Entscheidungsstichwort (Thema)
Pro-rata-Berechnung des Vorsteuerabzugs
Leitsatz (amtlich)
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob nach Artikel 19 der 6. EG-Richtline (Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs) Dividendenerträge, die ein Unternehmen bezogen hat, das im übrigen steuerpflichtige Umsätze bewirkt, bei der Pro-rata-Berechnung des Vorsteuerabzugs im Nenner des Bruches zu berücksichtigen sind oder nicht. Nach dem Sachverhalt erzielte eine französische Gesellschaft, deren Geschäftszweck die Verwaltung eines Immobilienvermögens war, Einnahmen aus der Vermietung von Immobilien, verschiedene andere mehrwertsteuerpflichtige Erträge sowie Dividenden aus ihren Beteiligungen am Kapital anderer Gesellschaften der Gruppe, deren Holding sie war.
Nach dem Urteil stellt das bloße Halten von Beteiligungen an anderen Unternehmen keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne der 6. EG-Richtline dar. Die Dividenden sind folglich auch bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes für den Vorsteuerabzug im Nenner nicht anzusetzen, d.h. der Vorsteuerabzug kürzt sich insoweit nicht. Wenn das bloße Halten von Beteiligungen nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt, d.h. einen nichtunternehmerischen Bereich darstellt, wäre ein Vorsteuerabzug aber insoweit bereits nach Artikel 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtline ausgeschlossen. Zu dieser Frage hat sich der EuGH allerdings nicht geäußert.
Beteiligte
Ministre chargé du Budget |
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
In der Rechtssache C-333/91
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag vom französischen Conseil d'État in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Sofitam SA (früher Satam SA)
gegen
Ministre chargé du Budget
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 19 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; Abl. L 145, S. 1)
erläßt
Der Gerichtshof
unter Mitwirkung des Präsidenten O. Due, der Kammerpräsidenten M. Zuleeg und J. L. Murray, der Richter G. F. Mancini, F. A. Schockweiler, J. C. Moitinho de Almeida und F. Grévisse,
Generalanwalt: W. Van Gerven
Kanzler: H. von Holsetin, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Satam SA (nunmehr Sofitam SA), vertreten durch Rechtsanwalt Philippe Derouin, Paris,
der französischen Regierung, vertreten durch Philippe Pouzoulet, stellvertretender Leiter der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und durch Géraud de Bergues, stellvertretender Hauptsekretär für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte,
der niederländischen Regierung, vertreten durch T. P. Hofstre, amtierender Generalsekretär des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,
der griechischen Regierung, vertreten durch Vasileios Kontolaimos, Paredros („Beisitzer”) des Juristischen Beratungsgremiums des Staates, als Bevollmächtigten,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hauptrechtsberater Henri Etienne und Rechtsberater Johannes F. Buhl als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Satam SA, der französischen Regierung, vertreten durch Cathérine de Salins, Sekretärin für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte, der griechischen Regierung, vertreten durch Vasileios Kontolaimos und Maria Basdeki, juristische Beauftragte, als Bevollmächtigte, und der Kommission in der Sitzung vom 9. Dezember 1992,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Januar 1993,
folgendes
Urteil
1 Der französische Conseil d'État hat mit Urteil vom 13. Dezember 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Dezember 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach Auslegung des Artikels 19 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; Abl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Satam SA (nunmehr Sofitam SA, Klägerin) mit Sitz in Asnières (Frankreich) und dem für den Haushalt zuständigen Minister (Ministre chargé du Budget) infolge einer Berichtigung der von der Klägerin verlangten Mehrwertsteuer, die sich aus der Minderung ihres Rechts auf Vorsteuerabzug ergab.
3 Die Klägerin, eine Holding, zog von der von ihr geschuldeten Mehrwertsteuer die gesamte Mehrwertsteuer ab, die auf ihren Geschäften über den Erwerb von Gegenständen und über Dienstleistungen lastete. Die französische Verwaltung stellte fest, daß die Einnahmen der Klägerin zum einen verschiedene mehrwertsteuerpflichtige Erträge und zum anderen nicht mehrwertsteuerpflichtige Dividenden umfaßten. Sie vertrat die Auffassung, daß die Klägerin nach dem Cod...