Oberfinanzdirektion Münster, Verfügung v. 18.02.1994, S 2241 - 79 - St 11 - 31
a) Abgrenzung zwischen Entnahme und Darlehen an den Gesellschafter
Ein Gesellschafter kann Mittel aus der Gesellschaft durch eine Entnahme zu Lasten seines Kapitalkontos oder auf schuldrechtlicher Basis, insbesondere durch Darlehensaufnahme, erlangen.
Die Entnahme beeinflußt nicht die Höhe des Gesellschaftsgewinns, sondern über die Kapitalkontenverzinsung ggf. die Gewinnverteilung. Auf ein Darlehen der Gesellschaft an den Gesellschafter ist § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG weder direkt noch entsprechend anwendbar. Bei einem steuerlich anzuerkennenden Darlehen sind die Darlehenszinsen für die Gesellschaft Betriebseinnahmen; die Abzugsfähigkeit der Zinsausgaben beim Gesellschafter richtet sich nach der Verwendungsweise des Kredits (Betriebsausgaben bzw. Sonderbetriebsausgaben bei betrieblichem Verwendungszweck, Werbungskosten oder nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung bei privatem Verwendungszweck). Der Ansatz eines niedrigeren Teilwertes der Forderung für den Fall, daß das Darlehen notleidend wird, ist wegen des Grundsatzes der korrespondierenden Bilanzierung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16.12.1992, I R 105/91, BStBl 1993 II S. 792) jedenfalls dann nicht möglich, wenn die Darlehensschuld bei dem Gesellschafter zum (negativen) Sonderbetriebsvermögen gehört. Für eine Teilwertabschreibung ist im übrigen kein Raum, soweit der Forderung ein Guthaben des Gesellschafters nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenübersteht, gegen das im Auseinandersetzungsfall aufgerechnet werden könnte, oder wenn nicht die üblichen Schritte zur Durchsetzung der Forderung ausgeschöpft werden.
Auszahlungen an Gesellschafter ohne angemessene Gegenleistung sind handelsrechtlich und damit auch steuerlich als Einlagenrückgewähr anzusehen (vgl. BGH vom 9.5.1963, BGHZ 39 S. 319, 331 - sog. Verrechnungstheorie). Beim Fehlen einer dem Fremdvergleich standhaltenden (d.h. im Regelfall auch: schriftlichen) Darlehensvereinbarung wird deshalb im allgemeinen eine Entnahme anzunehmen sein.
Ob ein Konto ein (mit Negativsaldo geführtes) Kapitalkonto ist oder eine (Darlehens-)Forderung an den Gesellschafter ausweist, ist unter Berücksichtigung der konkret auf diesem Konto verbuchten Geschäftsvorfälle zu beurteilen. So ist z.B. das Konto, auf dem dem Kommanditisten nach § 169 HGB auszahlbare Gewinne gutgeschrieben werden, ein Darlehenskonto, solange es einen Habensaldo ausweist; überzieht der Kommanditist dieses Konto, so wird es - bei Fehlen einer abweichenden besonderen Vereinbarung - zu einem im Soll geführten Unterkonto des Kapitalkontos, das eine Einlagerückgewähr darstellt.
b) Betriebliche Veranlassung eines Darlehens an den Gesellschafter
Darlehen einer Personengesellschaft an einen Gesellschafter sind betrieblich veranlaßt, wenn sie im Interesse der Gesellschaft (und nicht nur im Eigeninteresse des Gesellschafters) gewährt werden. Ein betriebliches Interesse ist anzunehmen,
aa) wenn die Darlehenshingabe aus Sicht der Gesellschaft zu marktüblichen Konditionen erfolgt. Die Art der Verwendung der Darlehensmittel ist in diesem Fall unerheblich; selbst ein privater Verwendungszweck ist bei Marktüblichkeit der Konditionen unschädlich. Für die Beurteilung der Marktüblichkeit kommt es neben der tatsächlichen Durchführung und Besicherung etc. in erster Linie auf die Zinshöhe sowie ggf. auf die eigene Zinsbelastung der Gesellschaft an (Beispiel: die Ausreicherung eines Kredits zu 6 % Zinsen wäre nicht "marktüblich", wenn die Gesellschaft das Geld zur Tilgung eigener, höher verzinster Schulden verwenden könnte). Die Gestellung oder Nichtgestellung von Kreditsicherheiten hat für die Beurteilung der Marktüblichkeit keine alleinentscheidende Bedeutung (vgl. auch den Erlaß vom 1.12.1992, S 2252 - 22 V B 1 betreffend Darlehensverträge zwischen Angehörigen, der dem Schreiben des BMF vom 1.12.1992, BStBl 1992 II S. 729, entspricht),
bb) wenn marktunüblich günstige Konditionen durch ein besonderes betriebliches Interesse der Gesellschaft an dem Verwendungszweck des Kredits bedingt sind (Beispiel: Der Gesellschafter soll mit Hilfe eines zu 4 % verzinsten Darlehens eine Fabrikhalle errichten, die später der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird).
c) Rechtsfolgen fehlender betrieblicher Veranlassung
aa) Zuordnung der Darlehensvaluta
Wird das Darlehen nicht angemessen verzinst oder hält es bei einer Gesamtbetrachtung in anderer Hinsicht einem Fremdvergleich nicht stand, so gehört es zwar zivilrechtlich zum Gesellschaftsvermögen, aber nicht zum steuerlichen Betriebsvermögen (siehe BFH vom 19.7.1984, IV R 207/83, BStBl 1985 II S. 6, 7; vgl. auch R 13 Abs. 11 S. 3 EStR 1993).
Damit ergeben sich insgesamt folgende Möglichkeiten:
Fallgestaltung zu beurteilen |
"echte" Entnahme |
betrieblich veranlaßtes Darlehen an den Gesellschafter |
außerbetrieblich veranlaßtes Darlehen an den Gesellschafter |
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handelsrechtlich als ... |
Minderung des Kapitalkontos |
Forderung |
Forderung |
steuerlich als ... |
Minderung des Kapitalkontos |
Forderu... |