Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Kosten aus der Verwaltung eines Investmentfonds, Investmentfonds zur Finanzierung der unternehmerischen Tätigkeit, Vorsteuerabzug aus Gemeinkosten
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 168 Buchst. a
Beteiligte
The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge |
Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs |
The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge |
Verfahrensgang
Court of Appeal (Vereinigtes Königreich) (Beschluss vom 26.04.2018; ABl. EU 2018 Nr. C 249/17) |
Tenor
Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger, der sowohl mehrwertsteuerpflichtige als auch mehrwertsteuerbefreite Tätigkeiten ausübt, Schenkungen und Stiftungen, die er erhält, investiert, indem er sie in einem Fonds anlegt, und die Erträge aus diesem Fonds verwendet, um die Kosten aller dieser Tätigkeiten zu decken, nicht berechtigt ist, die auf die Kosten dieser Anlage entfallende Vorsteuer als Gemeinkosten abzuziehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgericht [England & Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 26. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Mai 2018, in dem Verfahren
Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs
gegen
The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters C. G. Fernlund (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge, vertreten durch S. Moore, A. Hitchmough, QC, B. Belgrano, Barrister, und A. Brown, Advocate,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch F. Shibli und R. Fadoju als Bevollmächtigte im Beistand von K. Beal, QC,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und A. Armenia als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs (Steuer- und Zollverwaltung, Vereinigtes Königreich) (im Folgenden: Steuerverwaltung) und The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge (im Folgenden: Universität Cambridge) über die Weigerung der Steuerverwaltung, der Universität Cambridge den Abzug der Mehrwertsteuer zu gestatten, die auf Gebühren im Zusammenhang mit nicht unter die Mehrwertsteuerrichtlinie fallenden Kapitalanlagetätigkeiten entfiel, deren Erträge aber dazu verwendet wurden, die Kosten der Gesamttätigkeit dieser Universität zu decken.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Sechste Richtlinie:
Rz. 3
Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) sieht in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a vor:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden”.
Mehrwertsteuerrichtlinie
Rz. 4
Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt”.
Rz. 5
Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur na...