Leitsatz (amtlich)
Der wirtschaftliche Alleingesellschafter einer GmbH haftet der Gesellschaft grundsätzlich nicht aus Geschäften, die er während seiner Alleinstellung für die GmbH geschlossen hat.
Orientierungssatz
1. Eine Haftung des weisungsberechtigten wirtschaftlichen Alleingesellschafters einer Strohmanngründung für Geschäftshandlungen, die er während seiner Alleinstellung für die GmbH vorgenommen hat, aus den Gesichtspunkten der angemaßten Eigengeschäftsführung (BGB § 687 Abs 2) oder der fehlerhaften tatsächlichen Geschäftsführung (GmbHG § 43 Abs 2 analog) scheidet grundsätzlich aus.
2. Auch eine Haftung aus Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht kommt nach den Umständen des vorliegenden Falls nicht in Betracht. Denn jedenfalls außerhalb der Gefährdung von Gläubigerinteressen ist ein von der Gesamtheit der Gesellschafterinteressen unabhängiges Gesellschaftsinteresse, dem eine Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft Rechnung zu tragen hätte, grundsätzlich nicht anzuerkennen. Dies schließt eine Haftung gegenüber der Gesellschaft für ihr nachteilige Entscheidungen ihres Alleingesellschafters auch dann aus, wenn seine Anteile nachträglich in andere Hände übergehen.
Tatbestand
Die am 17. Juli 1978 in das Handelsregister eingetragene Klägerin, eine GmbH, ist durch Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 1978 gegründet worden. Nach den vom selben Tage datierenden Treuhandverträgen handelten die beiden Gründungsgesellschafter, die Assessoren H. Wi. und J. B., dabei als Treuhänder auf Rechnung des Beklagten mit der Verpflichtung, die für die Ausübung ihrer Gesellschafterrechte erforderlichen Weisungen von dem Beklagten entgegenzunehmen, entsprechend diesen Weisungen zu handeln und die von ihnen übernommenen Anteile jederzeit auf Verlangen des Beklagten an diesen oder eine von ihm benannte dritte Person zu übertragen. Zum ersten Geschäftsführer der Gesellschaft wurde H. Wi. bestellt. Er wurde am 30. Juli 1979 durch Frau D. M., die Schwester des Beklagten, abgelöst. Die treuhänderisch für den Beklagten gehaltenen Anteile an der Klägerin sind später beginnend ab Ende 1979 in mehreren Schritten veräußert worden.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf dem Wege der Teilklage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 50.000,– DM nebst Zinsen in Anspruch, weil er im Mai 1979 einem amerikanischen Unternehmen, der W. Inc. in R., Illinois, die zu dem Zwecke gegründet worden war, die Erzeugnisse der Klägerin in den USA zu vertreiben, gestattet habe, ein der Klägerin zustehendes Bildzeichen zu benutzen. Dies habe zur Folge gehabt, daß die Klägerin später, nach Gründung eines eigenen Tochterunternehmens in den USA im Jahre 1985, das Bildzeichen mit erheblichen Kosten habe zurückerwerben müssen.
Das Landgericht hat die Klage unter Aufhebung eines zuvor zugunsten der Klägerin ergangenen Versäumnisurteils abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte im Mai 1979 mit der W. vereinbart, daß die Klägerin und die W. wechselseitig auf ihrem jeweiligen Markt – die Klägerin in Europa, die W. in Amerika – die Produkte des anderen vertreiben und dabei gemeinsam das Zeichen der Klägerin verwenden sollten. Darüber hinaus habe der Beklagte der W. die Rechte an dem Zeichen auch für alle weiteren gegenwärtigen und künftigen Produkte der W. übertragen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts liegt darin eine angemaßte Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) des Beklagten. Es habe ausschließlich der Klägerin und nicht dem Beklagten zugestanden, Rechte an dem Zeichen zu übertragen. Der Beklagte sei weder Gesellschafter der Klägerin gewesen, noch habe er als Geschäftsführer oder unter einem anderen rechtlichen Aspekt Vertretungsmacht für sie gehabt. Auf die wirtschaftliche Beherrschung der Gesellschaft durch den Beklagten komme es nicht an. Entscheidend sei allein, daß die Klägerin rechtlich selbständig gewesen sei und die Vertretungsmacht für sie nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen bei ihren Organen gelegen habe, zu denen der Beklagte nicht gehört habe. Dies begegnet, wie die Revision mit Erfolg rügt, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
II. 1. Der Tatbestand des § 687 Abs. 2 BGB regelt einen Fall der rechtswidrigen und vorsätzlichen Verletzung fremder Rechte (vgl. MünchKomm./Seiler, BGB, 2. Aufl. § 687 Rdn. 8). Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin aus angemaßter Eigengeschäftsführung würde mithin, worauf das Berufungsgericht nicht eingeht, voraussetzen, daß der Beklagte bei Erteilung der Gestattung zur Mitbenutzung des Zeichens im Verhältnis zu der Klägerin unberechtigt (vgl. MünchKomm./Seiler aaO), d.h. ohne oder sogar gegen deren Willen, gehandelt hätte. Eine solche Annahme wäre jedoch mit der Stellung des Beklagten in der Gesellschaft nicht vereinbar. Die Klägerin ist von vornherein eine sogenannte Strohmanngründung des Beklagten gewesen. Wie das Berufungsgericht auch ausdrücklich feststellt, haben beide Gründungsgesellschafter ihre Anteile ausschließlich in seinem Auftrag und für seine Rechnung mit der Verpflichtung übernommen, sie jederzeit ohne Vergütung auf den Beklagten oder einen von ihm bestimmten Dritten zu übertragen und während der Dauer ihrer Gesellschafterstellung sämtliche Gesellschafterrechte allein nach seinen Weisungen auszuüben. Die Gesellschaft konnte mithin, jedenfalls soweit der Beklagte nicht die für die Gesellschaft zu treffenden Entscheidungen den Treuhändern überließ oder sich diese seinen Weisungen widersetzten, im Ergebnis nicht anders als bei einer Einpersonen-GmbH (vgl. statt aller Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG, 7. Aufl. § 43 Rdn. 108) keinen von demjenigen des Beklagten abweichenden Willen haben. Aufgrund seiner Stellung in der Klägerin als ihr wirtschaftlicher Alleingesellschafter war sein Wille damit im Ergebnis insoweit mit dem Willen der Klägerin identisch. Dieser Befund schließt, da sich die inneren Verhältnisse der Klägerin bis Mai 1979 nicht geändert hatten, die Annahme, der Beklagte habe die Zustimmung zur Mitbenutzung des Warenzeichens in dem insoweit allein maßgeblichen Innenverhältnis zur Gesellschaft ohne oder sogar gegen deren Willen erteilt, aus. Der Beklagte wäre aufgrund seiner Stellung in der Gesellschaft ohne weiteres in der Lage gewesen, die Treuhänder, die die Gesellschafterstellung für ihn hielten, zu veranlassen, den ebenfalls nur als Treuhänder agierenden Geschäftsführer anzuweisen, der W. die fragliche Gestattung zu erklären. Aufgrund seiner Folgepflicht wäre der Treuhänder Wi., der zugleich das Amt des Geschäftsführers nach außen hin innehatte, zur Ausführung dieser Weisung verpflichtet gewesen, ohne daß der Klägerin dadurch Ersatzansprüche gegenüber dem Beklagten erwachsen wären. Für die Haftung des Beklagten gegenüber der Klägerin kann es aber insoweit keinen Unterschied machen, ob er das Geschäft, dessen Vornahme durch die Klägerin er jederzeit bindend für die Treuhandgesellschafter und insbesondere auch für den die Position des Geschäftsführers bekleidenden Treuhänder Wi. veranlassen konnte, selbst ausführte oder den bezeichneten von ihm abhängigen Personen entsprechende Weisungen erteilte. Die Annahme, er habe dabei gegen oder ohne den Willen der Gesellschaft gehandelt, liefe letztlich auf die Unterstellung hinaus, der Beklagte habe seinem eigenen Willen zuwidergehandelt.
Anhaltspunkte dafür, daß die Erteilung der Gestattung im Verhältnis zur Klägerin rechtswidrig gewesen sein könnte, insbesondere gegen zum Schutz der Gläubiger oder im öffentlichen Interesse erlassene gesetzliche Vorschriften verstoßen oder die Klägerin in ihrer Existenz bedroht haben könnte (vgl. dazu Scholz/Uwe H. Schneider aaO § 43 Rdn. 95), liegen nicht vor. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, daß die Treuhänder das Vorgehen des Beklagten nicht gekannt hätten und nicht mit ihm einverstanden gewesen seien. Der Beklagte hat darüber hinaus sogar unwidersprochen vorgetragen, daß er nicht nur die Geschäftspolitik der Klägerin in allen Belangen allein bestimmt habe, sondern überdies im Einverständnis beider Treuhandgesellschafter, insbesondere auch des zum Geschäftsführer bestellten Gesellschafters Wi., mit Ausnahme der von diesem getätigten Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister sämtliche für die Klägerin in allen Geschäftsbereichen anfallenden Geschäftsführungs- und Vertretungshandlungen selbst vorgenommen habe. Da die beiden Treuhänder jedenfalls dem Beklagten, wie es der ihnen zugedachten Rolle entsprach, freie Hand bei seinen Entscheidungen und seinem Handeln für die Gesellschaft gelassen haben, kann dies jedoch letztlich ebenso dahinstehen wie die weitere Frage, wie die Rechtslage zu beurteilen gewesen wäre, wenn die Treuhänder unter Einschluß des Geschäftsführers der Klägerin mit dem Vorgehen des Beklagten nicht einverstanden gewesen wären.
2. Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine Haftung des Beklagten aus dem Gesichtspunkt fehlerhafter tatsächlicher Geschäftsführung (§ 43 Abs. 2 GmbHG entspr.) aus. Der Beklagte könnte insoweit gegenüber der Gesellschaft im Ergebnis keiner strengeren Haftung unterliegen als der organschaftliche Vertreter der Gesellschaft. Für diesen ist jedoch anerkannt, daß seine Haftung grundsätzlich ausgeschlossen ist, soweit er auf ausdrückliche bindende Weisung der Gesellschafter handelt (h.M., vgl. statt aller Scholz/Uwe H. Schneider aaO § 43 Rdn. 95 ff. m. umf. w.N.). Bei Weisungen des Alleingesellschafters einer Einpersonen-Gesellschaft bedarf es dazu keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses. Entsprechendes gilt, wenn der alleinige Gesellschafter zugleich als Geschäftsführer der Gesellschaft handelt (h.M., vgl. statt aller Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 15. Aufl. § 43 Rdn. 22 u. Scholz/Uwe H. Schneider aaO § 43 Rdn. 108, jew. m.w.N.). Diese rechtlichen Grundsätze müssen eine Haftung auch dann ausschließen, wenn, wie im vorliegenden Fall, der tatsächliche Geschäftsführer der Gesellschaft aufgrund seiner Personengleichheit mit dem wirtschaftlichen Alleingesellschafter, der in der Gesellschaft letztlich allein weisungsberechtigt ist, praktisch seine eigenen Weisungen ausführt. Darauf, daß der Beklagte bei seinem Handeln die beiden für ihn diese Stellung treuhänderisch haltenden, an seine Weisungen gebundenen Gesellschafter „übersprungen” hat und es deshalb auch an einem förmlichen Gesellschafterbeschluß fehlt, kann es für die Haftung des Beklagten nicht ankommen, da dieses Erfordernis lediglich das Mitwirkungsrecht bei der gegebenen Fallgestaltung nicht vorhandener Minderheitsgesellschafter sichern soll (vgl. Scholz/Uwe H. Schneider aaO § 43 Rdn. 97 u. 108; Zöllner in Baumbach/Hueck aaO § 43 Rdn. 22; vgl. auch Fleck, GmbHR 1974, 224, 226 f.). Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es nicht darauf an, ob ein Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG bei Erhebung der Klage verjährt gewesen wäre.
3. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann der Schadensersatzanspruch auch nicht auf eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht gestützt werden. Angesichts der Stellung des Beklagten als seinerzeitiger wirtschaftlicher Alleingesellschafter der GmbH und der im konkreten Fall gegebenen Umstände kommt die Verletzung einer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und Mitgesellschaftern nicht in Betracht. Jedenfalls außerhalb der Gefährdung von Gläubigerinteressen ist ein von der Gesamtheit der Gesellschafterinteressen unabhängiges Gesellschaftsinteresse, dem eine Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft Rechnung zu tragen hätte, grundsätzlich nicht anzuerkennen (vgl. dazu statt aller Zöllner in Baumbach/Hueck aaO Anh. Konzernrecht Rdn. 35 m. umf. w.N.). Dies schließt eine Haftung gegenüber der Gesellschaft für ihr nachteilige Entscheidungen ihres Alleingesellschafters auch dann aus, wenn seine Anteile nachträglich in andere Hände übergehen.
4. Die weiteren Ausführungen der Revisionserwiderung, mit denen sie das angefochtene Urteil verteidigt, könnten Bedeutung lediglich für Ansprüche der gegenwärtigen Gesellschafterin der Klägerin im Zusammenhang mit dem Abschluß des Unternehmenskaufvertrages haben, der ihrem Erwerb der Geschäftsanteile an der Klägerin zugrundeliegt. Derartige Ansprüche sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Fundstellen
BGHZ, 257 |
BB 1992 |
BB 1993, 1162 |
BB 1993, 1498 |
NJW 1993, 193 |
ZIP 1992, 1734 |
GmbHR 1993, 38 |