Leitsatz
Eine zeitlich befristete Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist eine sog. Leibrente, die bei Rentenbeginn vor 2005 mit einem Besteuerungsanteil von 50 % der Einkommensteuer unterliegt. Eine Besteuerung mit dem Ertragsanteil kommt nicht in Betracht.
Sachverhalt
Bis einschließlich 2004 wurde die EU-Rente der Klägerin mit einem Ertragsanteil von 9 % versteuert. Ab dem Jahr 2005 besteuerte das Finanzamt die EU-Rente - entsprechend der Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG - mit einem Besteuerungsanteil von 50 %. Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, dass sie eine abgekürzte Leibrente beziehe, welche nach § 55 EStDV mit dem Ertragsanteil zu versteuern sei, weil es sich nicht um eine Leibrente im Sinne des § 22 Nr. 1 a) aa) EStG handele. Soweit mit dieser Vorschrift auch abgekürzte Leibrenten erfasst würden, verstoße dies gegen Art. 3 GG. Es sei kein Grund erkennbar, warum abgekürzte Leibrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung anders behandelt würden als sonstige abgekürzte Leibrenten.
Entscheidung
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die EU-Rente, die unstreitig eine abgekürzte Leibrente darstellt, nicht nach § 22 Nr. 3 Satz 1 a) bb) Satz 5 EStG i. V. m. § 55 Abs. 2 EStDV mit dem dort geregeltem Ertragsanteil zu versteuern. Die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 a) bb) EStG gilt nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur für Leibrenten und andere Leistungen, die nicht solche im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG sind. Aus rechtssystematischer Sicht ist daher die Regelung in § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG für Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung lex specialis. Dementsprechend hat die Vorschrift des § 22 Nr. 3 Satz 1 a) bb) Satz 5 EStG i. V. m. § 55 Abs. 2 EStDV nur für abgekürzte Leibrenten Bedeutung, die nicht von einer gesetzlichen Rentenversicherung erbracht werden. Soweit die Klägerin rügt, die Regelung in § 22 Nr. 3 Satz 1 a) aa) EStG sei verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber zur Vereinfachung der Besteuerung die Vorgaben des BVerfG nicht umgesetzt habe, verkenn sie, dass der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung es nicht gebietet, alle Verästelungen möglicher Lebenssachverhalte in einem gesetzlichen Tatbestand abzubilden.
Hinweis
Das FG hat die Revision nicht zugelassen, aber die Nichzulassungsbeschwerde der Klägerin hatte Erfolg. Unter dem Az. X 33/09 muss der BFH nun die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung prüfen.
Ein ähnliches Urteil erging beim FG Münster, das ebenfalls zu dem Ergebnis kam, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der ab 2005 geltenden Rentenbesteuerung bestehen (vgl. FG Münster, Urteil v. 29.10.2009, 8 K 1745/07 E). Das FG Münster hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen (ein AZ beim BFH liegt Stand 16.12.2009 noch nicht vor).
Betroffene sollten daher vorsorglich Einspruch einlegen und auf die anhängige(n) Revision(en), sowie das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO hinweisen.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.11.2008, 15 K 15099/08