Steuersatz für digitale Medien
Die rechtliche Problematik
Bis zum 17.12.2019 unterlagen Bücher in gedruckter Form und elektronisch bereitgestellte E-Books unterschiedlichen Steuersätzen. Diese Unterscheidung war schon seit vielen Jahren kritisiert worden, da es für eine solche Ungleichbehandlung keine wirtschaftlichen oder systematischen Gründe gab. Eine Änderung war national aber erst möglich, nachdem unionsrechtlich entsprechende Änderungen in der MwStSystRL vorgenommen wurden. Nach Einführung des § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG unterliegt die Überlassung der in Nr. 49 Buchst. a - e und Nr. 50 der Anlage 2 zum UStG aufgenommenen Erzeugnisse in elektronischer Form dem ermäßigten Steuersatz. Ebenso unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 Satz 3 UStG die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten, dem ermäßigten Steuersatz.
Im Zusammenhang mit der Einführung dieser wirtschaftlich gebotenen Gleichstellung der Angebote ergeben sich aber Abgrenzungsfragen, insbesondere wenn einheitliche Leistungen sowohl ermäßigt besteuerte Elemente als auch dem Regelsteuersatz unterliegende Elemente enthalten.
Die neue Anweisung des BMF zu § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG
Wichtig: Das BMF-Schreiben führt einen neuen Abschn. 12.17 UStAE ein.
Die Finanzverwaltung hat zu der seit dem 17.12.2019 geltenden Ermäßigung des Steuersatzes für die digitalen Medien und insbesondere zu Abgrenzungsschwierigkeiten Stellung genommen. Teilweise werden aber nur – unter Hinweis auf die "Sicht eines Durchschnittsverbrauchers" – in der Praxis wenig hilfreiche Abgrenzungen vorgegeben.
Im Wesentlichen lassen sich die Feststellungen der Finanzverwaltung wie folgt zusammenfassen:
- Unerheblich ist, ob das digitale Produkt auch in gedruckter Form angeboten wird.
- Keine Ermäßigung des Steuersatzes kommt in Betracht, wenn das digitale Produkt in seiner Funktion deutlich über gedruckte Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften hinausgeht. Allein aber die digitale Filtermöglichkeit oder Verlinkungen schließen die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes nicht aus.
- Bei sog. Bundling-Angeboten (kombinierte Produkte) muss nach den allgemeinen Abgrenzungskriterie (gem. Abschn. 3.10 UStAE) entschieden werden, ob eine einheitliche Leistung vorliegt oder eine Aufteilung geboten ist, die dann zu unterschiedlichen Steuersätzen führen kann. Ob eine elektronisch ausgeführte Leistung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt oder nicht, kann nicht im Rahmen einer unverbindlichen Zolltarifauskunft (uvZTA) bei den zuständigen Zollämtern erfragt werden.
- Der Zugang zu Datenbanken, die verschiedene Werke enthalten, kann auch dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Dies ist nicht davon abhängig, ob ein reiner Online-Zugang oder ein Zugang über einen physischen Datenträger erfolgt. Datenbank i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 14 Satz 3 UStG ist eine Sammlung von Werken, Daten und anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit elektronischen Mitteln zugänglich sind. Damit der Zugang zu dieser Datenbank dem ermäßigten Steuersatz unterliegen kann, muss sie durch die Bereitstellung begünstigter Werke geprägt sein. Soweit Datenbanken überwiegend nicht begünstigte Werke oder Teile davon enthalten, ist der Zugang zur Datenbank insgesamt nicht begünstigt. Die Abgrenzung soll sowohl quantitativ als auch qualitativ anhand der enthaltenen Inhalte erfolgen.
Hinweis: Dem ermäßigten Steuersatz unterliegt auch der Zugang zu einem digitalen Office-Paket, in dem ein Verlag neben Kommentaren, Gerichtsurteilen, Aufsätzen, Gesetzestexten und Verordnungen auch Formulare zum Ausfüllen oder Tools wie Steuer- oder auch Mindestlohnrechner sowie e-Trainings, Generatoren und Online-Live-Seminare anbietet, wenn sowohl bei der Anzahl der in der Datenbank enthaltenen Dateien als auch bei den abgerufenen Inhalten die begünstigten Elemente (Kommentare, Gerichtsurteile, Aufsätze, Gesetzestexte, Verordnungen und Formulare) überwiegen.
Großzügige Übergangsregelung
Die Finanzverwaltung hat die Veröffentlichung der Verwaltungsauffassung verbunden mit einer großzügigen Übergangsregelung. Für Leistungen, die nach dem 17.12.2019 und vor dem 1.1.2022 ausgeführt wurden und für die die Rechnung in diesem Zeitraum ausgestellt wurde, gilt Folgendes:
- Wurde zu Unrecht der ermäßigte Steuersatz ausgewiesen, obwohl die Leistung dem Regelsteuersatz unterliegt, wird aus Vereinfachungsgründen davon ausgegangen, dass die ausgewiesene Umsatzsteuer die tatsächlich geschuldete Umsatzsteuer ist.
- Wurde zu Unrecht der Regelsteuersatz ausgewiesen, obwohl der ermäßigte Steuersatz anzuwenden gewesen wäre und hat der leistende Unternehmer die ausgewiesene Umsatzsteuer abgeführt, wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer die Rechnung nicht berichtigt. Auch der Leistungsempfänger kann dann die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.
Diese Regelungen gelten entsprechend, wenn die Steuerschuld nach § 13b UStG auf den Leistungsempfänger übergeht.
Konsequenzen für die Praxis
Das Schreiben des BMF mit dem neu aufgenommenen Abschn. 12.17 UStAE enthält Licht und Schatten. Sehr positiv ist die umfangreiche Nichtbeanstandungsregelung – im Ergebnis wird es nicht beanstandet, wie auch immer die Unternehmer bisher die Abrechnung in diesen Fällen vorgenommen haben, solange der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer auch tatsächlich angemeldet und abgeführt hat. Allerdings wäre es für die Praxis wünschenswert gewesen, wenn es nicht 2 Jahre gedauert hätte, bis die Finanzverwaltung eine solche Lösung veröffentlicht.
Nicht besonders hilfreich sind allerdings die für Zweifelsfälle aufgenommenen Hinweise. Diese gehen nicht über auslegungsbedürftige Allgemeinplätze hinaus. In vielen in der Praxis verwendeten Produkten werden sowohl Elemente verwendet, die eindeutig in den Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG fallen, aber auch Angebote, die isoliert betrachtet zur Anwendung des Regelsteuersatzes nach § 12 Abs. 1 UStG führen. Die Finanzverwaltung stellt in Abschn. 12.17 Abs. 2 UStAE zum einen auf die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers ab und zum anderen soll die Beurteilung "sowohl quantitativ als auch qualitativ" erfolgen. Dies wird dann auch in den vier zu Abschn. 12.17 Abs. 2 UStAE angefügten Beispielen verbal wieder so aufgenommen. Hier kann in Betriebsprüfungen Konfliktpotenzial bestehen. Insbesondere eine "qualitative" Abgrenzung ist problematisch, da es bei einer solchen Wertung auch immer auf den Empfängerhorizont ankommt, der bei solchen Werken aber sehr unterschiedlich sein kann und je nach Nutzergruppe unterschiedliche Präferenzen ansprechen kann.
Problem nach Ablauf der Nichtbeanstandungsregelung
Ein besonderes Problem kann sich nach Ablauf der Nichtbeanstandungsregelung für den Leistungsempfänger ergeben. Wenn der leistende Unternehmer aufgrund der "Einschätzung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers" zur Anwendung des Regelsteuersatzes kommt und diesen dann auch in einer Rechnung gesondert ausweist, besteht für den Leistungsempfänger kein Vertrauensschutz in diese Einordnung. Falls eine Betriebsprüfung beim Leistungsempfänger zur Erkenntnis kommt, dass doch der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist, handelt es sich bei der Steuerdifferenz um unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer, die vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.
BMF, Schreiben v. 17.12.2021, III C 2 – S 7225/19/10001 :005
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