Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit von § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG: Besteuerung der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung
Leitsatz (amtlich)
17 Absatz 1 Satz 1 und Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Artikels 1 Nr. 8 des Steueränderungsgesetzes 1965 vom 14. Mai 1965 (BGBl I S. 377) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
AO § 115; EStG § 2 Abs. 3 S. 2, § 17 Abs. 1-2, §§ 20, 52 Abs. 16; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2
Tatbestand
A.
I.
1. Der Einkommensteuer unterliegen seit 1925 unter bestimmten Voraussetzungen auch die Gewinne, die bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft erzielt werden, die zum Privatvermögen des Veräußerers gehörten (§ 30 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes vom 10. August 1925, RGBl I S. 189, § 17 der Einkommensteuergesetze seit dem 16. Oktober 1934, RGBl I S. 1005). Von 1934 bis zum Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 1965 vom 14. Mai 1965 (BGBl I S. 377) blieb § 17 Abs. 1 EStG in allen Gesetzesfassungen unverändert. Die Vorschrift – (im folgenden als § 17 EStG 1958 zitiert) – hatte bis zum Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 1965 folgenden Wortlaut:
§ 17
Veräußerung wesentlicher Beteiligungen
(1) Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und der veräußerte Anteil eins vom Hundert des Grund- oder Stammkapitals der Gesellschaft übersteigt. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer allein oder mit seinen Angehörigen an der Kapitalgesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar, z.B. durch Treuhänder oder durch eine Kapitalgesellschaft, innerhalb der letzten fünf Jahre beteiligt war.
(2) Veräußerungsgewinn im Sinn des Absatzes 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.
(3) Die Steuerpflicht tritt nur ein, wenn der Veräußerungsgewinn den dem veräußerten Anteil an der Kapitalgesellschaft entsprechenden Teil von 10.000 Deutsche Mark übersteigt
(4) Die Einkommensteuer vom Veräußerungsgewinn wird auf Antrag ermäßigt oder erlassen, wenn der Steuerpflichtige den veräußerten Anteil an der Kapitalgesellschaft innerhalb der letzten drei Jahre vor der Veräußerung erworben und infolge des Erwerbs Erbschaftsteuer entrichtet hat
(5) Verluste, die bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft entstanden sind, dürfen bei Ermittlung des Einkommens nicht ausgeglichen werden (§ 2 Abs. 2).
2. Das Steueränderungsgesetz 1965 vom 14. Mai 1965 (BGBl I S. 377) faßte in Art. 1 Nr. 8 den § 17 EStG neu. Dabei wurde insbesondere die – für den vorliegenden Fall nicht einschlägige – Bestimmung beseitigt, daß eine Beteiligung von mehr als einem Viertel im Sinne des § 17 EStG schon dann vorliege, wenn der Veräußerer erst durch Zusammenrechnung seines Anteiles mit Anteilen seiner Angehörigen diese Quote erreicht.
In der Neufassung (zitiert als EStG 1965) lautet der hier maßgebliche Abs. 1:
§ 17
Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei wesentlicher Beteiligung
(1) Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und die innerhalb eines Veranlagungszeitraums veräußerten Anteile eins vom Hundert des Kapitals der Gesellschaft übersteigen. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Kuxe, Genußscheine oder ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften auf solche Beteiligungen. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Hat der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben, so gilt Satz 1 entsprechend, wenn der Veräußerer zwar nicht selbst, aber der Rechtsvorgänger oder, sofern der Anteil nacheinander unentgeltlich übertragen worden ist, einer der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war.
(2)–(4) …
Gemäß § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG in der Fassung des Art. 1 Nr. 20 des Steueränderungsgesetzes 1965 waren die Vorschriften des neugefaßten § 17 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG 1965 auch auf Veräußerungen anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1965 vorgenommen wurden, wenn die Veranlagungen noch nicht rechtskräftig waren.
3. Die Frage, was Anschaffungskosten im Sinne von § 17 EStG 1958 sind, wenn die betreffenden Anteile an einer Kapitalgesellschaft vor dem 21. Juni 1948 erworben worden sind, wurde für den hier zu beurteilenden Veranlagungszeitraum in § 53 Abs. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in der Fassung vom 13. März 1959 (BGBl I S. 121) – EStDV 1958 – geregelt. Die Bestimmung lautete:
§ 53
(1) …
(2) …
(3) Bei Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die vor dem 21. Juni 1948 erworben worden sind, sind als Anschaffungskosten im Sinn des § 17 Abs. 2 des Gesetzes die endgültigen Höchstwerte zugrunde zu legen, mit denen die Anteile in eine steuerliche Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark auf den 21. Juni 1948 hätten eingestellt werden können.
Nach Art. 1, §§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 Abs. 1 Satz 1 des Dritten D-Mark-Bilanzergänzungsgesetzes vom 21. Juni 1955 (BGBl I S. 297) konnten Anteile an Kapitalgesellschaften endgültig höchstens mit siebzig vom Hundert des Betrages angesetzt werden, der anteilsmäßig auf sie von dem Eigenkapital der Kapitalgesellschaft entfiel.
II.
Dem Normenkontrollverfahren 2 BvL 3/66 liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Der Berufungsführer im Ausgangsverfahren war Alleingesellschafter einer GmbH. Diese wurde im Jahre 1959 in der Weise umgewandelt, daß ihr Vermögen unter Ausschluß der Abwicklung auf den Alleingesellschafter übertragen wurde. Das FA behandelte die Vermögensübertragung als Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung im Sinne von § 17 EStG 1958 und zog den Berufungsführer unter Zubilligung der Vergünstigungen des Umwandlungs-Steuergesetzes vom 11. Oktober 1957 (BGBl I S. 1713) wegen des Veräußerungsgewinnes zur Besteuerung heran. Der Steuerpflichtige legte gegen den Einkommensteuerbescheid Sprungberufung ein, mit der er geltend machte, daß § 17 EStG 1958 gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.
2. Mit Beschluß vom 21. Januar 1964 setzte das zur Entscheidung über die Sprungberufung zuständige FG Stuttgart das Verfahren aus, um gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob § 17 EStG 1958 mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei.
Es führt aus:
- § 17 EStG 1958 sei nachkonstitutionelles Recht. Der Gesetzgeber habe zumindest in § 6 Abs. 1 Ziff. 5 Buchst. b EStG in der Fassung des Gesetzes vom 18. Juli 1958 (BGBl I S. 473) ausdrücklich auf § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG Bezug genommen und dadurch die Vorschrift des § 17 EStG bestätigt.
§ 17 EStG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, und zwar aus folgenden Gründen:
aa) § 17 EStG sei systemwidrig. Grundsätzlich werde jeder, der Einkünfte aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft beziehe, ohne Rücksicht auf die Höhe der Beteiligung nach § 20 EStG wegen Einkünften aus Kapitalvermögen zur Einkommensteuer herangezogen, soweit die Beteiligung nicht zu einem Betriebsvermögen gehöre. § 20 EStG gehöre zu den Überschußeinkünften, bei denen Auswirkungen auf das Vermögen steuerlich unberücksichtigt bleiben. § 17 EStG unterwerfe jedoch einen Vermögenszuwachs bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft der Besteuerung und durchbreche damit das System der Überschußeinkünfte.
bb) Die Systemwidrigkeit sei beschränkt auf diejenigen, die am Kapital einer Kapitalgesellschaft unter den Voraussetzungen des § 17 EStG zu mehr als einem Viertel beteiligt seien. Ein sachlich einleuchtender Grund für diese Differenzierung liege nicht vor.
Die Gründe, aus denen § 30 Abs. 3 EStG 1925 geschaffen worden sei, seien inzwischen überholt. Soweit verhindert werden sollte, daß die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Personalgesellschaften durch ihre Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft umgangen werden könnte, sehe die Rechtsprechung ohnehin den bei späteren, auf die Umwandlung folgenden Anteilsveräußerungen erzielten Gewinn als nachträglichen gewerblichen Gewinn nach § 16 EStG an.
Für § 17 EStG 1958 bleibe demnach nur noch das Motiv übrig, daß die wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft wirtschaftlich einer Mitunternehmerschaft bei einer Personengesellschaft gleichkomme; außerdem solle § 17 EStG nach Verbreiteter Meinung verhindern, daß die von einer Kapitalgesellschaft erzielten, aber nicht ausgeschütteten und deshalb von den Anteilsbesitzern noch nicht versteuerten Gewinne der Einkommenbesteuerung entgingen, wenn sie bei der Anteilsveräußerung durch wesentlich Beteiligte realisiert würden. Die Gefahr, daß thesaurierte Gewinne durch die Anteilsveräußerung einkommensteuerfrei realisiert würden, bestehe jedoch bei allen Anteilsbesitzern ohne Rücksicht auf die Höhe ihrer Beteiligung; dieser Grund rechtfertige also nicht, die Veräußerungsgewinne nur bei den wesentlich Beteiligten der Einkommensteuer zu unterwerfen.
Auch die Erwägung, daß ein wesentlich Beteiligter einen besonders starken Einfluß auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausübe, rechtfertige nicht die Sonderbesteuerung durch § 17 EStG 1958. Solche Erwägungen lägen zwar nahe; das Problem der Abgrenzung zwischen Kapitalnutzung und Gewerbebetrieb gehe jedoch weit über § 17 EStG hinaus und könne nur einheitlich gelöst werden; die in § 17 EStG vorgenommene Abgrenzung sei willkürlich.
3. Nach Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 1965 erklärte das nunmehr zuständige FG Baden-Württemberg – Außensenate Stuttgart – V. Senat mit Beschluß vom 18. Juli 1967, daß die Vorlage in bezug auf den nunmehr anzuwendenden § 17 EStG 1965 aufrechterhalten werde, da die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 17 EStG auch nach seiner Änderung durch das Steueränderungsgesetz 1965 fortbestünden. Es führte dabei zusätzlich aus:
Zwar sei, da die Verwaltung des Kapitalbesitzes bei umfangreichen Beteiligungen einem Gewerbebetrieb wirtschaftlich sehr nahe komme, gegen eine Gleichbehandlung solcher Fälle mit der Besteuerung der Veräußerungsgewinne gemäß §§ 14, 16 und 18 Abs. 3 EStG grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Art, wie § 17 EStG diese Gleichstellung vorgenommen habe, verstoße jedoch in zweifacher Hinsicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG:
- Bei der Feststellung, was als wesentliche Beteiligung anzusehen sei, dürfe nicht allein auf die Beteiligungsquote abgestellt werden.
- Das Steueränderungsgesetz 1965 habe § 17 Abs. 5 EStG 1958 erst mit Wirkung vom 1. Januar 1965 an beseitigt. Bis zu diesem Zeitpunkt sei es nicht zulässig gewesen und bei Veräußerungen vor dem 1. Januar 1965 bleibe es unzulässig, einen Veräußerungsverlust bei der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen von anderen Einkünften abzuziehen. Es handle sich also um eine nur teilweise Gleichstellung mit anderen Veräußerungsfällen, was unbillig sei.
4. Die Bundesregierung ist dem Verfahren beigetreten. Namens der Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Finanzen zur Gerichtsvorlage geäußert.
Er hielt die Vorlage für unzulässig, da § 17 EStG 1958 vorkonstitutionelles Recht sei. Im übrigen ist nach seiner Auffassung § 17 EStG 1958 mit Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls insoweit vereinbar, als es nicht um die hier unerhebliche Frage der Zusammenrechnung von Angehörigenanteilen geht. Richtig sei zwar, daß einige Gründe, die 1925 zur Vorschrift des damaligen § 30 Abs. 3 EStG geführt hätten, durch die zwischenzeitliche Rechtsprechung zu § 16 EStG überholt seien. Es bleibe jedoch bestehen, daß die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft bei wesentlicher Beteiligung der nach § 16 EStG steuerpflichtigen Veräußerung von Anteilen an einer Personengesellschaft vergleichbar sei. Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft von mehr als 25 v. H. sei ein besonders starkes wirtschaftliches Engagement; eine so hohe Beteiligung sichere einen wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung und auf die Ausschüttungspolitik der Gesellschaft. Daraus ergebe sich die entscheidende heutige Bedeutung des § 17 EStG: Das gegenwärtige System der Körperschaftsbesteuerung beruhe auf der Doppelbelastung des Gewinns der Kapitalgesellschaften. Dieser Gewinn unterliege zunächst als Einkommen der Gesellschaft der Korperschaftsteuer und – ausgeschüttet – als Einkommen der Gesellschafter der Einkommensteuer. Würden die Gewinne der Kapitalgesellschaft nicht ausgeschüttet, sondern in der Gesellschaft thesauriert, so erhöhe sich die Substanz der Gesellschaft und damit der Wert der Gesellschaftsanteile. Diese Wertsteigerung werde bei der Veräußerung der Anteile verwirklicht. Dabei flößen dem Anteilseigner in Gestalt des Veräußerungserlöses praktisch auch die bisher thesaurierten und von der Einkommensteuer noch nicht erfaßten Gewinne der Gesellschaft zu. Ohne eine Steuerbelastung in Form des § 17 EStG würden diese Gewinne der Doppelbelastung entgehen. Durch Berechnungsbeispiele legt der Bundesminister der Finanzen dar, daß nur durch § 17 EStG eine annähernd gleiche Doppelbelastung im Falle laufender Gewinnausschüttungen einerseits und im Falle der Anteilsveräußerung bei Gewinnthesaurierungen andererseits gewährleistet sei.
Die Beschränkung der Steuerpflicht des § 17 EStG auf Inhaber von wesentlichen Beteiligungen sei sachlich gerechtfertigt durch die Erwägung, daß Inhaber von geringeren Beteiligungen keinen wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung und auf die Ausschüttungspolitik der Kapitalgesellschaft nehmen könnten; sie seien deshalb – im Gegensatz zu den wesentlich Beteiligten – in der Regel nicht in der Lage, die Doppelbelastung des Gewinns der Kapitalgesellschaft zu verhindern. Jedes Steuergesetz sei berechtigt, vom Gesamtbild auszugehen, und müsse typisieren, um praktikabel zu sein.
5. Der BFH hat gemäß § 82 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG mitgeteilt, daß er § 17 EStG 1958 in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen habe, und dabei auch auf das nachstehend unter III behandelte Urteil verwiesen.
6. Der Berufungsführer des Ausgangsverfahrens hält § 17 EStG (1958 und 1965) für verfassungswidrig. Über die Begründung des Vorlagebeschlusses hinaus trägt er dazu noch vor:
§ 17 EStG könne nicht damit gerechtfertigt werden, daß Gewinne bei der Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit solchen bei der Veräußerung von Einzelunternehmen oder Anteilen bei Personalgesellschaften gleichbehandelt werden sollten. Veräußerungsgewinne in Fällen des § 16 EStG könnten nur aus der Realisierung stiller Reserven entstehen; dabei handele es sich um eine einmalige und abschließende Besteuerung. Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG könnten dagegen sowohl auf nichtausgeschütteten Gewinnen (offenen Reserven) wie auf stillen Reserven beruhen; dabei könne sich zusammen mit einer späteren Gewinnausschüttung an den Erwerber des Anteils eine zweifache oder sogar dreifache Besteuerung ergeben. Dies wird an einer Reihe von Beispielen erläutert.
§ 17 EStG sei eine Sondervorschrift, durch die zuungunsten der Besitzer wesentlicher Beteiligungen der Begriff der gewerblichen Einkünfte erweitert werde. Dabei sei zu berücksichtigen, daß den von der Vorschrift in erster Linie betroffenen Familien-Kapitalgesellschaften die Möglichkeiten der Publikumsgesellschaften, ihren Aktionären durch steuerfreie Bezugsrechte oder Freianteile aus versteuerten Rücklagen Vorteile zukommen zu lassen, nicht in gleicher Weise offenstünden, und daß die Inhaber wesentlicher Beteiligungen solche Vorteile bei Veräußerung der Anteile nachversteuern müßten.
In Wirklichkeit gehe es bei § 17 EStG um eine echte Besteuerung eines Wertzuwachses, d.h. eines gestiegenen Substanzwertes. Der Grundsatz der Einkommenbesteuerung nach dem Vermögensvergleich sei zwar bei der gewerblichen Einmalbesteuerung eine Selbstverständlichkeit, könne jedoch auf Mehrfachbesteuerungen gegenüber dem privaten Besitz nicht übertragen werden.
Auch sei die Anknüpfung der Besteuerung an den Prozentsatz der Beteiligung nicht zu rechtfertigen; allenfalls käme in Frage, auf den absoluten Veräußerungswert abzustellen.
Schließlich wendet er sich gegen die Anwendung des § 53 Abs. 3 EStDV 1958, weil in der Vorschrift eine Enteignungsmaßnahme liege, die gegen Art. 14 GG verstoße.
III.
Der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 701/64 liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. a) Der Beschwerdeführer, der mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt wird, war am Währungsstichtag (21. Juni 1948) Eigentümer eines Aktienpakets, das der Rückerstattung unterlag. 1953 schloß er mit den Rückerstattungsberechtigten einen Vergleich; danach hatte er 60 v. H. seines Aktienbestandes einer Bank zu übereignen, die sich verpflichtete, den Rückerstattungsberechtigten den im Vergleich festgelegten Kurs von 125 v. H. zu vergüten. Im Jahre 1959 veräußerte er sein Aktienpaket, das inzwischen wieder auf 25,1 v. H. des Grundkapitals erhöht worden war. Das FA zog die Beschwerdeführer wegen eines Veräußerungsgewinnes gemäß § 17 EStG zur Einkommensteuer heran. Im Steuerstreit ging es um die Berechnung der Anschaffungskosten und insbesondere um die Frage, ob der Wert der zurückerstatteten Aktien zum 21. Juni 1948 als Anschaffungskosten für die verbliebenen Aktien zu behandeln sei. Das FG entschied diese Fragen weitgehend zugunsten des Steuerpflichtigen; der Vorsteher des FA legte hiergegen Rechtsbeschwerde ein.
Der Steuerpflichtige wandte sich erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren auch gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 17 EStG 1958 und § 53 Abs. 3 EStDV 1958. Er machte nunmehr geltend, daß als Anschaffungskosten nicht der Höchstwert der zurückerstatteten Aktien zum Währungsstichtag, sondern der wesentlich höhere tatsächliche Wert im Zeitpunkt der Rückerstattung anzusetzen sei.
b) Der BFH hob mit Urteil vom 27. August 1964 das Urteil des FG Düsseldorf vom 16. März 1962 auf und setzte die Einkommensteuer für 1959 selbst fest, wobei er von einem Veräußerungsgewinn ausging, der ungefähr den Berechnungen des FA entsprach. Zur Begründung wird ausgeführt:
aa) § 17 EStG 1958 sei verfassungsgemäß. Die Vorschrift müsse im Zusammenhang des Systems der Doppelbelastung der Gewinne einer Kapitalgesellschaft durch Körperschaftsteuer und Einkommensteuer gesehen werden. Kapitalgesellschaften, deren Anteile sich nur in wenigen Händen befänden, verzichteten häufig auf Gewinnausschüttung; das führe zu einem höheren Wert der Anteile an der Kapitalgesellschaft. Dieser Mehrwert werde von den Anteilsbesitzern bei der Veräußerung der Anteile realisiert Ohne § 17 EStG würden diese Gewinne bei den Veräußerern der vom Gesetzgeber allgemein gewollten Doppelbelastung, auf deren Vorhandensein die Tarife der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer eingestellt seien, entgehen. Der Gesetzgeber halte sich im Rahmen seines Ermessensspielraumes, wenn er § 17 EStG als notwendige Ergänzung der §§ 15, 16 EStG ansehe.
Das gelte auch für die Festlegung der maßgebenden Beteiligungsquote von 25 v. H., da mit einem Anteil in dieser Höhe eine gewisse Machtstellung in der Kapitalgesellschaft verbunden sei, die den Anteilinhaber wirtschaftlich als Mitunternehmer erscheinen lasse.
bb) Zwar spiele bei § 17 EStG der Gedanke einer besonderen Besteuerung des Wertzuwachses eine Rolle; daraus folge aber nicht, daß diese Vermögenszuwachsgewinn-Besteuerung dem Wesen der Einkommensteuer widerspreche. Das ergebe sich bereits aus der Entstehungsgeschichte der deutschen Einkommensteuer. Das erste Reichseinkommensteuergesetz von 1920 sei von der sogenannten Reinvermögenszuwachstheorie ausgegangen. Der Grundsatz der Erfassung eines realisierten Wertzuwachses als Gewinn im Sinne des Einkommensteuergesetzes liege seit 1925 vor allem der Besteuerung des Gewinns der buchführenden Landwirte, Gewerbetreibenden und Freiberufler zugrunde; bei ihnen werde der Gewinn auf der Grundlage eines Vermögensvergleichs ermittelt (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG). Derselbe Gedanke komme in den Vorschriften über die Erfassung privater Spekulationsgewinne zum Ausdruck (§ 23 EStG). § 17 EStG regle also einen echten Einkommensteuertatbestand, der auch im ausländischen Steuerrecht herkömmlich sei.
cc) Die Frage, ob § 53 Abs. 3 EStDV 1958 wegen Ungültigkeit der zugrunde liegenden gesetzlichen Ermächtigung rechtsunwirksam sei, sei im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, da der BFH auch ohne § 53 Abs. 3 EStDV im Wege der Gesetzesauslegung zu demselben Ergebnis käme. Da für die Bewertung von Beteiligungen, die vor der Währungsumstellung angeschafft worden seien, bei buchführenden Gewerbetreibenden die Vorschriften des DM-Bilanzgesetzes und seiner Ergänzungsgesetze maßgebend seien, müßte für die Bewertung wesentlicher Beteiligungen im Privatbesitz zum 21. Juni 1948 – auch ohne § 53 Abs. 3 EStDV 1958 – dasselbe gelten.
dd) Das Urteil lehnt es dann ab, den Wert der vom Steuerpflichtigen zurückgegebenen Aktien als nachträgliche Anschaffungskosten für die verbliebenen Aktien anzuerkennen.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen das Urteil des BFH vom 27. August 1964 und die vorangegangenen Entscheidungen. Sie erheben folgende Rügen:
a) Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 und 3 GG seien dadurch verletzt, daß die angegriffenen Entscheidungen auf nichtigen Normen, nämlich auf § 17 EStG 1958 und § 53 Abs. 3 EStDV 1958, beruhten.
§ 17 EStG verstoße gegen Art. 70, 105 Abs. 2 Nr. 1 und 106 Abs. 2 Nr. 4 und 7 GG. § 17 EStG besteuere nach Inhalt und materiellem Gehalt kein Einkommen, sondern knüpfe mit dem „Veräußerungsgewinn” an realisierten Wertzuwachs an. Die Wertzuwachsbesteuerung gehöre nach Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG zur Steuerart der Verkehrsteuern, nicht zur Einkommensteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG. Handele es sich – wie hierum die Wertzuwachsbesteuerung nicht notierter Aktien, so liege eine Wertzuwachssteuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis vor, die zur ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder gehöre (Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG). Aber auch ohne „örtlich bedingten Wirkungskreis” dürfe realisierter Wertzuwachs nicht als Einkommenstatbestand geregelt werden; § 17 EStG dehne damit den Einkommensbegriff des Grundgesetzes in verfassungswidriger Weise aus.
Das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG sei durch die angegriffenen Entscheidungen und durch § 17 EStG verletzt. Diese Rüge wird im wesentlichen genauso begründet wie die entsprechenden Auffassungen im Normenkontrollverfahren; dabei wird auch auf BVerfGE 13, 331 hingewiesen.
§ 53 Abs. 3 EStDV 1958 sei nichtig, weil es an einer gesetzlichen Ermächtigung des Verordnunggebers fehle, Inhalt und Umfang der Anschaffungskosten im Sinne von § 17 Abs. 2 EStG 1958 zu bestimmen, und zwar im Falle der Währungsumstellung sogar durch eine Neubewertung.
b) Das angegriffene BFH-Urteil verstoße ebenfalls gegen Art. 1, 2, 3 Abs. 1, 14 GG, wenn es eine unzulässige Gleichstellung der wesentlichen Beteiligung im Privatbesitz mit der eines Gewerbetreibenden für die Bewertung des Anteilsbesitzes zugrunde lege.
c) Art. 3 Abs. 1 GG sei auch dadurch verletzt, daß der angegriffene Einkommensteuerbescheid und das Urteil des BFH ohne stichhaltigen Grund nicht die ständige Rechtsprechung des BFH angewandt hätten, derzufolge Geldleistungen oder geldwerte Leistungen zur Abwendung der Rückerstattung als nachträgliche Anschaffungskosten des betreffenden Wirtschaftsgutes anzusehen seien. Das Urteil des BFH beruhe insoweit nicht auf Rechtsgründen, sondern auf rein fiskalischen Erwägungen.
3. Namens der Bundesregierung hat der Bundesminister der Finanzen zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Ergänzend zu seiner Äußerung im Verfahren 2 BvL 3/66 führt er aus:
§ 17 EStG verletze nicht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Als Wertzuwachssteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG komme nur eine Verbrauch- oder Verkehrsteuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis im Sinne der Entscheidung BVerfGE 16, 306 in Frage. Nach den im deutschen Steuerrecht seit 1911 eingebürgerten Begriffen könne es sich hierbei nur um die Wertzuwachsbesteuerung bei Grundstücksverkäufen handeln. Der Steuertatbestand des § 17 EStG – Besteuerung des Wertzuwachses bei Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft – habe damit nichts zu tun; ihm fehle außerdem die Anknüpfung an örtliche Gegebenheiten und die Begrenzung der unmittelbaren Wirkungen auf ein Gemeindegebiet.
Das deutsche Einkommensteuerrecht knüpfe weder an die „Quellentheorie” noch an die „Reinvermögenstheorie” an, sondern umgrenze in § 2 Abs. 2 und 3 EStG den Begriff des Einkommens pragmatisch. Die Vermögenszuwachsbesteuerung widerspreche nicht dem Wesen der Einkommensteuer. § 17 EStG sei seit 1925, d.h. herkömmlicherweise, ein Einkommensteuertatbestand. Deshalb gehöre dieser Tatbestand zur konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gemäß Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG.
IV.
1. Die beiden Verfahren sind zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden, weil sie dieselbe Rechtsfrage zum Gegenstand haben.
2. Die Bundesregierung hat im Verfahren 2 BvL 3/66 auf mündliche Verhandlung verzichtet. Dem Verfahren 2 BvR 701/64 ist kein Verfassungsorgan beigetreten. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich.
Entscheidungsgründe
B.
I.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Gegenstand der Vorlage ist § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965.
a) Das FG Stuttgart hat zwar mit Beschluß vom 21. Januar 1964 den damals geltenden § 17 EStG 1958 insgesamt zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt. Aus der Begründung des Vorlagebeschlusses ergibt sich aber, daß sich die verfassungsrechtlichen Bedenken nur auf § 17 Abs. 1 EStG 1958 bezogen. § 17 Abs. 5 EStG 1958, zu dem das Gericht sich im Beschluß vom 18. Juli 1967 geäußert hat, konnte schon deswegen nicht vorgelegt werden, weil er im fraglichen Fall keine Anwendung findet. Die Absätze 2 bis 5 des § 17 EStG 1958 würden zwar gegenstandslos, falls auf Verfassungswidrigkeit des Abs. 1 erkannt würde; das ist aber kein Grund dafür, diese Absätze in die Entscheidung einzubeziehen (BVerfGE 11, 30 [49]).
b) Gemäß § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG 1965 ist im Ausgangsverfahren nunmehr § 17 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG 1965 anzuwenden. Die vom vorlegenden Gericht anzuwendenden Vorschriften, auf die sich seine verfassungsrechtlichen Bedenken beziehen, finden sich jetzt in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965. Die Vorlage ist also als auf § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965 bezogen anzusehen.
2. § 17 EStG 1965 ist im Steueränderungsgesetz 1965 neugefaßt worden und deshalb nachkonstitutionelles Recht. Es kommt deswegen nicht darauf an, ob schon § 17 EStG 1958 als nachkonstitutionelles Recht anzusehen war.
3. Die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm ist genügend dargetan worden.
II.
Auch die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
C.
§ 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965 ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
I.
Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Steuern vom Einkommen gemäß Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG umfaßt auch die in § 17 EStG 1965 geregelten Fälle. (Das 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, das Art. 105 GG ändert, tritt erst am 1. Juni 1970 in Kraft.)
1. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Sache 2 BvL 20/65 am 9. Juli 1969 entschieden, daß die Steuer auf Spekulationsgewinne aus Grundstücksveräußerungen nach § 23 Abs. 1 EStG keine Wertzuwachssteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG ist, für die eine ausschließliche Kompetenz des Landesgesetzgebers bestehen würde. Aus dieser Entscheidung ergibt sich, daß auch eine Steuer auf Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG 1965 nicht unter den Vorbehalt des Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG fallen kann. Die Wertzuwachssteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG, die auf das Reichsgesetz vom 14. Februar 1911 (RGBl 1911, S. 33) zurückgeht, heute aber in keinem deutschen Land erhoben wird, richtet sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen Erwerbspreis und Verkaufspreis eines Grundstücks, ohne Rücksicht darauf, ob der Veräußerer sonstige Einkünfte hat oder nicht. Die Einkommensteuer nach § 17 EStG 1965 ist dagegen eine Personalsteuer.
2. Es kann keine Rede davon sein, daß die Erfassung eines Wertzuwachses mit der Einkommensteuer außerhalb der Einkommensteuerkompetenz im Sinne von Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG liege. Die Einkommensteuer erfaßt nicht nur nach geltendem Recht, sondern auch nach langer Tradition in weiten Gebieten Veräußerungsgewinne, die auf Wertzuwachs beruhen, als Einkommen – nämlich in allen Fällen der Gewinnbesteuerung, also beim Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbe und selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 4 Nr. 1 EStG). Dieses verfassungsrechtliche Bild liegt dem Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG zugrunde.
II.
§ 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965 verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Mit der Regelung, daß nach Maßgabe von § 17 EStG 1965 auch Veräußerungsgewinne im Privatvermögen der Einkommensteuer unterliegen, hat der Gesetzgeber nicht das System des geltenden Einkommensteuerrechts durchbrochen. Der Gesetzgeber wäre nicht gehindert, Gewinne aus jeder Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens zu besteuern (BVerfG, Entscheidung vom 9. Juli 1969, 2 BvL 20/65).
Wenn § 20 EStG nur die dort bezeichneten Einnahmen (Gewinnanteile, Zinsen usw.) als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer unterwirft, so wird damit nicht der Grundsatz aufgestellt, daß die in § 20 EStG nicht genannten Einkünfte aus Kapitalveräußerungen steuerfrei seien. Es wird damit nur gesagt, daß solche Einkünfte eben nicht nach § 20 EStG steuerpflichtig sind, sondern allenfalls nach anderen Bestimmungen, also etwa bei Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen nach §§ 4, 5 EStG, oder sonst nach §§ 17 oder 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG unter den dort genannten Voraussetzungen. Der Gesetzgeber konnte gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 EStG ohne Systembruch bestimmen, daß Veräußerungsgewinne, die nicht von § 20 EStG erfaßt werden, unter bestimmten Voraussetzungen zum gewerblichen Einkommen gehören. Veräußerungsgewinne aus Kapitalanteilen im Privatvermögen sind solchen Gewinnen aus Anteilen im Betriebsvermögen, die immer und voll besteuert werden, wirtschaftlich und rechtlich voll vergleichbar. Der Gesetzgeber hat hier von seiner Freiheit zur Erschließung von Steuerquellen einen zulässigen Gebrauch gemacht.
2. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht nachzuprüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. z.B. BVerfGE 19, 354 [367] mit weiteren Nachweisen). Das gesetzgeberische Ermessen findet seine Grenze erst im Willkürverbot, und nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit ist vom Bundesverfassungsgericht nachzuprüfen (vgl. z.B. BVerfGE 1, 264 [275 f.]; 2, 118 [119 f.]; 3, 225 [240]; 9, 334 [337]; 17, 319 [330]; 18, 121 [124]; 21, 12 [26 f.] jeweils mit weiteren Nachweisen).
Diese Grenzen hat der Gesetzgeber hier nicht überschritten.
3. Es ist sachlich vertretbar, bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Kapitalanteilen zwischen Beteiligungen von mehr und weniger als 25 v. H. zu unterscheiden.
a) Derartige Veräußerungsgewinne haben regelmäßig zur Voraussetzung, daß bei der Kapitalgesellschaft offene oder stille Rücklagen (einschließlich sogenannter „Geschäftswerte”) bestehen, die den Wert der Anteile über den Nennwert und die früheren Anschaffungskosten hinaus erhöhen. Ob Veräußerungsgewinne bei Anteilen überhaupt möglich sind, hängt damit weitgehend von der Geschäftsführung der Gesellschaft ab. Von ihr wird entschieden, ob offene Rücklagen gebildet werden oder ob Gewinne oder Rücklagen ausgeschüttet oder zu Kapitalerhöhungen (Ausgabe von Bezugsrechten oder Freianteilen) verwandt werden. Das gleiche gilt für die Ansammlung von stillen Rücklagen, ihre Verwandlung in offene Rücklagen und ihre weitere Verwendung. Die „Nähe” einer Beteiligung zur Geschäftsführung der Gesellschaft, ihr möglicher Einfluß auf die Ausschüttungs- und Rücklagenpolitik bei der Gesellschaft einschließlich der Entscheidungen über Kapitalerhöhungen usw. und damit die Möglichkeit, die Voraussetzungen für die Entstehung von Veräußerungsgewinnen planmäßig herbeizuführen oder doch hierbei entscheidend mitzuwirken, kann bereits als ausreichender Grund angesehen werden, Veräußerungsgewinne bei Beteiligungen von bestimmter Höhe als „wesentlicher” und „steuerwürdiger” zu erklären und ihre Besteuerung für die Wahrung des Prinzips der Doppelbelastung für notwendiger zu halten als die Besteuerung solcher Gewinne bei Beteiligungen geringerer Höhe.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden (BVerfGE 21, 6 [11]), es verstoße nicht gegen das Grundgesetz, eine Haftung für Steuerschulden der Gesellschaft, die dadurch begründet wird, daß der Gesellschafter der Gesellschaft Gegenstände für ihr Unternehmen zur Verfügung stellt, nur gegen Gesellschafter geltend zu machen, die zu mehr als einem Viertel beteiligt sind (§ 115 AO). Es hat dort ausgeführt, daß die hierbei vom Gesetzgeber getroffene Unterscheidung zwischen mehr als zu einem Viertel Beteiligten und anderen Beteiligten (§ 115 Abs. 2 AO) nicht willkürlich ist, und zur Begründung dafür insbesondere auf die Einflußmöglichkeiten der Inhaber solcher Sperrminoritäten auf die betrieblichen Vorgänge einschließlich der Entstehung von Steuerschulden hingewiesen.
Diese Erwägungen sind auch im Falle der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen anzuwenden, zumal solche Gewinne in den Voraussetzungen ihrer Entstehung noch wesentlich mehr sachliche Bezogenheit auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft und auf den Einfluß auf diese Geschäftspolitik aufweisen, als für die Entstehung von Steuerschulden und die Haftung dafür gegeben ist. (Die Entscheidung BVerfGE 13, 331, auf die sich die Verfassungsbeschwerde beruft, ist nicht einschlägig; sie betrifft die Besteuerung der Gesellschaft; vgl. jedoch auch BVerfGE 22, 156).
b) Es kommt hinzu, daß auch sonst die Bedingungen für die Erzielung von Veräußerungsgewinnen bei den Inhabern von „wesentlichen” Beteiligungen viel günstiger liegen als bei den Inhabern geringerer Beteiligungen. Freilich können auch mit kleineren Anteilen Veräußerungsgewinne gemacht werden. Beteiligungen von mehr als 25 v. H. sind jedoch nicht nur „Pakete”, die als solche bereits in der Wirtschaft und auch steuerlich (z.B. § 11 Abs. 3 BewG) anders bewertet werden als die Summe der einzelnen Anteile, aus denen sie bestehen. In den Preisen, die für Sperrminoritäten und höhere Beteiligungen bezahlt werden, ist sehr oft nicht nur der Bilanzwert oder „innere” Wert der Beteiligung berücksichtigt, sondern eben auch der Einfluß auf die Geschäftsführung, den die Beteiligung gibt. Ferner geben Beteiligungen von mindestens 25 v. H. im Besitz anderer Kapitalgesellschaften das „Schachtelprivileg” (§ 9 KStG), so „daß Kapitalgesellschaften als Käufer für solche Beteiligungen auftreten können, die an geringeren Beteiligungen nicht interessiert sind. Die „wesentliche” Beteiligung wird deswegen in aller Regel mit einem Zuschlag im Verhältnis zu geringeren Beteiligungen bewertet und bezahlt werden. Sowohl die Chancen für die Erzielung von Veräußerungsgewinnen wie die Höhe der erzielbaren Gewinne sind hier viel bedeutender als bei anderen Beteiligungen.
c) Da die Anknüpfung an die Beteiligungsquote von 25 v. H. für die Steuerpflicht sachlich gerechtfertigt ist, kommt es nicht mehr auf die Tatsache an, daß Summenmäßig viel höhere Veräußerungsgewinne steuerfrei in Fällen gemacht werden können, die von § 17 EStG nicht erfaßt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht zu entscheiden, ob die Heranziehung von solchen Gewinnen auch da, wo die Beteiligungsquote nicht erreicht ist, nur mit Rücksicht auf ihre Höhe angezeigt wäre.
4. Das Ergebnis der Besteuerung nach § 17 EStG 1965 steht auch nicht außer Verhältnis zu vergleichbaren Fallgruppen. Es entspricht – wie der Bundesminister der Finanzen im einzelnen überzeugend dargelegt hat – ungefähr der Steuerbelastung für den Fall, daß die Kapitalgesellschaft normale Ausschüttungen vorgenommen hat. Im Verhältnis zur Veräußerung von Personalunternehmen oder Anteilen davon (§ 16 EStG) wurde fast völlige Gleichstellung herbeigeführt.
5. § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965 verstößt auch nicht deswegen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil § 17 Abs. 5 EStG 1958 einen Verlustausgleich ausschloß. Die daraus sich ergebende Ungleichbehandlung verschiedener Veräußerungsfälle ist jedenfalls nicht willkürlich.
6. Zum Vorbringen des Berufungsführers des Ausgangsverfahrens ist noch zu sagen:
a) Der Einwand, daß sich eine Drei- oder Mehrfachbesteuerung in Fällen ergebe, in denen der Erwerber der Anteile nachträglich Ausschüttungen vornehmen lasse oder stille Rücklagen realisiere, hat mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965 schon deshalb nichts zu tun, weil diese Norm nur die Steuerpflicht des Veräußerers regelt. Abgesehen davon können hypothetische Steuerberechnungen für konstruierte Fälle, in denen wirtschaftlich offensichtlich unsinnig oder fehlerhaft in bezug auf die steuerlichen Folgen vorgegangen worden wäre – oder in denen die Steuerfolgen bewußt aus besonderem Grund in Kauf genommen worden sind – für die Beurteilung einer Steuernorm nicht in Betracht gezogen werden. Da zudem der Erwerber die zu erwartenden Steuerbelastungen schon bei der Bemessung des bewilligten Preises in Rechnung gestellt haben wird, ist auch der Veräußerungsgewinn bereits unter Berücksichtigung dieser eventuellen weiteren Steuerbelastungen zustande gekommen.
b) Bezugsrechte (und Erlöse davon) oder Freianteile werden im Rahmen des § 17 EStG nicht steuerpflichtig gemacht. Daß wegen der besonders niedrigen Anschaffungskosten in diesen Fällen höhere Veräußerungsgewinne entstehen können, ändert an der Zulässigkeit der Besteuerung nichts.
III.
§ 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965 verstößt auch nicht gegen andere Normen des Grundgesetzes.
1. Art. 14 GG schützt das Vermögen nicht gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten; diese lassen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes grundsätzlich unberührt, es sei denn, daß die Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 14, 221 [241]). Davon kann hier keine Rede sein.
2. Der Gesetzgeber hat durch § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965 auch nicht das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Gebot sozialer Steuerpolitik verletzt (BVerfGE 13, 331 [347]). Die Steuerpflicht des § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965 setzt voraus, daß bei der Veräußerung ein Gewinn erzielt wurde. Dieser Gewinn wird nach Maßgabe des § 34 EStG mit einem ermäßigten Tarifbesteuert. Ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 GG ist dabei nicht ersichtlich.
D.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen § 17 EStG 1958 richtet – gemeint ist nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt auch hier nur § 17 Abs. 1 EStG 1958 unter Ausschluß der nicht entscheidungserheblichen Bestimmung über die Zusammenrechnung von Angehörigenanteilen – gelten die obigen Entscheidungsgründe zur Verfassungsmäßigkeit von § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG 1965.
2. Auf die Angriffe gegen die Ermächtigungsgrundlage des § 53 Abs. 3 EStDV 1958 braucht nicht eingegangen zu werden, da der BFH diese Vorschrift ausdrücklich nicht angewandt hat, das angefochtene Urteil also nicht auf ihr beruht. Die Darlegung des BFH, wonach § 53 Abs. 3 EStDV 1958 nur etwas ausspricht, was auch ohne die Vorschrift gelten müßte, ist als rein steuerrechtliche Entscheidung der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht am Maßstab des einfachen Rechts entzogen. Die Entscheidung verletzt nicht Art. 14 GG (siehe oben C III 1) und läßt Willkür nicht erkennen. Entsprechendes gilt für die Frage, ob der BFH den Wert der rückerstatteten Aktien als nachträgliche Anschaffungskosten für die verbliebenen Aktien hätte anerkennen müssen.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Fundstellen
BStBl II 1970, 160 |
BVerfGE 27, 111 |