Entscheidungsstichwort (Thema)
Sammelauskünfte von Banken über Erhalt von Bonusaktien ihrer Kunden
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Auskunftsverlangen über Bankkunden, die Bonusaktien bezogen haben, mit dem Ziel der Auswertung und Weiterleitung an die Wohnsitzfinanzämter unterfällt dem Aufgabenbereich der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO.
2. Ist der Steuerfahndung aufgrund von Ermittlungen bekannt, dass die Bank den Wert von Bonusaktien nicht in die Erträgnisaufstellungen der Kunden aufgenommen hat, liegt ein hinreichender Anlass zur Einholung von Sammelauskünften vor.
3. Allein die große Zahl der von der Sammelauskunft betroffenen Kunden führt nicht dazu, dass das Auskunftsersuchen als unzulässige Rasterfahndung oder Ermittlung „ins Blaue hinein” zu qualifizieren ist.
4. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO gibt der Steuerfahndung das Recht, von den Beteiligten und anderen Personen die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Sammelauskünfte zu verlangen.
5. Dem Auskunftsersuchen steht die Regelung des § 30a Abs. 2 AO nicht entgegen.
Normenkette
AO § 30a Abs. 2, § 93 Abs. 1, § 208 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-3, S. 2, § 404 Sätze 2, 1. HS; FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines an die Klägerin (Klin) gerichteten Auskunftsersuchens des Beklagten (Bekl).
Im Juni 1999 wurde das Grundkapital der Deutschen Telekom AG (DT-AG) durch Ausgabe neuer Stückaktien erhöht (sog. zweiter Börsengang der DT-AG). Die neuen Aktien wurden zu einem geringen Teil den Mitarbeitern der DT-AG, überwiegend aber auf der Grundlage eines sog. kombinierten Angebots an Aktionäre (Bezugsrechtsangebot) sowie an private und institutionelle Anleger im In- und Ausland (globales Angebot) ausgegeben. Privatanleger, die Aktien im Rahmen des Bezugsrechtsangebots erwarben, erlangten außerdem das Recht auf den Bezug je einer Bonusaktie für 10 neue Aktien, wenn sie diese ununterbrochen bis zum 31. August 2000 hielten. Nach einer Entscheidung der Finanzministerkonferenz vom 21. Oktober 1999 hatte die Finanzverwaltung den Wert der Bonusaktien als Einnahme bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzen (BMF-Schreiben vom 10. Dezember 1999, Bundessteuerblatt – BStBl – I 1999, 1129). Der Eröffnungskurs der Aktie lag am Tag des Ablaufs der Haltefrist bei 43,30 EUR. Die Bezugsberechtigung der Kunden wurde von der Klin maschinell ermittelt. Danach teilte die Klin die Bonusaktien den bezugsberechtigten Kunden automatisch zu. Im Zusammenhang mit der Einbuchung der Bonusaktien im September 2000 wies die Klin ihre Kunden zwar auf die Einkommensteuer(ESt-)Pflichtigkeit des Bezugs der Bonusaktien hin. In die Erträgnisaufstellungen für das Jahr 2000 wurde der Wert der Bonusaktien indes nicht aufgenommen.
Nachdem die Steuerfahndungsstelle (Steufa) des Bekl im Rahmen von Ermittlungen gegen einzelne Kunden der Klin Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Wert der Bonusaktien von der Klin nicht in die Erträgnisaufstellungen ihrer Kunden aufgenommen worden war, forderte die Steufa die Klin mit Schreiben vom 18. Juli 2003 auf, ihr Auskunft zu erteilen über
- „Name, Anschrift und Geburtsdatum des Depotinhabers, dem Gratis/Bonusaktien gutgeschrieben wurden
- Depotnummer des Kunden
- Anzahl der Treueaktien aus Börsengang 1999 …
- Einbuchungstag der Aktien in das Kundendepot im Jahr 2000 …
- Wert der Bonusaktien im Jahr 2000 (aus Börsengang 1999) … = steuerpflichtiger Ertrag”
und ….
Hiergegen legte die Klin mit Schriftsatz vom 23. September 2003 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, es handle sich um ein unzulässiges Sammelauskunftsersuchen. Denn nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. März 2002 VII B 152/01 liege ein Sammelauskunftsersuchen und damit eine sog. Rasterfahndung bzw. eine „Ermittlungsmaßnahme ins Blaue hinein” nur dann nicht vor, wenn die Steufa besondere Kenntnis davon habe, dass gerade Kunden dieses Kreditinstituts bestimmte Einkünfte in erheblichem Maß erzielt und einer möglichen Besteuerung entzogen hätten. Eine solche Erkenntnis habe im Streitfall jedoch nicht vorgelegen. Selbst wenn sich durch die Ermittlungen des Bekl bei einem einzelnen Kreditinstitut ein Anhaltspunkt für eine Steuerverkürzung ergeben habe sollte, wäre zunächst zu prüfen, ob dieser ausreiche, von dem betreffenden Kreditinstitut auch in anderen Fällen Auskünfte zu verlangen. Bereits dies sei keinesfalls selbstverständlich, sondern bedürfe einer eingehenden Begründung im Einzelfall. Auch wenn man die Rechtfertigung eines derartigen Auskunftsersuchens bejahen würde, dürfte eine solche Sachlage kaum ausreichend dafür sein, eine Rasterfahndung gegenüber allen Kunden der Klin einzuleiten, selbst wenn das Auskunftsersuchen – wie im Streitfall – nur an einen bestimmten Umstand, nämlich die Zuteilung von Bonusaktien der DT-AG in den Jahren 2000 und 2002 anknüpfe. In seinem Beschluss vom 21. März 2002 VII B 152/01, BSt...