Leitsatz (redaktionell)
1. § 22 DVStBerG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des StBerG vom 26. August 1969 (BGBl. I S. 1411) und § 55 Abs. 1 FGO verstoßen nicht gegen Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Bei der Steuerbevollmächtigtenprüfung ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, den Prüfungsbescheid generell mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen; denn es ist davon auszugehen, daß die Prüfungsteilnehmer grundsätzlich über die gegebenen Rechtsbehelfe informiert sind. Die Möglichkeit, daß die Prüfungsbescheide nach § 20 DVStBerG und § 22 DVStBerG in unterschiedlicher äußerer Form ergehen können, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es mag zwar zweckmäßiger erscheinen, die Bescheide über das Nichtbestehen der Steuerbevollmächtigtenprüfung generell schriftlich und mit Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen; jedoch verstößt die gesetzlich zulässige unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Form des Prüfungsbescheides je nach Nichtbestehen im schriftlichen Teil oder Nichtbestehen im mündlichen Teil der Steuerbevollmächtigtenprüfung nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz.
3. Es verletzt auch nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz, daß innerhalb der Rechtsprechung der Finanzgerichte unterschiedliche Auffassungen über die Klagefrist bei mündlich und ohne Rechtsbehelfsbelehrung erteiltem Bescheid über das Nichtbestehen der Steuerbevollmächtigtenprüfung vorhanden sind. Welcher von zwei vertretbaren Auslegungen nach einfachem Recht der Vorzug gebührt, hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht zu entscheiden.
Normenkette
DVStBerG §§ 20, 22; FGO § 47 Abs. 1, § 55 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
BFH (Urteil vom 24.04.1979; Aktenzeichen VII R 65/78) |
Gründe
Die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die der angegriffenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs zugrundeliegende Auffassung, die hier einschlägigen §§ 22 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes vom 1. August 1962 – DVStBerG -(BGBl. I S. 537) in der Fassung durch das Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 26. August 1969 (BGBl. I S. 1411) und § 55 Abs. 1 FGO würden nicht gegen Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit sich für bestimmte Fälle aus Art. 19 Abs. 4 GG ableiten ließe, daß belastende staatliche Akte mit einer Rechtsbehelfsbelehrung bekanntzugeben sind, und welche Folgen sich ergeben würden, wenn das im Einzelfall unterblieben ist. Denn jedenfalls ist eine Rechtsbehelfsbelehrung bei Bekanntgabe einer einzelnen Maßnahme auch verfassungsrechtlich dann nicht geboten, wenn der Betroffene generell über den in derartigen Fällen gegebenen Rechtsbehelf informiert ist (vgl. BVerfGE 40, 237 [258 f.]). Nach diesem Grundsatz ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, Personen, die sich in der Ausbildung zum Steuerbevollmächtigtenberuf befinden, den Bescheid über das Bestehen der Steuerbevollmächtigtenprüfung generell mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen. Die Ausbildung zum Steuerbevollmächtigtenberuf zielt darauf ab, den Auszubildenden zu befähigen, geschäftsmäßig die Steuerangelegenheiten und die damit zusammenhängenden Rechtsprobleme von Mandanten wahrzunehmen; sie umfaßt auch Fragen des Berufsrechts. Die Ausbildung vermittelt dementsprechend auch Informationen über die gegebenenfalls zu ergreifenden Rechtsbehelfe. In Anlehnung an den in der Entscheidung BVerfGE 40, 237 [258 f.] verwendeten Gedanken ist es daher bei der Steuerbevollmächtigtenprüfung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, den Prüfungsbescheid generell mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen; denn es ist davon auszugehen, daß die Prüfungsteilnehmer grundsätzlich über die gegebenen Rechtsbehelfe informiert sind. Die Möglichkeit, daß die Prüfungsbescheide nach § 20 DVStBerG und § 22 DVStBerG in unterschiedlicher äußerer Form ergehen können, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, eine Vorschrift unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Gerechtigkeit nachzuprüfen und damit seine Auffassung von Gerechtigkeit an die Stelle der Auffassung des Gesetzgebers zu setzen. Es kann vielmehr nur prüfen, ob die äußersten Grenzen des vom Willkürverbot eingegrenzten Bereiches überschritten sind, nicht aber, ob der Gesetzgeber im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. BVerfGE 48, 281 [288]; ständ. Rechtspr.). Es mag zwar zweckmäßiger erscheinen, die Bescheide über das Nichtbestehen der Steuerbevollmächtigtenprüfung generell schriftlich und mit Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen; jedoch verstößt die gesetzlich zulässige unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Form des Prüfungsbescheides je nach Nichtbestehen im schriftlichen Teil oder Nichtbestehen im mündlichen Teil der Steuerbevollmächtigtenprüfung nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Vielmehr können die Besonderheiten der mündlichen Prüfung und das Interesse daran, einen mündlichen Bescheid, der naturgemäß mit zunehmendem Zeitablauf gerichtlich schwerer nachprüfbar wird, in angemessener Frist bestandskräftig werden zu lassen, als sachgerechte Gründe für die unterschiedliche Handhabung angesehen werden.
Die Auslegung, die der Bundesfinanzhof § 47 Abs. 1, § 55 FGO sowie der Vorschrift des § 22 DVStBerG gibt, ist einfachrechtlich vertretbar und ersichtlich nicht willkürlich. Sie verletzt nicht Art. 19 Abs. 4 GG, da sie dem Bürger nicht den Zugang zum Gericht in unzumutbarer Weise erschwert.
Es verletzt auch nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz, daß innerhalb der Rechtsprechung der Finanzgerichte unterschiedliche Auffassungen über die Klagefrist bei mündlich und ohne Rechtsbehelfsbelehrung erteiltem Bescheid über das Nichtbestehen der Steuerbevollmächtigtenprüfung vorhanden sind. Welcher von zwei vertretbaren Auslegungen nach einfachem Recht der Vorzug gebührt, hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht zu entscheiden (vgl. BVerfGE 42, 64 [74]). Eine Rechtsauslegung, die mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist, kann nicht deshalb für verfassungswidrig erklärt werden, weil eine andere Auslegung möglicherweise dem Gleichheitssatz besser entspräche (BVerfGE 27, 175 [178]; 42, 64 [74]).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen