Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtannahmebeschluss: Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes von 1991. Annahmevoraussetzungen des BVerfGG § 93a Abs. 2
Normenkette
GG Art. 106 Abs. 1 Nr. 6; SolZG 1995; BVerfGG § 93a Abs. 2 Buchst. a, b
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob das Solidaritätszuschlaggesetz von 1991 verfassungsgemäß war.
Das Solidaritätszuschlaggesetz 1991 war als Teil des Gesetzes zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlags und zur Änderung von Verbrauchsteuern und anderen Gesetzen (Solidaritätsgesetz) am 28. Juni 1991 in Kraft getreten (BGBl I S. 1318). Mit ihm wurde ein Zuschlag in Höhe von 3,75 % auf die in den Veranlagungszeiträumen 1991 und 1992 festgesetzte Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben.
1. Der Beschwerdeführer ist selbständiger Rechtsanwalt und Notar. Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 15. April 1993 den Solidaritätszuschlag für 1991 auf 5.043,07 DM und mit Bescheid vom 11. November 1993 den Solidaritätszuschlag für 1992 auf 1.988,58 DM fest.
2. Mit Urteilen des Hessischen Finanzgerichts vom 21. April 1994 wurden die Klagen des Beschwerdeführers gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags abgewiesen. Gegen das Solidaritätszuschlaggesetz vom 24. Juni 1991 bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. In Übereinstimmung mit dem Finanzgericht Baden-Württemberg sehe das Gericht im Solidaritätszuschlag einen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, der im Ergebnis eine tarifliche Erhöhung dieser Steuern darstelle. In diesem Zusammenhang sehe es das Gericht als bedeutsam an, daß der Gesetzgeber anstelle einer Tariferhöhung bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer nur deshalb den Weg der selbständigen Ergänzungsabgabe gewählt habe, weil der fiskalische Mehrbedarf ausschließlich beim Bund und nicht bei den Ländern entstanden sei und vermieden werden sollte, die Mehreinnahmen mit den Ländern teilen zu müssen, was bei der reinen Tariferhöhung gemäß Art. 106 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes die Folge gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund werde deutlich, daß die Bezeichnung der vom Gesetzgeber ins Auge gefaßten Steuererhöhung als Abgabe (in Form des Solidaritätszuschlaggesetzes) lediglich eine Frage der Terminologie gewesen sei, der – mit Ausnahme der Aufkommensverteilung zwischen Bund und Ländern – keine eigenständige materielle Bedeutung beizumessen sei. Im übrigen gehe das Gericht auch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum früheren Stabilitätszuschlag und zur Ergänzungsabgabe von der Verfassungsgemäßheit des Solidaritätszuschlags aus. Durch die Einführung des Solidaritätszuschlags solle der allgemeine staatliche Finanzbedarf gedeckt werden. An dieser Beurteilung ändere sich auch dadurch nichts, daß die Einführung des Solidaritätszuschlaggesetzes zeitlich und wirtschaftlich mit dem Beitritt der neuen Länder im Zusammenhang stehe.
Das Solidaritätszuschlaggesetz verstoße auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip. Nach Auffassung des Senats habe der Gesetzgeber angesichts der hohen und weiter ausufernden Staatsverschuldung mit der Einführung des Solidaritätszuschlaggesetzes eine Maßnahme getroffen, die mit viel Augenmaß sowohl den Bedürfnissen des Staatshaushalts einerseits, als auch den Interessen der Steuerpflichtigen an einer zumutbaren, an der individuellen Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung Rechnung trage.
In diesen Entscheidungen wurde die Revision zugelassen.
3. Mit Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. Februar 1996 wurden die vom Beschwerdeführer eingelegten Revisionen zurückgewiesen. Das Solidaritätszuschlaggesetz sei verfassungsgemäß.
a) Der Bund sei zum Erlaß dieses Gesetzes nach Art. 105 Abs. 3 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG befugt gewesen. Der Solidaritätszuschlag sei eine Steuer, deren Aufkommen dem Bund zustehe. Die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und zur Körperschaftsteuer sei bisher als zu den Steuern vom Einkommen gehörig beurteilt worden (unter Hinweis auf BVerfGE 16, 64 ≪75≫; 32, 333 ≪337≫). Dies gelte auch für den Solidaritätszuschlag. Er erfülle nach seinem maßgeblichen materiellen Gehalt (unter Hinweis auf BVerfGE 65, 325 ≪344≫) alle Tatbestandsmerkmale einer Steuer i.S. des Art. 105 ff. GG. Abgesehen davon, daß eine Zweckbindung des Aufkommens dem Charakter einer Abgabe als Steuer nicht entgegenstünde (unter Hinweis auf BVerfGE 49, 343 ≪353≫), sei der Solidaritätszuschlag auch nicht zur Verwendung für Aufgaben in den neuen Bundesländern bestimmt. Entsprechend der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Verwendung der Mehraufwendungen durch den Solidaritätszuschlag für den insgesamt gestiegenen Finanzbedarf des Bundes würden die Einnahmen daraus in den Bundeshaushaltsplänen 1991 und 1992 im Einzelplan 60 „Allgemeine Finanzverwaltung” unter Kapitel 6001 ausgewiesen. In diesem Einzelplan seien nach dessen Vorwort „diejenigen Einnahmen und Ausgaben des Bundes veranschlagt, die keine besondere Beziehung zu einem Verwaltungszweig haben”.
b) Der Solidaritätszuschlag sei nicht Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer, deren Aufkommen nach Art. 106 Abs. 3 GG auch den Ländern zustehe. Die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer seien für den Solidaritätszuschlag Bemessungsgrundlage (§ 3 SolZG 1991). Nach der besonderen Gesetzesbegründung zu § 1 SolZG sei der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG aber eine selbständige, gesondert von der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu erhebende Steuer und knüpfe nur aus technischen Gründen an diese an (unter Hinweis auf BTDrucks 12/220, S. 6 f.). Da das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG ausschließlich dem Bund zufließe, habe es zum Erlaß des Gesetzes nicht der Zustimmung des Bundesrates bedurft (Art. 105 Abs. 3 GG).
c) Entgegen der Auffassung des Klägers sei auch die Befristung des Solidaritätszuschlags gemäß § 3 SolZG 1991 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Funktion der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes zu decken, entspreche mehr eine befristete als eine unbefristete Erhebung. Das Erfordernis einer Befristung sei allerdings – trotz entsprechender Überlegungen bei Einführung der Ergänzungsabgabe durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Januar 1955 – nicht in die Verfassung aufgenommen worden (unter Hinweis auf BVerfGE 32, 333 ≪341≫). Dies lasse jedoch nicht darauf schließen, daß eine Befristung mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Das Bundesverfassungsgericht habe darüber zu entscheiden gehabt, ob die unbefristete Erhebung der Ergänzungsabgabe gegen das Grundgesetz verstoße. Es habe ausgeführt, es sei von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen (BVerfGE 32, 333 ≪340≫). Diese Aussage lasse sich nur dahin verstehen, daß es aber jedenfalls unschädlich sei, wenn sie befristet werde.
d) Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht dadurch verletzt, daß der Gesetzgeber Möglichkeiten der Einsparung außer Betracht gelassen habe. Der Gesetzgeber habe vielmehr bei der Erschließung von Steuerquellen weitgehende Gestaltungsfreiheit (unter Hinweis auf BVerfGE 81, 108 ≪117≫, 85, 238 ≪244≫). Das Recht, Steuern zu erheben und zu erhöhen, finde seine Grenze an den Grundrechten der steuerpflichtigen Bürger (Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 14 GG). Der grundgesetzliche Schutz des Einzelnen beziehe sich allerdings nur darauf, daß der Eingriff durch die Besteuerung als Instrument der Einnahmeerzielung des Staates gerechtfertigt sein muß. Er erlaube keine Überprüfung der Ausgabengestaltung (unter Hinweis auf BVerfG, Beschluß vom 26. August 1992, NJW 1993, S. 455; BVerfGE 78, 320 ≪331≫; Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rn. 178; von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 72 f.). Ob und in welchem Umfang im Jahre 1991 die Möglichkeit bestanden habe, durch Einsparung, Eindämmung der Verschleuderung von Staatsmitteln und Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität zusätzliche Mittel zu erhalten, sei danach rechtlich unbeachtlich.
Die zusätzliche Steuerbelastung des Einkommens durch den Solidaritätszuschlag, die sich beim Einkommensteuerpflichtigen mit dem Spitzensteuersatz von 1,9875 % und bei Körperschaftsteuerpflichtigen auf 1,875 % beliefe, sei andererseits nicht so schwerwiegend, daß sie als unverhältnismäßiger Eingriff in die durch die Verfassung geschützten Rechte des Steuerpflichtigen angesehen werden könne.
Andere Gründe, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1991 sprechen könnten, seien weder geltend gemacht noch ersichtlich.
e) Die vom Kläger behauptete Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Finanzgericht liege – unabhängig davon, ob sie ordnungsgemäß gerügt worden sei – jedenfalls nicht vor. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichte das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Es müsse sich aber nicht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen. Das Finanzgericht habe sich mit den wesentlichen Argumenten des Klägers eingehend auseinandergesetzt. Es habe damit dem Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in der gebotenen Weise genügt.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, gegen die Urteile des Hessischen Finanzgerichts sowie gegen die Einspruchsentscheidung und die Ausgangsbescheide des Finanzamts Wiesbaden.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liege vor, weil der Beschwerdeführer in allen Instanzen u.a. vorgetragen habe, es liege eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor, da sich der Staat mittels eines Solidaritätszuschlags befristet Mehreinnahmen verschaffe, obwohl er ein Vielfaches dessen an Aufkommen durch eine erfolgreiche Bekämpfung der Verschleuderung von Steuergeldern gewinnen könnte, das Hessische Finanzgericht und der Bundesfinanzhof sich aber hiermit nicht ausreichend befaßt hätten. In dem Umfang, in dem Steuereinnahmen verschleudert würden, sei es nicht erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, Steuern oder Abgaben zu erhöhen.
Das Hessische Finanzgericht habe sich in seinen Urteilen hiermit nicht befaßt, der Bundesfinanzhof habe lediglich ausgeführt, für die Frage, ob der Staat Steuererhöhungen vornehmen könne, sei es unbeachtlich, ob und in welchem Umfange durch Einsparungen, Eindämmung der Verschleuderung von Staatsmitteln und Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität zusätzliche Mittel hätten gewonnen werden können.
Zur Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, der Gesetzgeber habe mit der Bezeichnung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe – sowohl mit dem Begriff „Zuschlag” als auch mit dem Begriff „Abgabe” – bewußt darüber täuschen wollen, daß mit dem Solidaritätszuschlaggesetz eine Steuererhöhung vorgenommen werde. Diese Irreführung sei dadurch unterstrichen worden, daß der Erlaß des Gesetzes im Zusammenhang mit der Finanzierung des Aufbaus Ost gestellt werde, wodurch das Vorliegen einer Sonderabgabe suggeriert worden sei. Diese Irreführung mache das Gesetz wegen fehlender Bestimmtheit verfassungswidrig.
Der Bund dürfe von der Möglichkeit, eine Ergänzungsabgabe als selbständige Steuer zu erheben, zudem nur in begrenzter Weise Gebrauch machen, da sonst das für die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer bestehende Zustimmungsrecht des Bundesrates nach Art. 105 Abs. 3 GG ausgehöhlt werde. Soweit diese Grenze mit dem Solidaritätszuschlaggesetz 1991 überschritten worden sei, hätte es der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Das Gesetz sei insoweit formell verfassungswidrig.
Schließlich verstoße die Erhebung des Solidaritätszuschlags auf der Grundlage des Solidaritätszuschlaggesetzes 1991 gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip. Da die Unterbindung der Verschleuderung von Steuergeldern dem Staat ein Vielfaches dessen an liquiden Mitteln ohne Belastung der Steuerbürger belassen hätte, was er durch den Solidaritätszuschlag einnehme, sei die Erhebung des Solidaritätszuschlags nicht erforderlich gewesen.
Die Einführung des Solidaritätszuschlags sei auch deswegen verfassungswidrig, weil sie befristet sei und kummulativ zur Erhöhung der Verbrauchsteuern (unter Hinweis auf BVerfGE 32, 333 ≪339 f.≫) hinzutrete. Die Einführung einer Ergänzungsabgabe sei nur dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn hierdurch die Erhöhung von Verbrauchsteuern, die erfahrungsgemäß regelmäßig für längere Zeit gelte, vermieden werde. Hierfür sei die Ergänzungsabgabe wiederum nur geeignet, wenn sie ebenfalls nicht für einen nur ganz kurzen Zeitraum erhoben würde. Die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit des Solidaritätszuschlags 1991 ergebe sich daraus, daß gleichzeitig die Mineralölsteuer, die Versicherungsteuer und die Tabaksteuer erhöht worden seien und der Solidaritätszuschlag zudem auf ein Jahr befristet worden sei. Hieraus sei zu schließen, daß die erforderlichen Voraussetzungen für die Einführung einer Ergänzungsabgabe tatsächlich nicht vorgelegen hätten, vielmehr der Weg der Erhöhung der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer hätte beschritten werden müssen.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).
a) Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG geltend macht, die Erhebung der Ergänzungsabgabe habe der Zustimmung des Bundesrates bedurft, kommt der Verfassungsbeschwerde deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Geltung des Solidaritätszuschlaggesetzes auf die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 beschränkt war und sich diese Fragen für das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 nicht mehr stellen. Durch das Gesetz über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993, BGBl I S. 944 ≪975 f.≫) ist das Solidaritätszuschlaggesetz 1995, das auch heute noch in Kraft ist, mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen worden. Für nicht mehr geltendes Recht aber besteht in der Regel kein über den Einzelfall hinausgreifendes Interesse an der Klärung der Verfassungsmäßigkeit nach Außerkrafttreten der entsprechenden Norm (vgl. BVerfGE 91, 186 ≪200≫). Ein Grund für eine Ausnahme ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
b) Im übrigen sind die verfassungsrechtlichen Fragen, auf die es für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ankommt, in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt.
aa) Dies gilt zunächst für die Fragen, ob eine Ergänzungsabgabe befristet und bei gleichzeitiger Erhöhung von Verbrauchsteuern eingeführt werden darf.
Die Ausführungen in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972 zu der Frage, ob eine Ergänzungsabgabe von Verfassungs wegen zu befristen ist (vgl. BVerfGE 32, 333 ≪340 ff.≫), bringen zum Ausdruck, daß sich die Erforderlichkeit einer Befristung nicht aus dem Begriff der Ergänzungsabgabe in Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG a.F. ableiten läßt, dieser Begriff aber einer Befristung auch nicht grundsätzlich entgegensteht. Im Hinblick auf ihre Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken, darf die Ergänzungsabgabe jedoch nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erhoben werden (vgl. BVerfGE 32, 333 ≪340≫). Die Ergänzungsabgabe soll die Vorrangigkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sicherstellen, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer keine befriedigende Lösung darstellt (vgl. BVerfGE 32, 333 ≪341 m.w.N.≫) und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuer unerläßlich ist.
bb) Mit seinen Darlegungen, daß die Erhebung einer Ergänzungsabgabe gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße, weil der Finanzbedarf insoweit durch das mildere Mittel der Einsparung durch Eindämmung von Verschwendung hätte gedeckt werden können, wirft der Beschwerdeführer ebenfalls keine grundsätzliche, verfassungsrechtlich klärungsbedürftige Frage auf.
Die Grenze einer zulässigen Besteuerung hat der Senat bereits grundsätzlich für den staatlichen Eingriff – unabhängig von den Ausgabeentscheidungen – bestimmt. Dem Steuerpflichtigen muß im Rahmen einer Besteuerung ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundrechtlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleiben (vgl. BVerfGE 87, 153 ≪169≫; 93, 121 ≪137≫).
cc) Die Verfassungsbeschwerde wirft schließlich auch keine klärungsbedürftigen, grundsätzlichen Fragen zur Bestimmtheit von Steuergesetzen auf.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, bereits die Bezeichnung als „Zuschlag” und die Erhebung als Ergänzungsabgabe sei irreführend, ist dies schon deshalb nicht zutreffend, weil der Steuergesetzgeber mit dem Begriff der Ergänzungsabgabe Bezug nimmt auf die Regelung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, aus dem sich ergibt, daß eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer als steuerliche Abgabe zu erheben ist. Trotz der Bezeichnung als „Solidaritätszuschlag” läßt das Gesetz keinen Zweifel daran, daß eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG erhoben wird. Im übrigen trifft es nicht zu, daß der Begriff der „Abgabe” dazu dienen könnte, über die Tatsache der Einführung einer Steuer zu täuschen. Der Begriff der Abgabe bildet vielmehr den Oberbegriff, der sowohl die Steuern als auch die nicht steuerlichen Abgaben umfaßt.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das ist der Fall, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existentieller Weise betrifft (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫). Eine existentielle Betroffenheit fehlt hier schon im Hinblick auf die geringe Höhe der festgesetzten Abgabeschuld.
a) Die Rüge der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, weil sie nicht ausreichend substantiiert ist. Die Gerichte haben das Vorbringen des Beschwerdeführers in den Verfahren zur Kenntnis genommen und gewürdigt, obwohl es nach ihrer Auffassung nicht entscheidungserheblich war. Mit seiner Rüge wendet sich der Beschwerdeführer dementsprechend nicht gegen eine Verletzung seines Rechts auf Gehör, sondern gegen die Rechtsauffassung der Gerichte.
b) Auch hinsichtlich Art. 2 Abs. 1 GG ist die Möglichkeit einer besonders gewichtigen Grundrechtsverletzung nicht ersichtlich. Hierbei kann offenbleiben, ob die Erhebung des Solidaritätszuschlags der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte. Denn die am Wortlaut der Art. 105 Abs. 3 und Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG und an der formalen Eigenständigkeit der Ergänzungsabgabe orientierte Auffassung in den angegriffenen Entscheidungen stellt jedenfalls keine grobe Verkennung des durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährten Schutzes oder eine krasse Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze dar (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Kirchhof, Jentsch
Fundstellen
Haufe-Index 543511 |
HFR 2000, 134 |
HFR 2000, 134-136 (Leitsatz und Gründe) |
StRK, SolZG 1991 (Gründe) |
NJW 2000, 797 |
NJW 2000, 797-798 (red. Leitsatz und Gründe) |
StW 2000, 319-320 (red. Leitsatz und Gründe) |
WM 2000, 45-47 (red. Leitsatz und Gründe) |
ZAP-Ost 2000, 66 |