Entscheidungsstichwort (Thema)
Ort der Leistung eines Schiedsrichters bei einer internationalen Handelskammer
Leitsatz (redaktionell)
Der EuGH hatte zu entscheiden, ob die Leistungen eines Schiedsrichters bei dem Schiedsgericht der internationalen Handelskammer in Paris unter Artikel 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie (Ort der Leistung am Sitz des Unternehmers) oder unter Artikel 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie (Ort der Leistung von Beratern, Anwälten usw.) fallen.
Der EuGH hat entschieden, daß die Leistungen eines Schiedsrichters nicht unter Artikel 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie fallen. Nach seiner Auffassung gleichen die Schiedsrichterleistungen weder denen eines Anwalts, noch handelt es sich um sonstige ähnliche Leistungen im Sinne der Richtlinienvorschrift. Der Gerichtshof hat sich mit seiner Entscheidung über die Auffassung des Generalanwalts und der EU-Kommission hinweggesetzt und die deutsche Rechtsauffassung bestätigt. Danach werden die Schiedsrichterleistungen am Sitzort des leistenden Unternehmers erbracht.
Beteiligte
Gründe
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e dritter Gedankenstrich – Dienstleistung eines Schiedsrichters – Ort der Leistung”
In der Rechtssache C-145/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Neustadt an der Weinstraße (Deutschland), in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Bernd von Hoffmann
gegen
Finanzamt Trier
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e dritter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erläßt
Der Gerichtshof (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten G. F. Mancini sowie der Richter C. N. Kakouris (Berichterstatter), G. Hirsch, H. Ragnemalm und R. Schintgen,
Generalanwalt: N. Fennelly
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
von Bernd von Hoffmann, vertreten durch Rechtsanwalt Theo Bomm, Trier,
des Finanzamts Trier, vertreten durch seinen Vorsteher, Leitenden Regierungsdirektor Albert Blümling,
der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Regierungsrätin Sabine Maass, beide Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Jörn Sack als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Bernd von Hoffmann, vertreten durch Rechtsanwalt Theo Bomm, des Finanzamts Trier, vertreten durch Leitenden Ministerialrat Werner Widmann, rheinland-pfälzisches Ministerium der Finanzen, als Bevollmächtigten, der deutschen Regierung, vertreten durch Oberregierungsrat Bernd Kloke, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigten, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Assistant Treasury Solicitor J. E. Collins als Bevollmächtigten, und Barrister Nicholas Paines, sowie der Kommission, vertreten durch Rechtsberater Jürgen Grunwald als Bevollmächtigten, in der Sitzung vom 25. Februar 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. April 1997,
folgendes
Urteil
1 Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat mit Beschluß vom 15. März 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e dritter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Bernd von Hoffmann (im folgenden: Kläger) und dem Finanzamt Trier (im folgenden: Beklagter) über die Zahlung von Mehrwertsteuer für Schiedsrichterleistungen, die der Kläger in Frankreich erbrachte.
3 Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie stellt folgende allgemeine Regel auf:
„Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit … hat …”
4 Jedoch gilt nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e dritter Gedankenstrich
„als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden, der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder ei...