Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbarkeit
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
ist dahin auszulegen, dass
die einheitliche Leistung des Inhabers eines Ausbildungsstalls für Turnierpferde, die aus Unterbringung, Training und Turnierteilnahme von Pferden besteht, eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn der Eigentümer der Pferde diese Leistung durch hälftige Abtretung des ihm bei einer erfolgreichen Turnierteilnahme seiner Pferde zustehenden Anspruchs auf die gewonnenen Preisgelder vergütet.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November 2021, in dem Verfahren
A
gegen
Finanzamt X
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter N. Wahl und J. Passer,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von A, vertreten durch Rechtsanwalt H. Nieskens,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und A. Hoesch als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und L. Hohenecker als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A, dem Inhaber eines Ausbildungsstalls für Turnierpferde, und dem Finanzamt X (Deutschland) über die Umsatzsteuerpflichtigkeit der vom Kläger erbrachten Leistungen, die durch hälftige Abtretung des Anspruchs auf die mit den Pferden bei Turnieren gewonnenen Preisgelder vergütet wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.”
Rz. 4
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt”.
Rz. 5
Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.”
Deutsches Recht
Rz. 6
Das Umsatzsteuergesetz vom 21. Februar 2005 (BGBl. 2005 I S. 386) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt in § 1 Abs. 1 Nr. 1:
„Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. …”
Rz. 7
In § 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes heißt es:
„Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) … nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt. …”
Rz. 8
Die Finanzgerichtsordnung vom 28. März 2001 (BGBl. 2001 I S. 442, 2262; 2002 I S. 679) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht in § 118 Abs. 2 vor:
„Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.”
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Rz. 9
Der Kläger des Ausgangsverfahrens betrieb in den Jahren 2007 bis 2012 einen Ausbildungsstall für Turnierpferde.
Rz. 10
Er schloss mit Pferdeeigentümern, die in Deutschland wohnten, Verträge, nach denen diese ihm ihre Pferde zur Verfügung stellten. Diese Pferde wurden in diesem Stall untergestellt und gepflegt. Sie wurden dort ausgebildet und nahmen in Deutschla...