Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an die Vorlage an das BVerfG; zur Grunderwerbsbesteuerung eines selbstgenutzten Einfamilienhauses
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus den Beschlüssen des Zweiten Senats des BVerfG vom 22. Juni 1995 zur Vermögen- und Erbschaftsteuer (BVerfGE 93, 121ff.; 93, 165ff.) läßt sich kein allgemeiner Grundsatz der steuerlichen Freistellung des persönlichen Gebrauchsvermögens ableiten.
2. Bei der Auswahl des Besteuerungsgegenstandes verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des BVerfG).
3. Die Vorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG (Aussetzungs- und Vorlagebeschluß vom 18. August 1998 - VII (III) 306/97-) zur Grunderwerbsteuer ist unzulässig.
Normenkette
BVerfGG § 80 Abs. 2 S. 1; GG Art. 100 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; GrEStG § 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Vorlage ist unzulässig.
Tatbestand
A.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, daß der Erwerb eines zur Selbstnutzung bestimmten durchschnittlichen Eigenheims bis zum Betrag von 600.000 DM der Grunderwerbsteuer unterliegt.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Der Erwerb eines zur Selbstnutzung bestimmten Eigenheims ist nicht von der Besteuerung ausgenommen.
I.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21. Februar 1997 ein mit einem im Jahre 1986 errichteten Einfamilienhaus bebautes Grundstück je zur Hälfte. Der Kaufpreis für das von den Klägern seit 1997 bewohnte Hausgrundstück betrug 465.000 DM, der Fremdfinanzierungsanteil belief sich auf 86 vom Hundert. Die Kläger erhalten eine Eigenheimzulage in Höhe von 2.500 DM pro Jahr.
Das Finanzamt setzte gegenüber jedem der Kläger mit Bescheiden vom 8. April 1997 8.137 DM, zusammen mithin 16.274 DM Grunderwerbsteuer (3,5 vom Hundert von 465.000 DM) fest. Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machten die Kläger verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Grunderwerbsbesteuerung des selbstgenutzten Eigenheims geltend.
II.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Es erachtet § 3 des Grunderwerbsteuergesetzes insoweit für verfassungswidrig, als diese Vorschrift für den Erwerb eines zur Selbstnutzung bestimmten durchschnittlichen Eigenheims (Wert bis etwa 600.000 DM) keine Befreiung von der Grunderwerbsteuer enthält. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
Das vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 14 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung des Art. 2 Abs. 1 GG entwickelte Prinzip eigentumsschonender und freiheitsschonender Besteuerung gebiete, daß bei der Grunderwerbsbesteuerung eines jeden Bürgers, der im eigenen Haus wohnen wolle, eine untere belastungsfreie Besteuerungszone eingehalten werde. Der steuerliche Zugriff auf das Vermögen belaste hier Wirtschaftsgüter, die der persönlichen Lebensführung des Steuerpflichtigen und seiner Familie dienten. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts habe in seiner Entscheidung zur Vermögensteuer vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121) den Grundsatz der umfassenden Freistellung des persönlichen Gebrauchsvermögens von direkten Steuern als weiteren Teil einer allgemeinen unteren Besteuerungsgrenze konkretisiert. Diesem Grundsatz komme Gesetzeskraft i.S.d. § 31 Abs. 1 BVerfGG zu. Als weitere direkte Steuer auf persönliches Gebrauchsvermögen verstoße die Grunderwerbsteuer mithin gegen Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG.
Zwar sei das Gebot steuerlicher Schonung des persönlichen Gebrauchsvermögens im Zusammenhang mit der Vermögensteuer entwickelt worden – der Gesetzgeber müsse danach jedenfalls die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragsteuer abschirmen -, das müsse nach Auffassung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts jedoch auch allgemein gelten. So habe dieser den Grundsatz in seiner Entscheidung zur Erbschaftsteuer vom selben Tage auch auf erbende Familienangehörige zur Anwendung gebracht. Daß der besondere Schutz des persönlichen Gebrauchsvermögens in das Erbschaftsteuerrecht nur für die erbenden Familienangehörigen hineinreiche, ergebe sich nicht nur aus der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, sondern auch aus dem durch Art. 6 GG abgestützten Gedanken der Zugehörigkeit des Gebrauchsvermögens zum Familiengut. Für nicht zur Familie gehörende Erben handele es sich bei dem Ererbten dagegen allein um reine Vermögensmehrungen, die eines besonderen Schutzes in der Erwerbsphase von Todes wegen nicht bedürften.
Die untere Besteuerungsgrenze für Existenzeinkommen (vgl. BVerfGE 87, 153 ff. zur Festlegung des Einkommensteuergrundfreibetrags) werde durch die untere Besteuerungsgrenze für persönliches Gebrauchsvermögen konsequent ergänzt. Mit der Erhebung der Grunderwerbsteuer verhalte sich der Staat widersprüchlich, wenn er gleichzeitig den Erwerb von Eigenheimen von Bürgern, die bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten, mit Zuschüssen nach dem Eigenheimzulagengesetz (früher nach den §§ 7 b und 10 e, 34 f. EStG) und nach dem Wohnungsbau- und Familienheimgesetz (Zweites Wohnungsbaugesetz) fördere. Wie der Zweite Senat in seinem Urteil zur Verpackungsteuer (Urteil vom 7. Mai 1998 – 2 BvR 1991/95 und 2 BvR 2004/95 – HFR 1998, 578 ≪580≫) entschieden habe, hätten alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder ihre Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten keine gegenläufigen Regelungen erreichten, die die Rechtsordnung widersprüchlich machten.
Die Belastung des Erwerbs eines zur Selbstnutzung bestimmten durchschnittlichen Eigenheims mit Grunderwerbsteuer verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Art. 3 GG verlange nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Gleichbehandlung „aller Menschen” vor dem Gesetz. Für den Sachbereich des Steuerrechts fordere Art. 3 Abs. 1 GG die steuerliche Lastengleichheit in ihren Komponenten der Gleichheit der normativen Steuerpflicht und der Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Im Steuerrecht müßten von Verfassungs wegen sowohl die steuerbegründenden Vorschriften als auch die Regelungen in ihrer Anwendung dem Prinzip einer möglichst gleichmäßigen Belastung der Steuerpflichtigen besonders sorgfältig Rechnung tragen. Das Bundesverfassungsgericht hebe für die Feststellung der Ungleichheit darauf ab, ob eine Gruppe von Normadressaten gegenüber anderen Normadressaten anders behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, daß diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.
Nach diesen Maßstäben sei die Grunderwerbsteuer als Sonderbelastung des persönlichen Wohn- und Gebrauchsvermögens mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und deshalb verfassungswidrig. Die Grunderwerbsteuer betreffe nur die Erwerber immobilen persönlichen Gebrauchsvermögens, nicht dagegen die Erwerber mobilen persönlichen Gebrauchsvermögens, etwa von gebrauchten Personenkraftwagen, von Mobilheimen und Hausbooten, für die auch keine vergleichbare anderweitige Steuerbelastung bestehe. Ein Gleichheitsverstoß liege auch im Vergleich mit den Wohnungsmietern vor, die nicht mit allgemeiner Umsatzsteuer belastet würden (vgl. § 4 Abs. 12 a UStG). Die ungleiche Steuerbelastung von mobilen und immobilen Teilen des persönlichen Gebrauchsvermögens könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß der Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen über weitgehende Gestaltungsfreiheit verfüge. Diese Auffassung übersehe, daß es nur eine wirkliche Steuerquelle, das Einkommen bzw. das Vermögen als gespeichertes Einkommen gebe. Ein gesetzgeberischer Grundrechtsgestaltungsspielraum sei weder in Art. 1 Abs. 3 GG noch in Art. 3 Abs. 1 GG vorgesehen.
Werde Grunderwerbsteuer auch dann erhoben, wenn wie im Streitfall ganz oder zum Teil Fremdkapital zum Erwerb des Eigenheims eingesetzt werden müsse, reduziere sich der steuerliche Anknüpfungspunkt der Grunderwerbsteuer auf einen bloßen Rechtsverkehrsakt. Die persönlichen Nettovermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen blieben unberücksichtigt, obwohl es sich bei der Grunderwerbsteuer um eine direkte Steuer handele. Die Grunderwerbsteuer werde in Teilen so zur bloßen Willkürabgabe, die nicht dem Verfassungsgebot gleichmäßiger Besteuerung nach dem Maßstab wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit entspreche.
Eine verfassungskonforme Auslegung des § 3 GrEStG komme nicht in Betracht. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 3 GrEStG sei für den Streitfall auch entscheidungserheblich. Die Klage müßte abgewiesen werden, wenn § 3 GrEStG verfassungsmäßig wäre, während sie in vollem Umfang Erfolg hätte, wenn ein über § 3 GrEStG hinausreichender allgemeiner Grundfreibetrag für den Erwerb eines zur Selbstnutzung bestimmten durchschnittlichen Einfamilienhauses verfassungsrechtlich geboten sei.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlage ist unzulässig.
I.
Das Verfahren der Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG ist zulässig und geboten, wenn es für die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm ankommt und das vorlegende Gericht von deren Verfassungswidrigkeit überzeugt ist (BVerfGE 86, 52 ≪56≫). Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG wird nur genügt, wenn die Ausführungen im Vorlagebeschluß mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, daß das Gericht bei Gültigkeit der Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (BVerfGE 86, 52 ≪56≫). Im Vorlagebeschluß muß nicht nur der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab genannt, sondern auch die Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm näher begründet werden (BVerfGE 86, 52 ≪57≫). Auch insoweit bedarf es der Auseinandersetzung mit naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten (BVerfGE 94, 315 ≪325≫) sowie eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 88, 198 ≪201≫; 89, 329 ≪337≫). Es kann insbesondere auch erforderlich sein, im Rahmen der Begründung eines Vorlagebeschlusses auf die Gründe einzugehen, die im Gesetzgebungsverfahren für eine bestimmte gesetzliche Regelung maßgeblich waren (BVerfGE 92, 277 ≪312≫; 88, 70 ≪74≫). Wird im Vorlagebeschluß in bezug auf die zur Überprüfung gestellte Norm ein verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt, der zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in offenkundigem Widerspruch steht, hat das vorlegende Gericht seinen hiervon abweichenden Maßstab in Auseinandersetzung mit der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts näher zu begründen (vgl. BVerfGE 80, 182 ≪185, 186≫); andernfalls läßt sich dem Vorlagebeschluß ein Prüfungsmaßstab im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht entnehmen (BVerfGE 80, 182 ≪186≫).
Hierbei handelt es sich nicht nur um formale Anforderungen an Vorlagebeschlüsse, die ohne weiteres verzichtbar wären. Eine sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen für eine Vorlage ist vielmehr schon deshalb geboten, weil das Gericht mit der Aussetzung des Verfahrens den Beteiligten zunächst eine Entscheidung in der Sache verweigert und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert (vgl. BVerfGE 78, 165 ≪178≫). Darüber hinaus verlangt der Grundgedanke des Art. 100 Abs. 1 GG, der die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers im Verhältnis zur Rechtsprechung sichern soll, daß das Gericht sich seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm in Auseinandersetzung mit den hierfür maßgeblichen Gesichtspunkten bildet (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪77≫). Schließlich dient das Begründungserfordernis auch der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 83, 111 ≪116≫; so wörtlich der Beschluß der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Dezember 1996 - 1 BvL 10/96 -, NJW 1997, 791 ≪792≫).
II.
Der Vorlagebeschluß genügt nicht den vorstehend aufgeführten Anforderungen an die Darlegung.
Die Vorlage hält die Grunderwerbsteuer insoweit für verfassungswidrig, als sie an den „Grunderwerb” schlechthin anknüpft und damit diesen ohne Einschränkung zum Steuergegenstand macht. Bei der Erörterung der Verfassungsgemäßheit der zur Prüfung gestellten Vorschrift hätte das vorlegende Gericht demgemäß seine verfassungsrechtlichen Bedenken vor dem rechtlichen Hintergrund konkretisieren müssen,
- daß der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Wahl des Steuergegenstandes, also der Steuerquelle, einen weiten Gestaltungsspielraum hat,
- daß es kein einheitliches Steuersystem (Steuerfindungsrecht ≪!≫) gibt, sondern bereits die Verfassung eine Vielzahl von Steuern aufführt,
- es mithin auch keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts gibt, daß alle Steuern aufeinander abgestimmt werden müssen, also etwa keine Lücken entstehen dürfen bzw. mehrfache Belastung vermieden werden müsse,
- daß es keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts gibt, daß alle Steuern (nur) unter Berücksichtigung existenzsichernder Freibeträge erhoben werden dürfen,
- es insbesondere keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts gibt, wonach persönliches Gebrauchsvermögen (ungeachtet der Steuerart) von jeglicher Steuer freizustellen ist.
1. Soweit die Vorlage danach am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG das Gebot einer Belastungsuntergrenze der Grunderwerbsteuer darzulegen sucht, bedurfte es eingehender Darlegungen des Gerichts insbesondere unter Berücksichtigung der spezifischen Steuerart, die im zur Entscheidung stehenden Fall zur Anwendung kommt, und der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinung.
An der gebotenen Darlegung fehlt es hier. Das vorlegende Gericht hätte aus Art. 14 Abs. 1 GG den Prüfungsmaßstab entwickeln und insbesondere darlegen müssen, woraus es das von ihm für die verfassungsrechtliche Prüfung zugrunde gelegte Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung und der steuerlichen Verschonung des privaten Gebrauchsvermögens herleitet. Die von ihm formulierten Thesen lassen eine nachvollziehbare, auf Art. 14 Abs. 1 GG rückführbare Ableitung vermissen. Zum ebenfalls als Prüfungsmaßstab herangezogenen Art. 2 Abs. 1 GG verliert es kein Wort. Damit verfehlt das vorlegende Gericht den Prüfungsmaßstab, den es seiner Prüfung voranzustellen hat.
Zur Darlegung seiner Auffassung, die Grunderwerbsteuer verletze den Erwerber in seinen Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, kann sich das vorlegende Gericht auch nicht auf die Beschlüsse des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121 ff., BVerfGE 93, 165 ff.) berufen. Das Bundesverfassungsgericht hat aus dem Prinzip der eigentumsschonenden und freiheitsschonenden Besteuerung nicht den Grundsatz der umfassenden Freistellung des persönlichen Gebrauchsvermögens von direkten Steuern abgeleitet. Im Gegenteil: Diese Auffassung steht zu den vorgenannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in offenkundigem Widerspruch. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seiner Entscheidung zur Vermögensteuer insoweit ausgeführt:
„Unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung des Vermögens darf der Steuergesetzgeber daher in bestimmten Grenzen das vom Steuerpflichtigen zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmte Vermögen nicht durch weitere Besteuerung mindern. Er muß deshalb jedenfalls die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragsteuer abschirmen” (BVerfGE 93, 121 ≪141≫).
Aus der Besonderheit der Vermögensteuer als einer Sollertragsteuer rechtfertigt sich die Forderung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Freistellung „privaten Gebrauchsvermögens”, für das eben typischerweise keine Erträge erzielt werden und deshalb auch keine erzielbaren (Soll-)Erträge steuerlich in Ansatz gebracht werden können. Anders als die Vermögensteuer (die als wiederkehrende Steuer auf das ruhende Vermögen ausgestaltet war; BVerfGE 93, 121 ≪137≫) handelt es sich bei der Grunderwerbsteuer, die bereits in Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG in der (Ur-)Fassung vom 23. Mai 1949 (BGBl I 1949, S. 1, 14) als Element der Finanzverfassung ausdrücklich aufgeführt wird, um eine (Rechts-)Verkehrsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 2 Nr. 4 GG in der Fassung des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359, 360). Zum Wesen der Verkehrsteuern gehört, daß sie an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder an einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang anknüpfen (vgl. BVerfGE 16, 64 ≪73≫). Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer ist der Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts, der auf einem tatbestandlichen Erwerbsvorgang beruht; steuerbar ist mithin der Erfolg, der aufgrund eines auf den Eigentumserwerb gerichteten Rechtsvorgangs eintritt (vgl. Beschluß der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Dezember 1991 - 2 BvR 72/90 -, BStBl II 1992, 212 ≪213≫).
Die Folgerung des Gerichts, die vom Bundesverfassungsgericht für die Vermögensteuer geforderte Freistellung des zur individuellen Lebensgestaltung erforderlichen Vermögens müsse für alle direkten Steuern gelten, ist angesichts der strukturellen Unterschiede zwischen den Steuern (Vermögensteuer einerseits, Grunderwerbsteuer andererseits) in hohem Maße darlegungsbedürftig. Es fehlt jedoch an jeglicher Darlegung insoweit.
Soweit die Darlegungen des Gerichts auf seiner Auffassung zu gründen scheinen, daß Steuern nur auf das Einkommen und in Form einer Einkommensverwendungsteuer erhoben werden dürfen, stehen die einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes (Art. 105 ff. GG) sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem entgegen. Wollte das vorlegende Gericht demgegenüber ein Einheitssteuersystem als von Art. 14 Abs. 1 GG geboten ansehen, so hätte es dazu eingehender Ausführungen bedurft. Insbesondere hätte es sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Verkehr- und Verbrauchsteuern auseinandersetzen und dartun müssen, daß – auf der Grundlage der von ihm zu Art. 14 Abs. 1 GG vertretenen Rechtsauffassung – die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Daran fehlt es hier.
Der Verweis des Gerichts darauf, bereits das Bundesverfassungsgericht formuliere den verfassungsrechtlichen Anspruch eines jeden Steuerpflichtigen auf steuerliche Freistellung des der persönlichen Lebensgestaltung dienenden Vermögens (BVerfGE 93, 121 ≪141≫ unter 5. b), genügt den Darlegungserfordernissen nicht. Die in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts stützen die Auffassung des vorlegenden Gerichts in keiner Weise. Dafür, daß nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts von einem an das Einkommen der Steuerpflichtigen anknüpfenden Einheitssteuersystems auszugehen wäre, geben die in Bezug genommenen Ausführungen nichts her. Aber auch soweit das Gericht aus den Ausführungen zur Vermögensteuer auf die Verallgemeinerungsfähigkeit des verfassungsgerichtlichen Postulats auf Freistellung des privaten Gebrauchsvermögens schließen sollte, kann es sich hierauf nicht berufen. Denn dieser Satz steht nicht nur im Kontext der Steuerbelastung durch die Vermögensteuer, sondern überdies in engstem Zusammenhang mit dem darauffolgenden Satz, woraus sich sein Sinn für die Entscheidung erst voll erschließt. Wenn es dort heißt, jeder Ehegatte habe (deshalb) einen eigenen Anspruch; aus der Ehe dürften den Ehegatten keine steuerlichen Nachteile erwachsen, so erhellt, daß diese Ausführungen des Zweiten Senats nichts für die Auffassung hergeben, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei das der persönlichen Lebensgestaltung dienende Vermögen von direkten Steuern freizustellen.
Nichts anderes gilt, soweit sich der Vorlagebeschluß auf die Erbschaftsteuerentscheidung des Zweiten Senats (vgl. BVerfGE 93, 165 ≪174≫) beruft. Hier fehlt es schon an einer konsistenten Gedankenführung des Gerichts, weshalb die für Familienangehörige geltende Ermäßigung der Erbschaftsteuer eine Ausprägung des nach seiner Auffassung aus dem Grundrecht auf Eigentum folgenden Rechtssatzes sein könne, daß privates Gebrauchsvermögen nicht zu besteuern sei.
Soweit das vorlegende Gericht auf die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes von 2 auf 3,5 vom Hundert abhebt und darin eine Vertiefung der Verletzung der von ihm aus Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Besteuerungsschutzzone für persönliches Gebrauchsvermögen sieht, gilt das vorstehend Ausgeführte entsprechend.
Der Vorlagebeschluß kann sich somit – soweit Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab herangezogen wird – offenkundig auch nicht auf die Beschlüsse des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensteuer und zur Erbschaftsteuer stützen. Mit dem von ihm formulierten, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugeschriebenen Grundsatz der steuerlichen Freistellung des privaten Gebrauchsvermögens, den es – grundrechtsgleich – seiner Verfassungsrechtsprüfung voranstellt, setzt das Gericht voraus, was erst noch aus dem Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG zu entwickeln gewesen wäre. Eine eigenständige, den Erfordernissen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügende Begründung enthält der Vorlagebeschluß indessen nicht.
2. Die Darlegungen des vorlegenden Gerichts, das Grunderwerbsteuergesetz verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Erwerb mobilen persönlichen Gebrauchsvermögens nicht besteuert werde, genügen gleichfalls nicht den Anforderungen, die im Hinblick auf § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG an die Begründung einer Vorlage zu stellen sind.
Gegenstand der Vorlagefrage ist die Verfassungsmäßigkeit der Anknüpfung des Steuergesetzgebers an den Grunderwerb als solchen. Damit steht in Frage, ob der Gesetzgeber sich diese Steuerquelle – auch in dem Umfang wie geschehen – erschließen durfte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt: Beschluß der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17. November 1998 – 1 BvL 10/98 -) kommt dem Gesetzgeber bei der Wahl des Steuergegenstandes ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Entscheidung, an den Grunderwerb steuerliche Folgen zu knüpfen, hat der Gesetzgeber schon in vorkonstitutioneller Zeit getroffen, sie ist vom Grundgesetz rezipiert worden. Der Beschluß enthält keine hinreichende Ausführungen dazu, weshalb der Gesetzgeber bei der Wahl des Steuergegenstandes, also bei der Anknüpfung an den Grunderwerb, diesen ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum verkannt und die ihm gezogenen Grenzen – in sachwidriger Weise – überschritten hätte.
Soweit das vorlegende Gericht für seine Rechtsausführungen zur Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG unter ausdrücklicher Ablehnung eines Auswahlermessens des Gesetzgebers bei Bestimmung des Steuergegenstandes anders als die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung von einem Einheitssteuersystem ausgeht und als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung nur noch das Einkommen bzw. das im Vermögen „gespeicherte” Einkommen als einzige wirkliche Steuerquelle ansieht, fehlt es an jeglicher Darlegung, weshalb dies von Verfassungs wegen geboten ist. Zur Begründung dieser singulären Rechtsauffassung eines Gerichts hätte es einer eingehenden Auseinandersetzung mit der in der Literatur vertretenen herrschenden Auffassung und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedurft. Der Hinweis, alle Steuern könnten nur aus dem (gespeicherten) Einkommen entrichtet werden (was zutrifft) und die vom Gericht daraus gezogene Folgerung, die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeute deshalb die Besteuerung entsprechend der Höhe des Einkommens, genügt in diesem Zusammenhang den Darlegungsanforderungen ersichtlich nicht. Die Auffassung steht in offenkundigem Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses geht auf der Grundlage einer heterogenen, durch Steuervielfalt gekennzeichneten Finanzverfassung (Art. 105 f. GG) seit jeher davon aus, daß der Gleichheitssatz dem Steuergesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen eine weitreichende Gestaltungsbefugnis beläßt (vgl. BVerfGE 93, 121 ≪136≫; Beschluß des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 1998 – 2 BvR 1818/91 -, Seite 10 des Umdrucks), die ihn insbesondere berechtigt, sich bei seinen Regelungen auch von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen oder sozialpolitischen Erwägungen leiten zu lassen. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit steht der Besteuerung von Umsatz, Verkehr- und Verbrauchsvorgängen, die die private Vermögensverwendung belasten, mithin nicht entgegen (BVerfGE 93, 121 ≪134≫). Seinen hiervon abweichenden Maßstab hätte das vorlegende Gericht deshalb in vertiefter Auseinandersetzung mit der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung näher begründen müssen (vgl. dazu BVerfGE 80, 182 ≪186≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Haas, Steiner
Fundstellen
BStBl II 1999, 152 |
DStRE 1999, 146-150 (red. Leitsatz und Günde) |
HFR 1999, 298 |
HFR 1999, 298-301 (red. Leitsatz und Gründe) |
NJW 1999, 1098 |
NJW 1999, 1098-1100 (red. Leitsatz und Gründe) |
GStB 1999, 78-79 (Leitsatz und Gründe) |
KFR 1999, 213 |
EuGRZ 1999, 165 |
EuGRZ 1999, 165-168 (red. Leitsatz und Gründe) |
StW 1999, 222-224 (red. Leitsatz und Gründe) |
ZfIR 1999, 176 |