hat der Kläger mit seinem Hilfsantrag Rechnung getragen, die Beklagte zur Erteilung der Abschrift Zug um Zug gegen Erstattung der durch die Fertigung entstehenden Kosten zu verurteilen.
V.
Der Revision des Klägers war demnach nur insoweit stattzugeben, als er – gegen Kostenerstattung – die Aushändigung einer Abschrift von Teilen der Tonbandaufzeichnung verlangt, die seine Redebeiträge und Fragen sowie die darauf bezogenen Ausführungen und Antworten der Vorstandsmitglieder der Beklagten enthalten.
Im übrigen ist seine Klage in den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen worden. Insoweit war auch seine Revision zurückzuweisen.
Unterschriften
Boujong, Röhricht, Dr. Henze, Dr. Goette, Dr. Greger
Fundstellen
Haufe-Index 1778281 |
BGHZ |
BGHZ, 107 |
BB 1994, 2091 |
NJW 1994, 3094 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1994, 1597 |
DNotZ 1995, 551 |