Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für eine gerichtliche Aussetzung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung. Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte
Leitsatz (redaktionell)
1. Gegen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung wird einstweiliger Rechtsschutz durch Aussetzung und nicht durch Aufhebung der Vollziehung gewährt.
2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erledigt sich nicht dadurch, dass die Vollstreckungsbehörde Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO gewährt.
3. Eine Vollstreckung droht jedenfalls dann, wenn sich der Aussetzungsantrag unmittelbar gegen einen Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren richtet.
4. Wendet sich der Schuldner an das FA mit der Bitte, die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aufzuheben, bringt er dadurch zum Ausdruck, dass er mit den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nicht einverstanden ist, was für einen Einspruch auch ohne ausdrückliche Bezeichnung ausreicht.
5. Der Schuldner hat auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ins Leere geht, weil zukünftige Ansprüche entstehen können.
6. Eine Pfändungsverfügung ist nicht allein deshalb rechtswidrig, weil sie ins Leere geht.
7. Einwände gegen die Richtigkeit der materiellen Steuerfestsetzungen, zu deren Vollziehung die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erfolgt sind, sowie gegen das Ausbleiben eines Erlasses in Bezug auf Zinsen und Säumniszuschläge sind gemäß § 256 AO außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.
8. Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte ist ausgeschlossen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen fast ausgeschlossen sind.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-4; AO §§ 254, 256, 309, 314, 258, 357 Abs. 1 S. 4
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Antragsgegner (das Finanzamt – FA –) betreibt wegen fälliger Steuern und steuerlicher Nebenleistungen die Vollstreckung gegen den Antragsteller. Dabei traf es u.a. folgende drei Vollstreckungsmaßnahmen, wegen derer der Antragsteller Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt:
Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Bank I
Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 7. Juni 2011 (Bl. 185 Vollstreckungsakte – VA – III, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung 1) pfändete das FA wegen Forderungen in Höhe von xx.xxx,xx EUR die dem Antragsteller gegenwärtig und künftig gegen die Bank I (Drittschuldnerin 1) zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus der bestehenden Geschäftsverbindung. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung 1 verwiesen. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung 1 wurde der Drittschuldnerin 1 durch Übergabe an einen ihrer Beschäftigten ausweislich der in der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde (Bl. 192 der VA III) am 14. Juni 2011 um 11.30 Uhr zugestellt.
Nach der Drittschuldnererklärung der Drittschuldnerin 1 vom 15. Juni 2011 bestehen dort Forderungen in Höhe von xx.xxx,xx EUR, wobei u.a. eigene Ansprüche der Drittschuldnerin 1 der Pfändung des FA im Rang vorgingen.
Nachdem am 27. Juni 2011 ein Schreiben der Vertreterin des Antragstellers mit der Bitte u.a. um Aussetzung der Vollstreckung und Rücknahme der Pfändungen beim FA eingegangen war (Bl. 197 VA III), teilte das FA der Drittschuldnerin 1 mit Schreiben vom 29. Juni 2011 mit, auf Antrag des Antragstellers werde die Pfändungsverfügung zwar aufrecht erhalten, aber die Einziehungsanordnung werde dahingehend eingeschränkt, dass die Drittschuldnerin 1 ermächtigt werde, die bereits fälligen und künftig fällig werdenden Forderungen unmittelbar an den Antragsteller zu zahlen (Bl. 218 VA III). Diese Regelung stehe unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs und werde hinfällig, sobald ein Dritter Ansprüche an den gepfändeten Forderungen erhebe und Leistung verlange.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2011 teilte das FA dem Antragsteller mit, die Aussetzung der Pfändungsverfügung werde unter der Bedingung gewährt, dass monatlich mindestens x.xxx EUR auf die Rückstände zu entrichten seien, wobei u.a. die Nichterfüllung der Bedingung zum Ende des Vollstreckungsaufschubes führe (Bl. 219 VA III). Am 15. September 2011 wies das FA den Antragsteller darauf hin, das FA werde von seinem Recht, wegen des Gesamtrückstands zu vollstrecken, unverzüglich Gebrauch machen, falls nicht bis zum 20. September 2011 die ausstehenden Beträge von jeweils x.xxx EUR für die Monate Juli und September 2011 eingehen würden. Am 24. Oktober 2011 teilte das FA der Drittschuldnerin 1 mit, es widerrufe die mit Schreiben vom 26. September 2011 gewährte Aussetzung der Pfändungsverfügung vom 29. Juni 2011 (Bl. 20 VA IV).
Mit Schreiben vom 12. August 2011, 15. September 2011 und 26. September 2011 teilte das FA der Drittschuldnerin 1 jeweils mit, dass auf weiteren Antrag des Antragstellers hin die mit der Pfändungsverfügung verbundene Einziehungsanordnun...