Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Schriftform der Bürgschaft: Blankounterschrift; wirksame Ermächtigung von Dritten; Gutglaubensschutz des Gläubigers; Rückwirkung und Schranken der Rückwirkung einer Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung
Leitsatz (redaktionell)
1.1. Eine formbedürftige Bürgschaft kann nicht in der Weise wirksam erteilt werden, daß der Bürge eine Blankounterschrift leistet und einen anderen mündlich ermächtigt, die Urkunde zu ergänzen.
1.2. Wer nicht Kaufmann ist, kann einen anderen zur Erteilung einer Bürgschaft wirksam nur schriftlich bevollmächtigen.
1.3. Gibt der Bürge eine Blankounterschrift ohne formgerechte Vollmacht oder Ermächtigung aus der Hand, haftet er gegenüber dem Gläubiger, der eine vollständige Urkunde erhält und ihr nicht ansehen kann, daß sie durch einen anderen ergänzt wurde.
2.1. Die Änderung einer lange geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung wirkt grundsätzlich auf den Vertragsschluß zurück, soweit dem die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegenstehen.
2.2. Eine über BGB § 242 hinausgehende Einschränkung der Rückwirkung höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt voraus, daß die von der Rückwirkung betroffene Partei auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte und die Anwendung der geänderten Auffassung wegen ihrer Rechtsfolgen im Streitfall oder der Wirkung auf andere vergleichbar gelagerte Rechtsbeziehungen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Prozeßgegners eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
Orientierungssatz
1. Zitierungen zu Leitsatz 1: Abweichung RG, 1904-02-18, VI 172/03, RGZ 57, 66; RG, 1911-03-04, VI 297/08, RGZ 76, 99; RG, 1911-12-02, V 266/11, RGZ 78, 26 und RG, 1927-01-27, IV 633/26, JW 1927, 1363; BGH, 1962-04-16, VII ZR 194/60, WM IV 1962, 575; BGH, 1962-05-02, VIII ZR 244/61, WM IV 1962, 720; BGH, 1968-03-18, VIII ZR 198/66, NJW 1968, 1131; BGH, 1984-01-12, IX ZR 83/82, NJW 1984, 798 und BGH, 1991-11-14, IX ZR 20/91, NJW 1992, 1448.
2. Die Anforderungen an die Schriftform einer Ermächtigung oder Vollmacht zur Ergänzung oder Erteilung einer Bürgschaft sind grundsätzlich an BGB § 766 S 1 auszurichten. Anzugeben sind die Personen des Gläubigers und des Hauptschuldners sowie die gesicherte Forderung, soweit diese Merkmale aus der Bürgschaftsurkunde noch nicht ersichtlich sind. Hinsichtlich der Bezeichnung des Gläubigers ist die Beschränkung auf allgemeine Angaben ausreichend (vergleiche BGH,1991-11-14, IX ZR 20/91, NJW 1992, 1448).
Normenkette
BGB § 126 Abs. 1, § 167 Abs. 2, § 172 Abs. 2, §§ 181, 185 Abs. 1, §§ 242, 765, 766 S. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.06.1995; Aktenzeichen 7 U 197/94) |
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.08.1994; Aktenzeichen 2/22 O 565/93) |
Fundstellen
Haufe-Index 542287 |
BGHZ, 119 |
NJW 1996, 1467 |
ZIP 1996, 745 |
JZ 1997, 305 |
JuS 1996, 846 |
ZBB 1996, 143 |