Alexander Schlüter, Deborah Nasca
Start-Ups unterscheiden sich maßgeblich von etablierten Unternehmen, gerade hinsichtlich ihrer Strukturen, Organisationsformen, Flexibilität, Ressourcen und Entscheidungsprozessgeschwindigkeit. Diese gravierenden strukturellen Unterschiede ermöglichen nur einen bedingten Transfer klassischer Controllingansätze. Es ist verständlich, dass gerade nach der Gründung viel Euphorie im Team und bei den Gründern herrscht; indes sollte die sorgfältige Liquiditätsprüfung und Analyse von Markteintrittsbarrieren schon zu Beginn nicht vernachlässigt werden. Es ist nicht unüblich, dass besonders zu Beginn in der Gründungs- und Wachstumsphase hohe Investitionen nötig sind, die regelmäßig kontrolliert werden müssen. Hinzu kommen noch laufende Reportings, welche häufig durch die Kapitalgeber eingefordert werden. Das Controlling in Start-Ups sollte daher individuell auf die Erfordernisse des Unternehmens angepasst werden. Lycko und Mahlendorf (2017) analysierten, warum Management-Control-Systeme (MCS) eine so geringe Bedeutung gerade in jungen Phasen von Start-Ups haben. Dennoch bleibt die Wichtigkeit von MCS unbestritten: Sie geben dem Controller eine Vielzahl an Instrumenten an die Hand (zum Interessenausgleich zwischen Stakeholdern und Kommunikation von Zielen). MCS unterstützen Führungskräfte bei der Planung, Strategieformulierung und -umsetzung. Schlussendlich sichern MCS die verschiedenen Parteien und Stakeholder über Vereinbarungen ab und können aus diesem Grund auch als Schnittstelle zum Performance-Measurement eingeordnet werden. Daraus wiederum lässt sich eine optimale Ressourcenallokation ableiten.
Die Forschungsergebnisse von Lycko und Mahlendorf (2017) zum Lebenszyklusprozess sind wegweisend: Sie haben den Grad der Formalisierung des Controllings auf die Phasen des Lebenszyklusprozesses zugeschnitten. Im Kern des Modells erhöht sich der Formalisierungsgrad des Controllings mit zunehmender Komplexität, welche i. d. R. durch Wachstum bedingt ist. In der Gründungsphase ist kaum Formalisierung notwendig, da es nur wenig Planungsbedarf gibt und die Unternehmenskultur die Kontrolle dominiert. Diese kulturellen Kontrollmechanismen werden mittels Wertvorstellungen und durch das Verhalten der Mitarbeiter beeinflusst. Im Wachstumsverlauf nimmt das Controlling dann immer mehr die Gestalt des klassischen Controllings an.
Ist das Unternehmen gegründet und das Produktangebot auf dem Markt platziert, steht die Kundenakquise im Vordergrund. Nach mehreren Feedback-Schleifen sollte daraufhin das Produktangebot optimiert werden. Doch was passiert, wenn das Produkt floppt? Erfolgsunsicherheit hemmt die langfristige Planung und den daraus resultierenden Ressourceneinsatz. Jegliche hohe Formalisierung – vor allem die des Controllings – erscheint in dieser Phase als eine zu komplexe Aufgabe, gerade vor dem Hintergrund, dass zu Beginn die Entscheidungsprozesse in Start-Ups schnell vollzogen werden müssen. Die genaue und langwierige Prüfung des Controllings würde sich vermutlich hemmend auswirken und als bürokratischer Apparat die Prozess- und Umsetzungsgeschwindigkeiten im Start-Up stark einschränken. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis wäre nicht gerechtfertigt.
In der Phase des stabilen Wachstums und der Finalisierung des Produktangebots steigt auch die Bedeutung des Controllings. Das Hauptaugenmerk sollte hier darauf gelegt werden, dass vor allem Prozesse effizienter gestaltet werden. Außerdem sollten der Ressourcenverbrauch und die Beschaffung regelmäßig überprüft werden. Diese Anpassungen werden dann auch Teil der neuen Kultur des Unternehmens, die sich immer weiter stärker herausbildet.
Befindet sich das Start-Up in der Wachstumsphase, mangelt es meist an zusätzlichen Ressourcen, welche zur erfolgreichen Skalierung notwendig sind. Die angemessene Vorbereitung des Controllings mit Reportings inkl. Kennzahlen, Verkaufszahlen und Kundendaten ist nur ein Ausschnitt des Aufgabenfeldes des Controllings. Diese werden nun immer häufiger von Investoren vor ihrer finalen Investitionsentscheidung eingefordert. Mit steigender Bedeutung des Controllings steigt auch der Formalisierungsgrad im Unternehmen. Die Anforderungen und der Komplexitätsgrad eines wachsenden Start-Ups können in dieser Phase schnell zunehmen. Eine ausreichende Prozessformalisierung kann den damit verbundenen Problemen entgegenwirken.
Die Expansion in andere Märkte und Länder stellt viele Gründer vor herausfordernde Aufgaben. Neue Standorte müssen errichtet, Mitarbeiter und Führungskräfte eingestellt und vor allem weitere Gelder gewonnen werden. Kennzahlensysteme stellen hier ein unverzichtbares Mittel zur Berechnung der Profitabilität oder der Kundengewinnungskosten dar. Es sollte auch sorgfältig geprüft werden, ob die internationale Expansion nicht nur finanziell realisierbar, sondern auch tatsächlich sinnvoll ist. Möglicherweise bringen die Kunden aus neuen Märkten auch bislang unbekannte Anforderungen mit sich, welche im Vorfeld ein Screening durchlaufen und dann auf die Produktp...