Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Macht ein Steuerpflichtiger beim Ausfüllen seiner elektronischen Steuererklärung versehentlich unvollständige Angaben, handelt er nicht grob fahrlässig. Eine Änderung des Steuerbescheides ist daher nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO noch möglich. Die Vielzahl der Datenmasken und Fenster begünstigt die Eintragungsfehler.
Sachverhalt
Ein Notar übermittelte seine Einkommensteuererklärung 2006 mit Hilfe des Programms ElsterFormular 2006/2007 und vergaß, seine Beiträge zur Notarversorgungskasse in Höhe von 18.457 EUR als Sonderausgaben auf dem Mantelbogen geltend zu machen. Erst bei der Erstellung der Steuererklärung des Folgejahres bemerkte er seinen Fehler und beantragte daraufhin eine Änderung des mittlerweile bestandskräftig gewordenen Steuerbescheids wegen einer neuen Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Das Finanzamt lehnte eine Änderung mit Verweis auf das grobe Verschulden des Steuerpflichtigen jedoch ab.
Entscheidung
Das FG entschied, dass eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO noch möglich ist, da den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden trifft. Die Tatsache, dass der Notar den übrigen Teil seiner Steuererklärung vollständig ausgefüllt und die Zahlungen zum Versorgungswerk in den Vorjahren stets korrekt geltend gemacht hat, lässt auf einen bloßen Übertragungs- und Eingabefehler seinerseits schließen. Hierfür spricht auch, dass der Notar die Vorsorgeaufwendungen in seinen handschriftlichen Notizen zur Steuererklärung korrekt erfasst hatte. Diese schuldhafte Nachlässigkeit ist nicht als "grob" zu qualifizieren, da solche Fehler trotz größter Sorgfalt immer wieder vorkommen können. Begünstigt werden Fehler in der elektronischen Steuererklärung durch eine Vielzahl von Bildmasken und Fenstern, die nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamtdokuments anzeigen. Das Programm ElsterFormular 2006/2007 hat zudem die Besonderheit, dass es den Steuerpflichtigen für einige Angaben vom Mantelbogen auf die Lohnsteuerbescheinigung umleitet, ohne ihn wieder in den Mantelbogen zurückzuführen. Diese Umleitung erschwert das kontinuierliche Arbeiten genau an der strittigen Stelle der Sonderausgaben. Auch bei Erhalt des Steuerbescheides konnte der Notar seinen Fehler nicht bemerken, da er die Festsetzungsdaten lediglich mit der ebenfalls fehlerhaften Probeberechnung seines Elster-Programms verglich.
Hinweis
Das FG weist darauf hin, dass die Finanzverwaltung die Eingabearbeiten mittels der elektronischen Steuerprogramme auf den Steuerpflichtigen verlagert. Vor dem Hintergrund, dass ein Übertragungs- oder Erfassungsfehler seitens der Finanzbehörde eine Korrektur nach § 129 AO ermöglicht, lässt das FG aus Gründen der Gleichbehandlung die Revision zu. Ein Aktenzeichen des BFH liegt noch nicht vor.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.12.2010, 5 K 2099/09