Dipl.-Finw. (FH) Roland Ronig
12.4.1 Allgemeines
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung kann eine Erstattung der einbehaltenen Abzugsteuer erfolgen, wenn z. B. die Kapitaleinkünfte geringer sind als beim Steuerabzug angenommen.
Der Antrag auf Veranlagung zum Abgeltungsteuersatz wird über die Zeile 5 der Anlage KAP "gesteuert". Grundlage für die Überprüfung der abzugspflichtigen Erträge sind die Eintragungen in den Zeilen 7–15 der Anlage KAP 2024.
Der entsprechende Antrag kann bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids gestellt werden bzw. solange eine Änderung nach den Vorschriften der Abgabenordnung oder den Einzelsteuergesetzen möglich ist. §§ 177 und 351 Abs. 1 AO sind zu beachten.
Änderungsvorschriften der AO
Eine spätere Berücksichtigung von Kapitalerträgen, für die ein Steuerabzug vorgenommen wurde, kommt generell nicht in Betracht – insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 AO i. d. R. nicht vor.
Bei der Veranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG müssen nur die Erträge erklärt werden, bei denen der Steuerabzug zu hoch war bzw. die zur Minderung der Steuer führen. Da über Kapitalerträge regelmäßig eine Jahressteuerbescheinigung ausgestellt wird, müssen im Ergebnis die bescheinigten Beträge der jeweiligen Bank/des jeweiligen Kreditinstituts erklärt werden. Die Erklärung aller Kapitalerträge (z. B. bei weiteren Banken) ist nicht erforderlich.
Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens ist nur die Vorlage der entsprechenden Unterlagen erforderlich, die zur Korrektur der steuerlichen Daten des jeweiligen Geschäftsvorfalls dienen.
Solidaritätszuschlag
Die Erhöhung der Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag ab 2021 gilt nicht bei der Festsetzung der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG und im Steuerabzugsverfahren. Damit ist auch beim Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG Solidaritätszuschlag festzusetzen.
Günstigerprüfung auf Antrag
Neben der Veranlagung bestimmter Kapitalerträge ist die Versteuerung aller Kapitalerträge mit der tariflichen Einkommensteuer möglich (Günstigerprüfung).
12.4.2 Beispielsfälle
Eine Veranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG (zum Abgeltungsteuersatz) wird insbesondere in folgenden Beispielsfällen vorteilhaft sein.
12.4.2.1 Sparer-Pauschbetrag
Abzug eines nicht ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrags
A erzielt Kapitalerträge nur bei einer Bank. Er hat vergessen, einen Freistellungsauftrag zu erteilen.
A erklärt seine Kapitalerträge in der Zeile 7 der Anlage KAP und trägt die Steuerabzugsbeträge (Zeilen 37 ff.) entsprechend den Angaben in der Steuerbescheinigung ein. In den Zeilen 16 und 17 trägt er den Wert "0" ein, da weder bei seiner Bank noch bei anderen Banken ein Freistellungsauftrag berücksichtigt wurde.
Sparer-Pauschbetrag
A hat seinen Freistellungsauftrag i. H. v. 1.000 EUR bei der X-Bank erteilt. Dort hat er aber nur Kapitalerträge i. H. v. 550 EUR erzielt. Bei der Y-Bank, bei der er keinen Freistellungsauftrag abgab, vereinnahmte A in 2024 Veräußerungsgewinne aus Index-Zertifikaten i. H. v. 2.000 EUR. Hierauf hat die Bank 500 EUR Kapitalertragsteuer und 27,50 EUR SolZ einbehalten.
In den Zeilen 5–17 der Anlage KAP sind folgende Werte auszufüllen:
- Zeile 5: 1
- Zeile 7: 2.000
- Zeile 16: 0
- Zeile 17: 550
In der Einkommensteuerveranlagung erhält A zusätzlich den nicht ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 450 EUR, was zu einer steuerlichen Entlastung von 112,50 EUR (zzgl. SolZ) führt.
Würde A alle Kapitalerträge in die Zeile 7 eintragen (2.550 EUR), müsste der in Anspruch genommene Sparer-Pauschbetrag in der Zeile 16 erscheinen. In Zeile 17 wäre der Wert "0" einzugeben. Beim steuerlichen Ergebnis ändert sich nichts.
12.4.2.2 Ersatzbemessungsgrundlage beim Steuerabzug
Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage
Steuerbescheinigung 2024 – Auszug – |
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Höhe der Kapitalerträge |
11.000 EUR |
Zeile 7 Anlage KAP |
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Ersatzbemessungsgrundlage i. S. d. § 43a Abs. 2 Satz 7, 10, 13 und 14 EStG |
3.000 EUR |
Enthalten in den bescheinigten Kapitalerträgen |
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Zeile 11 Anlage KAP |
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Höhe des in Anspruch genommenen Sparer-Pauschbetrags |
1.000 EUR |
Zeile 16 oder 17 Anlage KAP |
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Kapitalertragsteuer |
2.500 EUR |
Zeile 37 Anlage KAP |
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Solidaritätszuschlag |
137,50 EUR |
Zeile 38 Anlage KAP |
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Sachverhalt:
M hatte im Jahr 2006 ein variabel verzinsliches Wertpapier (Floater) zum Kaufpreis von 9.500 EUR erworben. In 2024 veräußerte er diese zu einem Preis von 10.000 EUR. Er hatte in 2007 sein Depot von der A- zur B-Bank übertragen.
Die B-Bank musste beim Verkauf im Jahr 2024 die Ersatzbemessungsgrundlage (30 % des Verkaufspreises) anwenden und hierauf den Steuerabzug vornehmen (kein Bestandsschutz). ...