Leitsatz
1. Artikel 13 Teil B Buchstabe a der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass Bewertungen von Kraftfahrzeugschäden, die eine Vereinigung, deren Mitglieder Versicherungsgesellschaften sind, für ihre Mitglieder durchführt, weder Versicherungsumsätze noch dazugehörige Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, im Sinn dieser Vorschrift darstellen.
2. Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die Gewährung der Befreiung von der Mehrwertsteuer aufgrund dieser Vorschrift für eine Vereinigung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die auch im Übrigen den Tatbestand dieser Vorschrift erfüllt, abzulehnen ist, wenn eine reale Gefahr besteht, dass die Befreiung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann.
3. Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die es ermöglicht, eine zeitlich begrenzte Steuerbefreiung zu gewähren, wenn zweifelhaft ist, ob diese Befreiung zu einem späteren Zeitpunkt eine Wettbewerbsverzerrung hervorrufen kann, ist mit Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der 6. EG-RL vereinbar, sofern die Befreiung so lange erneuert wird, wie der Interessierte den Tatbestand dieser Vorschrift erfüllt.
4. Der Umstand, dass die großen Versicherungsgesellschaften die Bewertung der Kraftfahrzeugschäden durch ihre eigenen Schätzer durchführen lassen und so vermeiden, dass diese Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, hat keinen Einfluss auf die Beantwortung der ersten bis dritten Vorlagefrage.
Normenkette
Art. 13 Teil B Buchst. a (vergl. § 4 Nr. 10 UStG) der 6. EG-RL und , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f (vergl. § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG) der 6. EG-RL
Sachverhalt
Taksatorring (T) war eine dänische Vereinigung, deren Mitglieder Kfz-Versicherungen waren. T erstattete für die Mitglieder Gutachten für die Schäden, die an bei den Mitgliedern versicherten Kfzs entstanden sind (z.B. Unfallschäden usw.) und wickelte z.T. auch die Schäden für die Mitglieder ab. Die Kosten wurden entsprechend der Inanspruchnahme umgelegt. Die Schätzer verwendeten ein EDV-System, das auch andere Versicherungsgesellschaften nutzten, die aber keine Schätzungen von Kfz-Schäden durchführten und dies auch nicht beabsichtigten.
Das dänische Gericht hatte Zweifel, wie die zitierten Vorschriften der 6. EG-RL auszulegen sind, und legte die vom EuGH im Leitsatz beantworteten Fragen vor.
Entscheidung
Der EuGH entschied wie in den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Leitsätzen.
Hinweis
Für das deutsche UStG ist die EuGH-Entscheidung im Wesentlichen nur von Bedeutung, soweit sie sich mit den Begriffen "Versicherungsumsätze" und "Wettbewerbsverzerrung" befasst.
Die 6. EG-RL definiert weder den Begriff "Versicherungsumsätze" noch den Begriff dazugehörige Dienstleistungen; nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Wesen eines Versicherungsumsatzes, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (Rz. 39).
Erfasst sind zwar nicht nur die von den Versicherern selbst getätigten Umsätze (Rz. 40); Voraussetzung ist aber, dass der Leistende (z.B. im Rahmen einer Gruppenversicherung) seinen Kunden einen solchen Schutz durch Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers verschafft, der das versicherte Risiko zu decken übernimmt (Rz. 40). Ein Versicherungsumsatz setzt deshalb seinem Wesen nach eine Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der Versicherungsdienstleistung und der Person, deren Risiken von der Versicherung gedeckt werden, d.h. dem Versicherten, voraus (Rz. 41). Anders als die Befreiung für (nur bestimmte!) Bankgeschäfte (Art. 13 Teil B Buchst. d der 6. EG-RL; vergl. § 4 Nr. 8 UStG) beschränkt sich die Befreiung in Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL auf Versicherungsumsätze im eigentlichen Sinn (Rz. 43).
Dazugehörige Dienstleistungen von Versicherungsmaklern und -vertretern sind nur die Dienstleistungen dieser Berufsausübenden, die – lediglich als Vermittler – zugleich mit dem Versicherer und dem Versicherten in Verbindung stehen (Rz. 45).
Die Frage, ob die Behandlung einer Leistung als nichtsteuerbar zu Wettbewerbsverzerrungen führt, stellt sich im UStG vor allem bei Leistungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts (jPöR; vergl. § 2 Abs. 3 UStG). Eine Wettbewerbsverzerrung liegt grundsätzlich nicht nur dann vor, wenn der reale Wettbewerb gefährdet ist, wenn also die Befreiung dazu führen würde, dass andere Unternehmer, die vergleichbare Leistungen anbieten, durch die Befreiung z.B. benachteiligt würden. Zu beachten ist auch der potenzielle Wettbewerb; die Befreiung kann auch wie eine Marktzutrittsschranke für einen Unternehmer wirken, der eine vergleichbare Leistung anbieten will, wenn also der Marktzutritt für Wettbewerber erschwert wird (potenzieller Wettbewerb).
Allerdings kann die rein hypothetische Möglichkeit, dass eines Tages eine Wettbewerbsver...