Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorübergehende Einfuhr, Verkehrsmittel, Steuerbefreiung, Geldbußen bei rechtswidriger Einfuhr, Wohnsitzbestimmung
Leitsatz (amtlich)
1.Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 83/182/EWG des Rates vom 28. März 1983 über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel ist dahin auszulegen, dass dann, wenn eine Person über persönliche und berufliche Bindungen in zwei Mitgliedstaaten verfügt, der im Rahmen einer Gesamtwürdigung anhand aller erheblichen Tatsachen ermittelte Ort ihres gewöhnlichen Wohnsitzes der Ort ist, an dem sich der ständige Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, und dass den persönlichen Bindungen der Vorrang einzuräumen ist, wenn diese Gesamtwürdigung eine solche Ortsbestimmung nicht zulässt.
2.Nationale Rechtsvorschriften, die bei Verstoß gegen die durch die Richtlinie geschaffene Regelung über die vorübergehende Einfuhr eine Reihe von Sanktionen vorsehen, zu denen insbesondere
-pauschal nach dem alleinigen Kriterium des Hubraums des Fahrzeugs ohne Berücksichtigung des Alters des Fahrzeugs festgesetzte Geldbußen und
-eine erhöhte Abgabe, die bis zum Zehnfachen der fälligen Abgaben gehen kann,
gehören, sind mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur insoweit vereinbar, als sie durch zwingende Erfordernisse der Strafverfolgung und der Vorbeugung unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes notwendig geworden sind.
3.Bei der Verfolgung wegen eines Verstoßes gegen die Regelung über die vorübergehende Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel verbieten es dieRichtlinie und die sonstigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nicht, dass ausgeschlossen wird, dass die Unkenntnis der geltenden Vorschriften von Rechts wegen zu einer Befreiung von jeder Sanktion führt. War die Bestimmung der anwendbaren Regelung mit Schwierigkeiten verbunden, ist jedoch der gute Glaube des Zuwiderhandelnden bei der Festsetzung der gegen ihn tatsächlich verhängten Sanktion zu berücksichtigen.
Normenkette
EWGRL 182/83 Art. 7 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
Dioikitiko Protodikeio Irakleiou (Griechenland) |
Tatbestand
Richtlinie 83/182/EWG - Vorübergehende Einfuhr von Verkehrsmitteln - Steuerbefreiungen - Gewöhnlicher Wohnsitz in einem Mitgliedstaat - Geldbuße bei rechtswidriger abgabenfreier Einfuhr - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - Guter Glaube
In der Rechtssache C-262/99
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Trimeles Dioikitiko Protodikeio Irakleiou (Griechenland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Paraskevas Louloudakis
gegen
Elliniko Dimosio
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 83/182/EWG des Rates vom 28. März 1983 über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel (ABl. L 105, S. 59)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter) sowie der Richter V. Skouris, J.-P. Puissochet, R. Schintgen und der Richterin F. Macken,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
-der griechischen Regierung, vertreten durch P. Mylonopoulos und M. Apessos als Bevollmächtigte,
-der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard und M. Patakia als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Paraskevas Louloudakis, vertreten durch G. Stylianakis, dikigoros, der griechischen Regierung, vertreten durch M. Apessos, und der Kommission, vertreten durch M. Patakia, in der Sitzung vom 3. Oktober 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. November 2000,
folgendes
Urteil
1. Das Trimeles Dioikitiko Protodikeio Irakleiou (Verwaltungsgericht erster Instanz Heraklion) hat dem Gerichtshof mit Urteil vom 30. Juni 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juli 1999, gemäß Artikel 234 EG vier Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 83/182/EWG des Rates vom 28. März 1983 über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel (ABl. L 105, S. 59, im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Paraskevas Louloudakis (im Folgenden: Kläger) und dem Elliniko Dimosio (Griechischer Staat) über Abgaben und Geldbußen, die gegen den Kläger wegen der Einfuhr von drei in Italien zugelassenen Kraftfahrzeugen nach Griechenland festgesetzt worden sind.
Der rechtliche Rahmen des Ausgangsverfahrens
Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften
3. Nach Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie gewähren die Mitgliedstaaten unter den in der Richtlinie festgelegten Bedingungen bei der vorübergehenden Einfuhr von Straßenkraftfahrzeugen aus einem Mitgliedstaat eine Befreiung u. a. von Umsatzsteuern, Sonderverbrauchsteuern und sonstigen Verbrauchsabgaben.
4. Gemäß Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie gilt...