Leitsatz
1. Die Steuerbefreiung der Umsätze aus heilberuflicher Tätigkeit i.S.v. § 4 Nr. 14 UStG setzt (richtlinienkonform) voraus, dass es sich um ärztliche oder arztähnliche Leistungen handeln muss und dass diese von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen.
2. Das Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung für medizinische Fußpfleger in dem für die Besteuerung zuständigen Bundesland ist für sich allein kein Hinderungsgrund für die Befreiung.
3. Die im BMF-Schreiben vom 28.2.2000 (BStBl I 2000, 433) vertretene Auffassung, ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit könne die Zulassung des jeweiligen Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gem. § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen sein, ist nicht zu beanstanden.
Normenkette
§ 4 Nr. 14 UStG , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger war 1986 als staatlich anerkannter medizinischer Fußpfleger tätig. In dem betreffenden Bundesland gab es jedoch keine berufsrechtliche Regelung. Das FA versagte deshalb die beanspruchte Umsatzsteuerfreiheit. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des BVerfG vom 10.11.1999, 2 BvR 1820/92 (BStBl II 2000, 158) führte zur Änderung der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 28.2.2000, BStBl I 2000, 433) und zur Zurückverweisung der Revision.
Entscheidung
Der BFH konnte nicht endgültig entscheiden, weil zum Kriterium der "Ähnlichkeit" mit einer heilberuflichen Tätigkeit noch keine Feststellungen vorlagen. Die Berufsähnlichkeit kann angenommen werden, wenn die Leistungen "i.d.R. von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden" (BFH, Urteil vom 13.4.2000, V R 78/99, BFHE 191, 441, BFH/NV 2000, 1431 – Heileurythmist –). Zu prüfen ist also, für welche Leistungen "ihrer Art nach" die Sozialversicherungsträger die Kosten tragen. Die konkrete Kostenübernahme im jeweiligen Fall ist als Abgrenzungsmerkmal nicht tauglich, weil damit Leistungen an Personen, die nicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen, ausgeschlossen wären. Nur die Leistungen durch heilberufliche Tätigkeit (ihrer Art nach) sind zu befreien. Als ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit kann die Zulassung des jeweiligen Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gem. § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen sein.
Hinweis
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Dentist, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinn des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerfrei. Schwierigkeiten bereiten die "ähnlichen heilberuflichen Tätigkeiten" sowie die Bezugnahme auf § 18 EStG. Letzteres, weil einzelne Bundesländer unterschiedliche berufsrechtliche Regelungen – z.B. für Fußpfleger – haben.
Es sei wiederholt: Ein Blick in die 6. EG-RL ist notwendig; er führt oft auch weiter.
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer: "die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden". Die Steuerbefreiungen der 6. EG-RL werden durch autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts definiert und sind eng auszulegen. Voraussetzungen der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL sind im Wesentlichen:
- es muss sich um ärztliche oder arztähnliche Leistungen handeln,
- die von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen (EuGH, Urteil vom 10.9.2002, Rs. C?141/00, Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH [BFH-PR 2003, 29]).
- Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet die Ungleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern (z.B. abhängig von der Rechtsform des Steuerpflichtigen), die gleichartige Umsätze bewirken.
- Zweck der Befreiung ist, die Kosten ärztlicher Heilbehandlung zu senken.
- Der Begriff "Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin" umfasst nicht medizinische Eingriffe, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden.
Dieser gemeinschaftsrechtliche Rahmen ist bei der Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG zu beachten.
Die bisherige Auslegung zu § 4 Nr. 14 UStG stellte darauf ab, dass für eine Tätigkeit (z.B. als medizinischer Fußpfleger) erst die Umsatzsteuerbefreiung beansprucht werden darf, wenn der Gesetzgeber sie entweder in den Katalog des § 4 Nr. 14 UStG aufgenommen oder ihre Ähnlichkeit durch eine Berufsregelung mit einem Katalogberuf bestätigt hat. Das BVerfG meinte im Fall des medizinischen Fußpflegers, dies verstoße gegen Art. 3 GG. Die 6. EG-RL nennt aber ausdrücklich "berufliche Befähigungsnachweise" als Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Das Urteil des BVerfG muss deshalb auf den Stre...