Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Ein Urteil des BGH hatte zu einer entscheidenden Änderung im Bereich des Urheberrechts geführt. Danach genügt es, dass Gebrauchskunst eine Gestaltungshöhe erreicht, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer "künstlerischen" Leistung zu sprechen. Es ist dagegen nicht (mehr) erforderlich, dass sie die Durchschnittsgestaltung deutlich überragen.
In dem Verfahren ging es um die "Erfindung" des sog. Geburtstagszugs (Zug aus Holz, auf dessen Waggons sich Kerzen und Ziffern aufstecken lassen). Die Person, die diesen Geburtstagszug entworfen hatte und dafür ein Honorar von damals 400 DM erhielt, war der Auffassung, dass es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt. Nachdem sie in den Vorinstanzen gescheitert war, hat der BGH die Anforderungen an die urheberrechtlich geschützten Werke der Gebrauchskunst herabgesetzt.
Die Finanzverwaltung gibt im Zusammenhang mit dieser Rechtsprechung ihre bisher für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei Gebrauchsgraphikern und Graphik-Designern in Abschn. 12.7 Abs. 17 UStAE vertretene Auffassung auf. Diese Auffassung war im Wesentlichen gestützt auf die nunmehr überholte Rechtsprechung des BGH.
Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG bei Gebrauchsgraphikern und Graphik-Designern stellt die Finanzverwaltung jetzt aus Vereinfachungsgründen auf die dem Leistungsaustausch zugrunde liegende zivilrechtliche Vereinbarung ab. Gehen die Vertragsparteien nach den abgeschlossenen Vereinbarungen von der Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte an einem Muster oder einem Entwurf aus, ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden.
Dies soll aber dann nicht gelten, wenn es zu offensichtlich unzutreffenden steuerlichen Ergebnissen führt.
Konsequenzen für die Praxis
Die Abgrenzung, ob eine Leistung dem Urheberrechtsgesetz unterliegt und damit der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist oder nicht, ist eine in der Praxis schwierige und auch gefährliche Angelegenheit. In Zweifelsfällen gibt es dabei auch keinen Königsweg: Weist der leistende Unternehmer nur 7 % Umsatzsteuer aus, obwohl es kein unter § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG fallender Umsatz ist, wird er regelmäßig von der Finanzverwaltung zur Zahlung der Differenz herangezogen. Weist er 19 % Umsatzsteuer aus, obwohl der Vorgang dem ermäßigtem Steuersatz unterliegt, hat der Leistungsempfänger nur einen Vorsteuerabzug i. H. des gesetzlich geschuldeten Betrags; die Differenz ist als unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen.
Es ist deshalb zu begrüßen, dass hier aus Vereinfachungsgründen auf die zivilrechtliche Vereinbarung abgestellt werden kann.
Es sollte deshalb in Verträgen – spätestens in der Rechnung – deutlich darauf hingewiesen werden, dass es sich um eine Leistung handelt, die dem Urheberrechtsgesetz unterliegt, wenn mit dem ermäßigten Steuersatz abgerechnet wird.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Sind die Beteiligten ursprünglich von der Anwendung des Regelsteuersatzes ausgegangen, hatten dann aber nach Bekanntwerden des BGH-Urteils die umsatzsteuerrechtliche Behandlung geändert, wird es nicht beanstandet, wenn die Vertragsparteien die geänderte umsatzsteuerrechtliche Behandlung beibehalten.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 27.1.2015, IV D 2 – S 7240/14/10001, BStBl 2015 I S. 164