Leitsatz
Ein Vorbehaltsnießbrauch zugunsten der Eltern an einem Zweifamilienhaus eines unverheirateten Arbeitnehmers schließt nicht aus, dass dieser dort einen eigenen Hausstand als Voraussetzung für eine doppelte Haushaltsführung unterhält, wenn gesichert ist, dass er die Wohnung nicht nur vorübergehend nutzen kann; bei dieser Prüfung kommt es auf einen Fremdvergleich nicht an.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG
Sachverhalt
Der ledige, 33 Jahre alte Kläger hatte an seiner Arbeitsstätte in K eine Wohnung angemietet. Seinen Lebensmittelpunkt hatte er in S. Dort bewohnte er eine Dachgeschosswohnung in einem Zweifamilienhaus, das ihm sein Vater im Jahr 1994 übertragen hatte. Im Übergabevertrag hatten sich die Eltern ein lebenslängliches, unentgeltliches Nießbrauchsrecht am Gesamtgrundstück vorbehalten. Die Eltern des Klägers bewohnten die Erdgeschosswohnung.
Bei der ESt-Veranlagung des Streitjahrs 1995 machte der Kläger Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend (Heimfahrten von K nach S, Mietkosten für die Wohnung in K). Das FA berücksichtigte nur die Fahrtkosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG). Die Kosten für die Unterkunft in K seien keine Werbungskosten, da der Kläger wegen des Nießbrauchsrechts der Eltern in S keinen eigenen Hausstand unterhalten habe. Die Klage des Klägers blieb erfolglos.
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache. Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang prüfen, ob zwischen dem Kläger und dessen Eltern Einvernehmen darüber bestanden hat, dass der Kläger die Wohnung längerfristig bewohnen und dort einen eigenen Hausstand unterhalten durfte, der von ihm persönlich und finanziell getragen wurde und der als sein Haupthausstand zu qualifizieren ist.
Hinweis
1. Bei der doppelten Haushaltsführung Alleinstehender geht es regelmäßig um drei Problemkreise, nämlich erstens, ob die doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlass begründet wurde; zweitens ist häufig streitig, wo der Alleinstehende seinen Lebensmittelpunkt hat, und drittens, ob der Steuerpflichtige einen eigenen (Haupt-)Hausstand unterhält. Die beiden ersten Punkte hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung schon früher im Wesentlichen geklärt.
2. Bezüglich der Frage nach der Unterhaltung eines eigenen Haupthausstands hatte bereits das BFH-Urteil vom 12.9.2000, VI R 165/97, BFH-PR 2001, 9 zu einer weiteren Klärung beigetragen. Der BFH hatte dort entschieden, dass ein Lediger eine Wohnung auch dann aus eigenem oder abgeleitetem Recht nutzt, wenn Mieter zwar sein Lebenspartner ist, der Ledige sich aber mit Duldung des Partners dauerhaft dort aufhält und sich an der Haushaltsführung maßgebend finanziell beteiligt.
3. Im Streitfall hatte das FG das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung mit der Begründung verneint, es fehle – wegen des Vorbehaltsnießbrauchs der Eltern – an der für den eigenen Hausstand erforderlichen "geschützten Rechtsposition" des Klägers. Es sei unerheblich, ob ein stillschweigendes Nutzungsrecht des Klägers an der (Dachgeschoss-)Wohnung bestehe oder ob die Eltern insoweit mündlich auf ihr Nießbrauchsrecht verzichtet hätten. Denn derartige Vereinbarungen hielten einem Fremdvergleich nicht stand.
4. Mit dieser Begründung hatte das FG indessen nicht nur die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG verkannt; es irrte zudem hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Fremdvergleichs. Dieser dient dazu, eine berufliche bzw. betriebliche Veranlassung von einer privaten Veranlassung zu unterscheiden. Die Aufwendungen für den eigenen Haupthausstand sind indessen stets privat veranlasst; insoweit ist es deshalb unerheblich, ob sie ihren Grund in familiären Beziehungen haben. Was die Wohnungskosten betrifft, können im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nur die Mehraufwendungen für die Wohnung am Beschäftigungsort zu Werbungskosten führen.
5. Um zu zutreffenden Ergebnissen zu gelangen, muss immer der Zweck der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG im Auge behalten werden. Die Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung werden anerkannt, weil die normalerweise einheitliche Haushaltsführung des Steuerpflichtigen aus beruflichen Gründen auf zwei verschiedene Haushalte aufgesplittert ist. Deshalb muss der Arbeitnehmer einen eigenen Haupthausstand unterhalten und darf nicht nur in einen fremden Hausstand (z.B. bei den Eltern) eingegliedert sein.
Ob ein eigener Haupthausstand vorhanden ist, orientiert sich nicht an formalen Kriterien. Vielmehr ist entscheidend, dass der Steuerpflichtige insoweit eine Rechtsposition innehat, die es ihm erlaubt, an diesem Hausstand ungestört wohnen zu können; der Steuerpflichtige muss wesentlich über den eigenen Hausstand (mit-)bestimmen können. Hierzu bedarf es einer gewissen Dauerhaftigkeit bzw. Beständigkeit der Rechtsposition. Ob die Nutzungsmöglichkeit dauerhaft gesichert ist, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden.
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