Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung des Vorsteuerabzuges für Investitionsgüter
Leitsatz (redaktionell)
Bei dem Verfahren ging es um die Frage der Berichtigung des Vorsteuerabzuges für Investitionsgüter und die Zuordnung eines gekauften Investitionsgutes zum Unternehmensvermögen.
Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer einen Pkw erworben, den er im Jahr der Anschaffung zu ca. 8 % für seine nebenberufliche unternehmerische Tätigkeit nutzte und im Folgejahr in seinen Betrieb einlegte, da er ab diesem Zeitpunkt nur noch unternehmerisch tätig war. Da er im Jahr der Anschaffung keinen Vorsteuerabzug geltend machen konnte, beantragte er für das Folgejahr eine Berücksichtigung der Vorsteuern aus dem Kauf des Pkw nach § 15 a UStG, was das Finanzamt ablehnte.
Das Vorlagegericht fragte deshalb, ob die Berichtigung der Vorsteuer auch auf Investitionsgüter anwendbar ist, die aus dem nichtunternehmerischen Bereich in den unternehmerischen Bereich eingelegt werden und ob für diese Zuordnung ein Mindestmaß an unternehmerischer Nutzung erforderlich ist (nach damaliger Rechtslage, Abschnitt 192 Abs. 17 Nr. 5 Satz 2 UStR 1988, war eine Nutzung des Gegenstandes von mindestens 10 % erforderlich).
Nach dem Urteil kann in diesen Fällen auch nachträglich Vorsteuer abgezogen werden, weil der Unternehmer zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Investitionsgutes die Vorsteuer abziehen kann, wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke sein mag. Der EuGH verwarf die deutsche 10 %-Regelung, weil sie eine Abweichung von der 6. Richtlinie darstelle, die ohne eine entsprechende Ratsermächtigung gemäß Artikel 27 der Richtlinie nicht zulässig gewesen sei.
Beteiligte
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
(Sechste Kammer)
„Mehrwertsteuer – Abzug der für ein Investitionsgut gezahlten Vorsteuer”
In der Rechtssache C-97/90
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag vom Finanzgericht München in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Dipl.-Kfm. H. Lennartz, München,
gegen
Finanzamt München III
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates (77/388) vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erläßt
Der Gerichtshof
(Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten G. F. Mancini, der Richter T. F. O'Higgins, C. N. Kakouris, F. Schockweiler und P. J. G. Kapteyn,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: V. Di Bucci, Verwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Ernst Röder und Joachim Karl, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
der Regierung der Französischen Republik, vertreten durch Edwige Belliard als Bevollmächtigte und Géraud de Bergues als stellvertretenden Bevollmächtigten, Rechtsabteilung des Außenministeriums,
des Vereinigten Königreichs, vertreten durch John Collins, Treasury Solicitor, als Bevollmächtigten,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Henri Etienne als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Bundesregierung, vertreten durch Claus-Dieter Quassowski, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigten, des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Barrister David Anderson, und der Kommission in der Sitzung vom 7. März 1991,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 1991,
folgendes
Urteil
1 Das Finanzgericht München hat mit auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 1990 ergangenem Beschluß, beim Gerichtshof eingegangen am 10. April 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates (77/388/EWG) vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Abl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zurVorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit, in dem der Kläger, Steuerberater in München, gegen das Finanzamt München IlI wegen dessen Weigerung klagt, ihm eine nachträgliche Berichtigung seiner Umsatzsteuererklärung 1985 zu gewähren.
3 1985 und 1986 arbeitete der Kläger teils als Angestellter, teils als selbständiger Steuerberater. Für diesen Zeitraum gab er jährliche Umsatzsteuererklärungen für seine selbständige Tätigkeit ab. 1985 erwarb er ein Kraftfahrzeug für 20.206,15 DM zuzüglich Mehrwertsteuer von 2.826,86 DM. 1985 nutzte er dieses Fahrzeug überwiegend privat und nur zu einem geringen Teil, nämlich zu etwa 8 %, für unternehmerische Zwecke. Bei der Eröffnung seiner eigenen Steuerberaterpraxis legte er das Fahrzeug in den Betrieb ein. In seiner Umsatzsteuererklärung 1986 machte er aufgrund...