Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Abgabepflicht dem Grund nach. Abgabepflichtiger Personenkreis. Unternehmer. Kunsthandel. Kunstverein. Selbstvermarktung. Verkaufsausstellung
Leitsatz (amtlich)
Ein Kunstverein, der durch Ausstellungen regelmäßig den Verkauf künstlerischer Werke fördert, ist auch dann dem Grunde nach zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, wenn der Verkauf im einzelnen vom Künstler selbst abgewickelt wird und dieser an den Kunstverein lediglich eine Provision entrichtet (Fortführung von BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 2 und 3).
Normenkette
KSVG §§ 24-25
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. September 1991 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 28. Februar 1991 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ein der Künstlersozialabgabe unterliegendes Unternehmen ist.
Die Klägerin ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein. Nach ihrer Satzung gehören ihr als Mitglieder Künstler und Kunstfreunde an. Ihr Zweck ist darauf gerichtet, die bildende Kunst zu pflegen und ihre Werte an einen möglichst großen Personenkreis zu vermitteln. Neben anderen Aktivitäten veranstaltet die Klägerin wechselnde Verkaufs- und Präsentationsausstellungen einzelner Künstler oder Künstlergruppen in der “G.…” in Trier. Die Räume werden von der Stadt Trier kostenlos zur Verfügung gestellt. Nach den in der Satzung festgelegten Ausstellungsbedingungen ist jeder Aussteller für Form und Inhalt seiner Ausstellung selbst verantwortlich und muß für den Auf- und Abbau seiner Werke sowie für den Druck und die Verteilung von Einladungskarten und Plakaten selbst sorgen und die hierdurch entstehenden Kosten tragen. Die Ausstellungsstücke werden von der Klägerin nicht versichert. Eintrittsgelder werden anläßlich der Ausstellungen nicht erhoben. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) erfolgt der Verkauf von Ausstellungsstücken unmittelbar zwischen dem Künstler und dem Erwerber. Die Klägerin erhebt für die Bereitstellung der Räume, die Galerieaufsicht sowie sonstige Kosten eine pauschale Kostenbeteiligung in Höhe von 15 % des erzielten Verkaufserlöses. Bei einer jährlich stattfindenden großen Jahresausstellung, bei der ua das Land Rheinland-Pfalz eine größere Anzahl von Kunstwerken aufkauft, wird der Gesamtkaufpreis an die Klägerin gezahlt, die ihn nach Abzug der Kostenbeteiligung an die einzelnen Künstler weiterleitet.
Durch Bescheid vom 13. Mai 1987 stellte die Beklagte fest, daß die Klägerin seit 1. Januar 1983 der Künstlersozialabgabepflicht unterliege, weil sie als Unternehmerin eine Galerie bzw einen Kunsthandel betreibe. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 1989). Das Sozialgericht (SG) Trier hat die Klage durch Urteil vom 28. Februar 1991 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin betreibe als Unternehmerin iS des § 24 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) eine Galerie. Es sei unbeachtlich, daß die Klägerin mit ihrer Tätigkeit keine Gewinnerzielung beabsichtige. Maßgebend sei, daß sie Verkaufsausstellungen organisiere und dadurch mit 15 % am Verkaufserlös der Künstler beteiligt sei. Es komme nicht darauf an, daß die Klägerin beim Verkauf der Ausstellungsstücke nicht im eigenen Namen auftrete. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 5. September 1991 das Urteil des SG aufgehoben. Es ist der Auffassung, es sei schon fraglich, ob die Klägerin als Unternehmerin iS des KSVG anzusehen sei. Jedenfalls betreibe die Klägerin keine professionelle Vermarktung der Werke oder Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten. Dies sei aber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 108) die essentielle Voraussetzung für die Einbeziehung in die Abgabepflicht nach dem KSVG. Es fehle an dem für eine Vermarktung notwendigen wirtschaftlichen Handeln durch Ankauf und Entgeltzahlung sowie Weiterverkauf oder gleichwertige wirtschaftliche Nutzung. Alle ausstellenden Künstler verkauften ihre Werke selbst im eigenen Namen, die Klägerin trete allenfalls als Vertreter im Namen dieser Künstler, nicht aber im eigenen Namen etwa als Kommissionär auf.
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 24 KSVG. Das SG habe diese Vorschrift zu Unrecht anders ausgelegt als das BSG in den Entscheidungen 12 RK 33/90 und 12 RK 13/91, jeweils vom 1. Oktober 1991.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. September 1991 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 28. Februar 1991 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die vom BSG zugelassene Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid, mit dem die Beklagte die Abgabepflicht der Klägerin nur dem Grunde nach festgestellt hat, ist rechtmäßig. Derartige Erfassungsbescheide, mit denen allein die Zugehörigkeit eines Unternehmers zum Kreis der Abgabepflichtigen festgestellt wird, sind zulässig (BSGE 64, 221 = SozR 5425 § 24 Nr 2; SozR 3-5425 § 24 Nrn 1 und 2).
Der klagende Kunstverein ist abgabepflichtig. Kunstvereine zählen, obgleich sie im Katalog des § 24 Abs 1 und 2 KSVG nicht ausdrücklich aufgeführt sind, zu den abgabepflichtigen Unternehmern, soweit sie ein Unternehmen betreiben, das im Katalog genannt ist (so bereits: BSG, Urteile vom 1. Oktober 1991, 12 RK 33/90 und 12 RK 13/91 = SozR 3-5425 § 24 Nrn 2 und 3). Die Klägerin betreibt Kunsthandel iS von § 24 Abs 1 Nr 4 KSVG aF und § 24 Abs 1 Nr 6 KSVG nF, indem sie Ausstellungen organisiert, bei denen die ausgestellten Kunstwerke verkauft werden und ihr ein Provisionsanteil von 15 % der Verkaufssumme zufällt.
Die Tatsache, daß es sich bei der Klägerin um einen gemeinnützigen Verein iS von § 52 Abgabeordnung handelt, steht der Unternehmereigenschaft iS des KSVG nicht entgegen (vgl BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988, 12 RK 15/87 NWStGB 1989, 287). Das BSG hat bereits entschieden, daß sich die Auslegung des Begriffs “Unternehmer” in § 24 Abs 1 KSVG in Ermangelung einer eigenständigen Definition entscheidend am Zweck des KSVG ausrichtet. Dieser besteht darin, alle Personen zu erfassen, die Leistungen selbständiger Künstler und Publizisten in Anspruch nehmen und vermarkten, sofern sie überhaupt ein Unternehmen betreiben; dh eine nachhaltige und nicht nur gelegentliche Tätigkeit ausüben. Unternehmer iS des § 24 KSVG sind daher alle natürlichen oder juristischen Personen, deren Tätigkeit einem der in dieser Vorschrift genannten Zwecke dient. Weitere Anforderungen an die Professionalität der Vermarktung stellt das Gesetz nicht. Eine Gewinnerzielungsabsicht auf seiten des Vermarkters ist nicht erforderlich (BSG SozR 3-5425 § 24 Nrn 2 und 3). Soweit die Klägerin annimmt, daß schon die Gemeinnützigkeit des von ihr betriebenen Unternehmens der Einbeziehung in den abgabepflichtigen Personenkreis entgegenstehe, verkennt sie, daß gemeinnützige Unternehmen auch in anderen Bereichen des Sozialversicherungsrechts als Arbeitgeber für die von ihnen beschäftigten Arbeitnehmer beitragspflichtig sind.
Der Abgabepflicht als Kunsthandel betreibendes Unternehmen (§ 24 Abs 1 Nr 6 KSVG nF) steht auch nicht entgegen, daß die Klägerin den Verkauf der ausgestellten Kunstwerke nicht auf eigene Rechnung oder als Kommissionär betreibt, sondern nach den Feststellungen des LSG die ausstellenden Künstler ihre Werke überwiegend selbst verkaufen, die Klägerin nur in wenigen Fällen als Vertreterin der Künstler tätig wird und dann jeweils im Namen der Künstler handelt.
§ 24 Abs 1 KSVG erfaßt grundsätzlich alle Handelsformen; hierzu zählen ua neben den Kommissionsgeschäften auch Maklergeschäfte. Der Gesetzgeber hat in der ursprünglichen Fassung des § 24 Abs 1 KSVG deutlich gemacht, daß er nur in einem bestimmten Bereich, nämlich bei den Theater- und Konzertdirektionen, eine rein vermittelnde Tätigkeit nicht als abgabepflichtig erfassen wollte. Mit Wirkung vom 1. Januar 1989 ist die zuvor in § 24 Abs 1 Nr 2 KSVG aF enthaltene ausdrückliche Ausnahme für ausschließlich vermittelnde Tätigkeit auch für diesen Bereich gestrichen worden. Für andere Bereiche der Vermarktung künstlerischer oder publizistischer Leistungen war eine derartige Ausnahme schon in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes nicht vorgesehen.
Von der Abgabepflicht nach § 24 KSVG ausgeschlossen bleibt nur die Selbstvermarktung durch den Künstler. Sobald ein Künstler seine Werke nicht selbst vermarktet, sondern sich der vermittelnden Tätigkeit eines Unternehmers bedient, der – wie hier – Organisationsformen zur Verfügung stellt, die Kontakte zwischen Künstlern und Endabnehmern herstellen oder fördern und dadurch Kaufabschlüsse ermöglichen, unterliegt der in die Vermarktung eingeschaltete Unternehmer der Abgabepflicht. Kunsthandel iS von § 24 Abs 1 Nr 6 KSVG nF bzw § 24 Abs 1 Nr 4 KSVG aF ist damit jede Förderung des Verkaufs von Kunstwerken. In bezug auf die Tätigkeit von Kunstvereinen bedeutet dies, daß es auf die Organisation des Verkaufs von Ausstellungsstücken im einzelnen nicht ankommt. Es ist insbesondere nicht entscheidend, ob die ausgestellten Kunstwerke jeweils durch Mitarbeiter des Vereins im Namen und für Rechnung des Vereins oder im Namen und für Rechnung des Künstlers oder vom Künstler selbst verkauft werden, solange der Verkauf mit einer von dem Verein organisierten Ausstellung im Zusammenhang steht. Vermarkter oder Verwerter ist auch in diesen Fällen nicht der einzelne Künstler. Dieser ist vielmehr in die Organisation des Verkaufs durch den Kunstverein eingebunden, der über die beim Verkauf anfallenden Provisionen zudem Einnahmen erzielt.
Dies gilt für die Abgabepflicht dem Grunde nach iS von § 24 Abs 1 KSVG. Ob die von Künstlern durch Verkäufe erzielten Erlöse der Bemessung der Künstlersozialabgabe nach § 25 KSVG unterliegen und ob die Beitragspflicht erst durch die Änderung des § 25 Abs 3 KSVG (durch das Gesetz vom 20. Dezember 1988, BGBl I S 2606) über den Kreis der Kommissionsgeschäfte hinaus ausgedehnt worden ist, war nicht zu entscheiden, da die Höhe der Beitragspflicht nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist.
Fundstellen