Leitsatz
1. Ein Gesellschafter ist neu i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, wenn er zivilrechtlich erstmals ein Mitgliedschaftsrecht an einer bestehenden grundbesitzenden Personengesellschaft erwirbt oder wenn er innerhalb von fünf Jahren nach dem erstmaligen Erwerb des Mitgliedschaftsrechts seine Beteiligung durch den Erwerb weiterer Anteile am Gesellschaftsvermögen aufstockt. Er verliert grunderwerbsteuerrechtlich die Eigenschaft als neuer Gesellschafter erst mit Ablauf von fünf Jahren.
2. Die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG erfasst auch die Aufstockung der Beteiligungsquote eines neuen Gesellschafters.
Normenkette
§ 1 Abs. 2a, § 16 Abs. 2, Abs. 5, § 17 Abs. 3, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG, § 76 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 2 FGO
Sachverhalt
Y war Kommanditist der Klägerin, einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG. In den Jahren 2000 und 2001 verkaufte und übertrug Y insgesamt 50 % seines Kommanditanteils auf die E – spätere F – GmbH & Co. KG (F KG).
Im Jahr 2004 gewährte die Kommanditistin F KG dem Kommanditisten Y im Rahmen einer "Regulierungsvereinbarung" ein Darlehen. Dazu bot Y der F KG unwiderruflich aus dem ihm verbliebenen 50 %-Kommanditanteil ca. 44 % zum Kauf an. Das Darlehen sollte mit der Annahme des Angebots auf Erwerb der Kommanditbeteiligung durch die F KG zur Rückzahlung fällig und durch Verrechnung mit dem Kaufpreisanspruch des Y aus der Veräußerung des Kommanditanteils getilgt werden.
Zur Sicherung des Darlehens trat Y ebenfalls noch im Jahr 2004 aufgrund einer privatschriftlichen Abrede seinen 50 %-Kommanditanteil an die F KG ab. Die F KG trat den Kommanditanteil zugleich wieder an Y ab, wobei diese Rückabtretung des Kommanditanteils wirksam werden sollte, sobald die Ansprüche der F KG gegenüber Y aus dem Darlehensvertrag erfüllt waren. Diese Sicherungsabtretung wurde weder in das HR eingetragen noch dem FA mitgeteilt.
In 2005 nahm die F KG das in der Regulierungsvereinbarung offerierte Erwerbsangebot an; die F KG wurde als Kommanditistin der Klägerin mit einer Einlage von 94 % in das HR eingetragen. Die Darlehensforderung wurde durch Verrechnung mit dem Kaufpreis für den Kommanditanteil getilgt.
Das FA ging im Weg einer gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer davon aus, dass durch die Sicherungsabtretung des Kommanditanteils an die F KG der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt worden sei. Innerhalb von fünf Jahren habe sich der Gesellschafterbestand der Klägerin zu 100 % geändert. Feststellungen zum Rückerwerb des Kommanditanteils durch Y enthielt der Bescheid nicht.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies die Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 10.4.2014, 8 K 306/11 GrE, Haufe-Index 8676344, EFG 2015, 1838) ab.
Entscheidung
Die hiergegen erhobene Revision der Klägerin ist unbegründet.
Der Besteuerungstatbestand in § 1 Abs. 2a GrEStG ist erfüllt. Durch den Beitritt der F KG als Kommanditistin in 2000 und die Abtretung der verbliebenen Kommanditanteile des Y an die F KG in 2004 hat sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar dergestalt geändert, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Denn ein Gesellschafter ist auch dann "neu" i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, wenn er innerhalb von fünf Jahren nach dem erstmaligen Erwerb des Mitgliedschaftsrechts seine Beteiligung durch den Erwerb weiterer Anteile am Gesellschaftsvermögen aufstockt. Wegen der zeitraumbezogenen Betrachtung kann auch die Änderung der Beteiligung eines neuen Mitglieds der Personengesellschaft innerhalb des Fünfjahreszeitraums zur Verwirklichung des Tatbestands beitragen, selbst wenn sich dadurch der Gesellschafterbestand als solcher zivilrechtlich nicht ändert. Ein Gesellschafter verliert grunderwerbsteuerrechtlich die Eigenschaft als neuer Gesellschafter erst mit Ablauf von fünf Jahren; er wird zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf das während des Fünfjahreszeitraums zum Gesellschaftsvermögen gehörende Grundstück Altgesellschafter. Insoweit unterscheidet sich die grunderwerbsteuerrechtliche von der zivilrechtlichen Betrachtungsweise.
Die gesonderte Feststellung des steuerbaren Vorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG hatte nicht wegen eines Rückerwerbs i.S.d. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zu unterbleiben. Die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist schon deshalb ausgeschlossen, weil es an einer ordnungsgemäßen Anzeige des Erwerbsvorgangs fehlt. Denn nach § 16 Abs. 5 GrEStG gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 des § 16 GrEStG nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war (§ 18, § 19 GrEStG).
Steuerschuldner müssen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG Anzeige erstatten über die Verwirklichung des Erwerbstatbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG. In der Literatur wird zwar die Eindeutigkeit der Norm bezweifelt und die Meinung vertreten, es bestehe keine Anzeigepflicht für Änderungen in ...