Leitsatz
Ob die unterhaltsberechtigte Person über ein nicht geringes Vermögen verfügt, bestimmt sich nach dessen Verkehrswert. Der Verkehrswert eines Mietwohngrundstücks wird nicht nur durch einen Nießbrauchsvorbehalt, sondern auch durch ein dinglich gesichertes Veräußerungs- und Belastungsverbot gemindert.
Normenkette
§ 33a Abs. 1 S. 1 EStG
Sachverhalt
Die klagenden Eheleute zahlten an ihre Tochter monatlich 1 000 DM Unterhalt und außerdem Zins und Tilgung auf Darlehen, mit denen die Tochter den Erwerb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs mit Wohnhaus – voll – finanzierte. Außerdem übertrug die Klägerin (und deren Schwester) der Tochter Grundstücksanteile, die z.T. mit lebenslänglichem Nießbrauch zugunsten der Übertragenden sowie mit Belastungs- und Veräußerungsverboten belastet waren.
Das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 28.06.2005, 17 K 1731/03 E, Haufe-Index 1402242, EFG 2005, 1441) nahm schädliches Vermögen der Tochter an. Es berücksichtigte zwar die Darlehens- und die Nießbrauchsbelastung, nicht jedoch die Veräußerungs- und Belastungsverbote.
Entscheidung
Der BFH entschied zunächst, dass die Annuitäten neben den direkten Unterhaltszahlungen abziehbar sind, soweit sie auf das Wohnhaus entfallen, da es sich auch insoweit um typischen Unterhalt handelt.
Beim Ansatz des Vermögens sind – entgegen dem FG – neben der Darlehens- und Nießbrauchsbelastung auch Veräußerungs- und Belastungsverbote wertmindernd abzusetzen.
Die Sache musste an das FG zurückverwiesen werden, einmal um zu prüfen, ob vorrangige Unterhaltsansprüche vorhanden waren, und außerdem, um den Wert des Nießbrauchsvorbehalts und der Verfügungsbeschränkungen zu ermitteln. Für einen Anteil stand zudem gar nicht fest, ob überhaupt wirksame Beschränkungen bestanden.
Hinweis
Typische Unterhaltsleistungen (Wohnung, Kleidung, Ernährung usw.) an gesetzlich Unterhaltsberechtigte, für die kein Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag besteht, können bis zu 7 680 Euro (seit 2004) im Kalenderjahr abgezogen werden, wenn die Einkünfte- und Bezügegrenze nicht überschritten ist und der Unterhaltene kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (§ 33a Abs. 1 EStG).
Das Vermögen beurteilt sich unabhängig von der Anlageart nach dem Verkehrswert. Seit 1975 ziehen Verwaltung und dem folgend der BFH – trotz der Geldentwertung – die Grenze bei 30 000 DM bzw. 15 500 Euro.
Abzustellen ist dabei auf das Nettovermögen. Das bedeutet:
Bei einem – voll – kreditfinanzierten Erwerb des Unterhaltsempfängers ist seine Bedürftigkeit nicht herabgesetzt. Denn der Wert der aktiven Vermögensgegenstände vermindert sich um die Darlehensschuld.
Bei der Übertragung eines Mietwohngrundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt mindert der Vorbehalt den Verkehrswert.
Ebenso wird der Verkehrswert auch durch Verfügungsbeschränkungen oder Verfügungsverbote gemindert.
Grundbuchrechtliche Verfügungsbeschränkungen – wie auch dingliche Vorkaufsrechte, Ankaufs- und Wiederkaufsrechte – sind solche wertbeeinflussende Faktoren. Bei einem "ewigen" Veräußerungsverbot zusammen mit einem "ewigen" Nießbrauchsvorbehalt wäre ein Grundstück für den Eigentümer und einen möglichen Erwerber daher völlig wertlos und dürfte demzufolge bei der Frage, ob ein Unterhaltsempfänger über ein geringes Vermögen verfügt, nicht angesetzt werden.
Die Rechtslage ist somit anders als nach dem BewG. Dort werden ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, zu denen insbesondere auch Verfügungsbeschränkungen aufgrund letztwilliger Anordnungen gehören, ausgeblendet (§ 9 Abs. 2, 3 BewG). Anders ist es auch bei der Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der verbilligten Überlassung von Aktien an Belegschaftsmitglieder. Der zugeflossene Vorteil ist hier nicht deshalb zu mindern, weil die Aktien einer Sperrfrist unterliegen (BFH, Urteil vom 07.04.1989, VI R 47/88, BStBl II 1989, 608).
Auch bei der Ermittlung des Verkehrswerts bemisst sich eine Nießbrauchsbelastung nicht nach dem BewG. Der Verkehrswert des belasteten Grundstücks ist vielmehr nach Marktverhältnissen zu schätzen. Bei Verfügungsbeschränkungen sowie Rückübertragungsverpflichtungen zugunsten des Übertragenden muss der Verkehrswert nach der voraussichtlichen – statistischen – Lebenserwartung geschätzt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.05.2008, III R 48/05