Leitsatz
Im Fall eines "nicht erkannten Gewerbebetriebs", für den erst in einem späteren Wirtschaftsjahr nach der Betriebseröffnung mit der Bilanzierung begonnen wird, sind bei erstmaliger Bilanzaufstellung die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs unbeachtlich. Der erste Bilanzansatz eines zuvor nicht bilanzierten Wirtschaftsguts des notwendigen Betriebsvermögens bemisst sich nach dem Wert, mit dem es bei von Beginn an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Die Einbuchung in die Anfangsbilanz erfolgt gewinnneutral.
Normenkette
§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, § 253 HGB
Sachverhalt
Der verstorbene Ehemann der Klägerin, E, besaß umfangreiches Grundvermögen und beteiligte sich in den 70er und 80er Jahren als Initiator an Bauherrenmodellen. Zur Beseitigung einer wirtschaftlichen Schieflage, in der sich mehrere Objekt-GbRs befanden, nahm E im Jahr 1984 einen persönlichen Kredit bei der Bank B auf. Im Rahmen einer Umschuldungsvereinbarung mit B im Jahr 1989, in deren Folge E seine Anteile an den ihm gehörenden Objekt-GbRs A und C auf B übertrug, wurden seine Verbindlichkeiten von ca. 21 Mio. DM auf 5,5 Mio. DM reduziert. Im Streitjahr 1994 valutierten die Darlehensverbindlichkeiten weiterhin in dieser Höhe.
Im Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung des Verlustabzugs zum 31.12.1994 beantragten die Klägerin und die Erben des E, den Verlustabzug um 5,5 Mio. DM zu erhöhen, und reichten erstmals Bilanzen und eine GuV-Rechnung zum 01.01.1994 und zum 31.12.1994 für einen gewerblichen Grundstückshandel ein. Sie waren der Auffassung, dass die Einbuchung der Verbindlichkeiten aus der Vereinbarung mit B im Jahr 1989 im Weg der Bilanzberichtigung zu nachträglichen negativen Einkünften der gewerblichen Tätigkeit des E führen müsse. Im Rahmen der Bilanzberichtigung seien die in früheren VZ eingetretenen Minderungen des Kapitals im Streitjahr als erstem noch offenen Veranlagungszeitraum nachzuholen.
Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das FG wies die Klage ebenfalls ab (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 15.06.2005, 2 K 9/02, Haufe-Index 1386405, EFG 2006, 23).
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil bestätigt. Dabei konnte er es offen lassen, ob E überhaupt einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hatte. Dies wäre in der Person des E nur dann zu bejahen gewesen, wenn durch den Handel mit Anteilen an den Objekt-GbRs ein gewerblicher Grundstückshandel betrieben worden wäre, zu dessen Betriebsvermögen die Verbindlichkeiten aus der Umschuldung mit B gehört hätten.
Selbst bei Vorliegen eines in der Vergangenheit nicht erklärten und erkannten Grundstückshandels hätten durch die Bilanzberichtigung die in der Vergangenheit nicht erfassten möglichen Gewinnauswirkungen durch erstmalige Einbuchung der Verbindlichkeiten im Weg der Bilanzberichtigung nicht nachgeholt werden können, weil die bilanzielle Erfassung der Verbindlichkeiten auch bei zeitgerechter Bilanzierung stets ein gewinnneutraler Vorgang gewesen wäre. Den Argumenten der Kläger, die die Gewinnauswirkungen auf den erstmaligen Ansatz eines Schuldpostens in einer Mehr-Weniger-Rechnung nach der Bilanzpostenmethode gestützt hatten, konnte der BFH schon deshalb nicht folgen, weil diese Berichtigungstechnik das Vorliegen eines formellen Bilanzenzusammenhangs voraussetzt.
Hinweis
In dieser Entscheidung bestätigt der BFH die bisherige Rechtsprechung zur Bilanzberichtigung bei einem Gewerbetreibenden, der zu Beginn seiner Tätigkeit nicht bilanziert hat und erst in späteren Jahren mit der Bilanzierung beginnt. Folgende Grundsätze sind zu beachten:
1. Existieren Bilanzen sowohl eines Berichtigungsjahrs als auch des Vorjahrs, ist ein unrichtiger Bilanzansatz grundsätzlich in derjenigen Schlussbilanz zu korrigieren, in der er erstmals aufgetreten ist. Kommt eine Änderung des für das Fehlerjahr ergangenen Steuerbescheids wegen Festsetzungsverjährung nicht in Betracht, ist die Richtigstellung grundsätzlich in der ersten, verfahrensrechtlich noch "offenen" Schlussbilanz vorzunehmen. Dabei sind fehlerhafte Bilanzansätze im Rahmen einer Bilanzberichtigung grundsätzlich erfolgswirksam zu korrigieren, wenn der Bilanzierungsfehler sich erfolgswirksam ausgewirkt hat.
2.Im Fall eines "nicht erkannten Gewerbebetriebs", in dem für ein späteres Wirtschaftsjahr nach Eröffnung des Betriebs mit der Bilanzierung begonnen wird, gilt, dass bei erstmaliger Bilanzaufstellung mangels einer vorhergehenden Schlussbilanz im ersten noch offenen Jahr die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs unbeachtlich sind (BFH, Urteil vom 30.10.1997, IV R 76/96, BFH/NV 1998, 578).
3. Für den ersten Bilanzansatz eines Wirtschaftsguts des notwendigen Betriebsvermögens in der erstmals aufzustellenden Anfangsbilanz gelten damit die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs ebenfalls nicht. Der Bilanzansatz für das zuvor nicht bilanzierte Wirtschaftsgut bemisst sich nach dem Wert, mit dem es bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Die nachträgliche Einbuchung de...